Noch kein einziger Pop-up-Radweg in Marzahn-Hellersdorf: Offener Brief an Stadträtin


Verbände und Initiativen fordern temporäre Radstreifen auf drei großen Hauptstraßen

Pop-up-Radwege: Offener Brief an Stadträtin

In Marzahn-Hellersdorf gibt es noch keinen einzigen Pop-up-Radweg.
In Marzahn-Hellersdorf gibt es noch keinen einzigen Pop-up-Radweg.

In der Hauptstadt wird das Netz von Pop-up-Bike-Lanes immer größer. Nicht so in Marzahn-Hellersdorf. Bislang hat der Bezirk keinen einzigen temporären Radweg bei der Verkehrsverwaltung angemeldet. Die Kritik daran wächst. Ein Zusammenschluss aus Verbänden und Initiativen hat nun einen offenen Brief an Bezirksstadträtin Nadja Zivkovic (CDU) geschrieben. 

Darin wird die Einrichtung von drei provisorischen Radwegen gefordert: auf der Märkischen Allee, der Allee der Kosmonauten und der Landsberger Allee in Höhe des Marzahner Knotens. Bereits in seiner Sitzung am 11. Juni hatte sich der bezirkliche FahrRat in einem Beschluss für die Umsetzung solcher Anlagen auf den drei genannten Straßen ausgesprochen. Auch in der Juni-Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung wurde ein ähnlicher Antrag von Linken, SPD und Grünen behandelt. Nach heftigen Diskussionen landete dieser in den Fachausschüssen, wo die Debatten nach der parlamentarischen Sommerpause weitergehen werden. 

 

Spontan-Radspuren für mehr Sicherheit

Den Verfasser*innen des offenen Briefes (Download) geht es in erster Linie um mehr Sicherheit. In einer Pressemitteilung heißt es, auch in Marzahn-Hellersdorf nehme der Radverkehr stetig zu. In der Alberichstraße in Biesdorf etwa sei die Zahl der Radfahrenden um 24,8 Prozent gestiegen. Allerdings trauten sich wegen der mitunter schlechten Bedingungen und zahlreichen Gefahrenstellen noch immer zu viele Menschen nicht aufs Rad. Vor allem Kinder könnten sich nur eingeschränkt klimafreundlich fortbewegen. Aus Angst ihnen könnte etwas zustoßen, würden ihre Eltern sie lieber mit dem Auto fahren.

Die Initiativen sehen in der Einrichtung von Pop-up-Radwegen eine gute Möglichkeit, „kurzfristig das Sicherheitsbedürfnis der Radfahrenden zu erfüllen und der gestiegenen Zahl von Radnutzenden gerecht zu werden.“

 

Berlin – Hauptstadt der Pop-up-Radwege

Entstanden sind die Pop-up-Radwege als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie. Sie hat das Mobilitätsverhalten der Berliner*innen auf den Kopf gestellt. Als während des Lockdowns deutlich weniger Pkw auf den Straßen unterwegs waren und etliche Berliner*innen von Bus und Bahn aufs Rad umsattelten, wurde den Autofahrenden dort, wo ohnehin neue Radwege geplant waren, eine Spur weggenommen. Keine andere Stadt hat beim Aufbringen der gelben Markierungen in den vergangenen Monaten so auf die Tube gedrückt wie Berlin. 

 

Für die Anordnung der Spontan-Radstreifen, aus denen später feste Anlagen werden sollen, gibt es den von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz erarbeiteten Regelplan „Temporäre Einrichtung und Erweiterung von Radverkehrsanlagen“. Er dient den Bezirksämtern als Planungshilfe. Laut infraVelo GmbH könne ein temporärer Radweg innerhalb eines Tages umgesetzt werden.

 

Warum aber tut sich der Bezirk so schwer damit?

Die zuständige Bezirksstadträtin Nadja Zivkovic wird in dem Schreiben von Mittwoch aufgefordert, sie solle endlich eine sichere, klimaneutrale Teilhabe am Verkehr für Radfahrende aller Altersgruppen auch in Marzahn-Hellersdorf sicherstellen und das Berliner Mobilitätsgesetz umsetzen. Darin ist unter anderem vorgeschrieben, alle Hauptverkehrsstraßen mit geschützte Radverkehrsanlagen auszustatten. Zu den Unterzeichnenden des offenen Briefes gehören der ADFC, die Initiative Radbezirk Marzahn-Hellersdorf, der Verein Changing Cities, Fridays for Future, NABU, BUND und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD). 

 

Für die Umsetzung fehlt im Bezirk Personal

Den erhobenen Vorwurf, sie lehne Pop-up-Radwege grundsätzlich ab, weist die CDU-Politikerin zurück. Doch Zivkovic sieht sich mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert. Ein bisschen mehr als einen Eimer leuchtend gelber Farbe braucht es dann nämlich doch, um die Anlagen aufpoppen zu lassen. Das größte Problem der Stadträtin ist, sie bekommt die Umsetzung derzeit personell nicht gestemmt. Ihr fehlen die Radverkehrsplaner*innen. Eine Dauerausschreibung der vakanten Stellen läuft bis Ende Dezember. Und komplett fertige Planungen, wie sie für alle bisher in der Stadt realisierten Pop-up-Bike-Lanes bereits vorlagen, hat der Bezirk für die drei genannten Straßen ebenfalls nicht fertig in der Schublade. Eine schnelle Umsetzung ist damit ausgeschlossen.

 

Nicht alle Strecken eignen sich

Zusätzlich bereite ihr die Finanzierung Bauchschmerzen, bemerkt Nadja Zivkovic. Dabei übernimmt der Senat die Kosten. Bis Ende des Jahres stehen für das berlinweite Projekt zwei Millionen Euro zur Verfügung. Doch für den Unterhalt der temporären Radwege sind die Bezirke zuständig. „Wenn das Geld alle ist, stehen wir im Regen“, befürchtet die Stadträtin. Nicht alle Politiker*innen im Bezirk teilen diese Bedenken.

 

Davon abgesehen hält die Verkehrsstadträtin Pop-up-Radwege ausgerechnet entlang der Märkischen Allee und auf der Marzahner Brücke „für keine gute Lösung.“ Es handele sich dabei um Straßen mit einem extrem hohen Verkehrsaufkommen. Am Marzahner Knoten seien die Verkehrsströme zudem sehr verflochten. Sie glaubt nicht, dass die gelb markierten Sonderspuren an diesen Stellen Radfahrenden ausreichend Schutz bieten, insbesondere nicht an neuralgischen Stellen wie Kreuzungen. 

Keinen temporären Radstreifen dafür aber eine Grünmarkierung soll immerhin noch in diesem Jahr die Allee der Kosmonauten zwischen Rhinstraße und Beilsteiner Straße bekommen. Die Oberflächenarbeiten dafür haben laut Zivkovic bereits begonnen.