Linke und Grüne werfen Bezirksbürgermeisterin Alleingang vor
Streit um die Zukunft grüner Grundstücke
Wohnungen, Geflüchtetenunterkünfte, Jugendklubs, Schulen, Grün: In Marzahn-Hellersdorf wachsen die Nutzungskonflikte um die knapper werdenden Flächen. Zuletzt gingen vor allem die Vorstellungen von Senat und Bezirk ziemlich auseinander (wir berichteten). Nun aber gibt es auch bezirksintern heftigen Streit. Auslöser ist ein Brief, den Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic der Senatsbauverwaltung geschrieben hat. Die darin unterbreiteten Bebauungsvorschläge für insgesamt sechs Grundstücke stünden mitunter „in komplettem Widerspruch“ zu bisherigen Beschlüssen und Verabredungen, kritisieren vor allem Grüne und Linke. Sie werfen der CDU-Politikerin einen Alleingang vor. Sogar von einem „einmaligen Vorgang in der Bezirkspolitik der vergangenen Jahre“ ist die Rede.
In besagtem Schreiben, das am 21. Juli an Senator Christian Gaebler (SPD) ging, könnte der Buckower Ring 54/56 mit einer Jugendhilfeeinrichtung und die Langhoffstraße 9/11 mit einer Schule bebaut werden. Als mögliche Standorte für neue modulare Geflüchtetenunterkünfte (MUF) wurden dem Senat die Flächen in der Hoyerswerdaer Straße 15, 17, 27, in der Hohenwalder Straße 15 und in der Ludwig-Renn-Straße 28 angeboten. Für den ehemaligen Psychiatrie-Plattenbau im Brebacher Weg, der bis Frühjahr 2021 als Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete Menschen fungierte und seither leer steht, wird hingegen ein Wohnheim für Studierende und Azubis angeregt.
Linke und Grüne reagierten nach Bekanntwerden des Briefs entsetzt, weil es für die genannten Grundstücke seit Längerem „klare Vereinbarungen von BVV und Bezirksamt zur Stärkung der sozialen und ökologischen Infrastruktur“ gebe, betonen Sozialstadträtin Juliane Witt (Linke), der Linken-Fraktionsvorsitzende Bjoern Tielebein und der Kreisvorsitzende der Linken, Kristian Ronneburg, in einer gemeinsamen Erklärung. So sollte etwa das Grundstück in der Hoyerswerdaer Straße in Hellersdorf nach den Vorstellungen des Bezirks für einen Jugendklub entwickelt werden, wohingegen die Senatsbauverwaltung bislang für Wohnungsbau plädierte.
Das wild bewachsene Gelände im Buckower Ring 54/56 in Biesdorf war als Ökokonto-Fläche vorgesehen, auf der Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur hätten vorgenommen werden können. Und auch auf die Bewahrung des „Langhoffwäldchens“ in Marzahn hatte man sich im Bezirk längst verständigt. Mit ihrem Vorgehen verstoße die Bezirksbürgermeisterin nicht nur gegen geltende Beschlüsse, sie ignoriere auch den ausdrücklichen Wunsch der Nachbarschaft, die Grünflächen zu erhalten, bemängelt Max Linke, Kreisverbandssprecher der Bündnisgrünen.
Seine Parteikollegin Chantal Münster, grüne Fraktionschefin im Bezirksparlament, zeigte sich insbesondere von den „neu aus dem Hut gezauberten“ Orten für Geflüchtetenunterkünfte überrascht. Zu den drei Standorten liegt inzwischen auch eine Stellungnahme des von Juliane Witt verantworteten Sozialamts vor. Darin wird einmal mehr auf das gesamtstädtische Ungleichgewicht bei der Unterbringung von Zufluchtsuchenden verwiesen. Mit 4.325 Plätzen in zehn Einrichtungen liegt Marzahn-Hellersdorf im Bezirke-Vergleich auf Platz zwei und bekommt wohl immer mehr Schwierigkeiten, den Menschen ein gutes Ankommen zu ermöglichen. Vor allem gibt es zu wenig Arztpraxen, Schul- und Kitaplätze. „In diesen Bereichen kommt es zur Konkurrenz mit den bereits hier wohnenden Menschen, was zu einer Verschlechterung des sozialen Klimas und der immer geringeren Akzeptanz der Geflüchteten führt“, heißt es in der Einschätzung. Davon abgesehen hält das Sozialamt die genannten Grundstücke aber auch wegen der Nähe zu bestehenden Unterkünften für ungeeignet.
Suche nach Ausweichstandorten für die Unterkunft in der Maxie-Wander-Straße
Nadja Zivkovic verweist auf den „Druck“, einen oder mehrere Ausweichstandorte für die Gemeinschaftsunterkunft in der Maxie-Wander-, Ecke Carola-Neher-Straße finden zu müssen. Das Gebäude soll leergezogen und abgerissen werden, damit auf der Fläche eine dringend benötigte Grundschule errichtet werden kann.
Warum dann aber nicht die schon einmal für Geflüchtete genutzte Immobilie im Brebacher Weg sanieren und reaktivieren? Diese hätte sich für diese Nutzung schließlich bewährt, meinen sowohl Linke als auch Grüne. „Man bekommt fast das Gefühl, nur bestimmte Stadtteile sollen ihren Teil bei der Unterbringung von Geflüchteten leisten“, bemerkt Chantal Münster. Fakt ist: Neun von zehn Unterkünften befinden sich in der Großsiedlung, davon sechs in Marzahn und drei in Hellersdorf. Die Bezirksbürgermeisterin aber bevorzugt wegen der Nachbarschaft zum Unfallkrankenhaus eine andere Nutzung. Auf dem ukb-Campus entstehe eine Hochschule für Pflege, die dringend benötigte Fachkräfte für die Gesundheitswirtschaft ausbilden werde. „Für diese Studierenden brauchen wir Wohnraum“, so Zivkovic. Auch die Unternehmen im Umfeld suchten nach Wohnungen für ihre Auszubildenden.
Dem Vorwurf, alle sechs Vorschläge seien weder mit den restlichen Bezirksamtsmitgliedern noch mit der BVV und ihren Fachausschüssen diskutiert worden, entgegnet die Bürgermeisterin, sie habe sich „mit den für infrastrukturelle Maßnahmen zuständigen Bereichen abgestimmt“.
In der letzten Bezirksamtssitzung am Dienstag wurden dann auch die anderen Bezirksstadträtinnen und -stadträte einbezogen. Dort habe man sich im Wesentlichen zur möglichen Zukunft von drei Grundstücken verständigt, die schon am Montag, den 28. August, in der Senatsbaukommission behandelt werden.
Und es wurde nachjustiert: Geplant ist nun doch, die Fläche in der Hoyerswerdaer Straße für einen Jugendklub vorzuschlagen – aber in Kombination mit Betreutem Wohnen, um die Finanzierung sicherzustellen, so Zivkovic. Beim Buckower Ring habe sich das Bezirksamt auf die soziale Grundstücksnutzung einigen können. „Gerade im Bereich Kurzzeit- und Tagespflege haben wir einen steigenden Bedarf“, führt die Bezirksbürgermeisterin aus. Das Langhoffwäldchen könnte perspektivisch für einen Erweiterungsbau der Grundschule unter dem Regenbogen oder für eine Schuldrehscheibe Platz machen.
Was auch immer bei den anstehenden Verhandlungen mit dem Senat herauskommt: Der eine oder die andere Bezirksverordnete wird gewiss noch Redebedarf haben.