Bundestagswahlkreis Marzahn-Hellersdorf wird nicht komplett nachgezählt

Von Mario Czaja initiierter Antrag scheitert

Bundestagswahlkreis Marzahn-Hellersdorf wird nicht komplett nachgezählt

Es bleibt dabei: Gottfried Curio ist Wahlkreissieger in Marzahn-Hellersdorf. Nachdem am Dienstag noch einmal 13 Stimmbezirke öffentlich nachgezählt wurden, liegt der Direktkandidat der AfD nunmehr 467 Stimmen vor dem bisherigen Mandatsinhaber Mario Czaja von der CDU. Auf dessen Bitten hin war am Donnerstag in der Sitzung des Kreiswahlausschusses eine komplette Neuauszählung beantragt worden. Die Ausschussmitglieder lehnten dies aber mehrheitlich ab.

Kreiswahlleiterin Beatrix Lehmann hatte bereits von sich aus die öffentliche Nachzählung der Ergebnisse überall dort veranlasst, wo es bei der Überprüfung der Wahlniederschriften, wie sie sagte, „konkrete Anhaltspunkte für Unstimmigkeiten gab“. Dies betraf zwölf Urnenwahllokale und ein Briefwahllokal. Dabei wurden einige Rechenfehler festgestellt und Korrekturen vorgenommen, allerdings keine mandatsrelevanten: Der Vorsprung des AfD-Direktkandidaten auf Mario Czaja reduzierte sich um 14 Stimmen von 481 auf 467. 

 

Czaja moniert „Unregelmäßigkeiten“ 

Der Ex-CDU-Generalsekretär fühlte sich im Anschluss an die Nachzählung allerdings in seinem Verdacht bestärkt, dass weitere, vielleicht für den Wahlausgang entscheidende Zählfehler in ganz Marzahn-Hellersdorf passiert sein könnten. Die Forderung nach wahlkreisweiter Neuauszählung begründete er in einem Schreiben an die Kreiswahlleitung mit „Unregelmäßigkeiten“ und seiner Ansicht nach „unplausiblen“ Ergebnissen. Czaja monierte in einer tabellarischen Übersicht unter anderem Abweichungen zwischen ungültigen Erst- und Zweitstimmen, Auffälligkeiten bei der Erst- und Zweitstimmenvergabe und die sehr späte Übermittlung von Auszählungsergebnissen in mehreren Wahllokalen. Tatsächlich wurde in keinem Bezirk so lange gezählt wie in Marzahn-Hellersdorf. 

Darüber hinaus verwies der CDU-Mann auf auffallende Entwicklungen in der Wahlbeteiligung gegenüber der letzten Bundestagswahl, auf Einzelfälle, in denen Wahlberechtigte ihre Stimme nicht hatten abgeben können, und auf einen kaputten Briefkasten in der Mark-Twain-Straße.

 

Kreiswahlleitung sieht keine Veranlassung für komplette Neuauszählung

Sie habe die von Czaja beschriebenen Einwände „sorgfältig geprüft“, berichtete Beatrix Lehmann in der Sitzung am Donnerstag. Ihr Stellvertreter, der bezirkliche Rechtsamtsleiter Michael Kornmehl, teilte das Ergebnis der Überprüfung mit und ging dabei auf jede einzelne der von Czaja festgestellten „Anomalien“ ein. Dabei erläuterte Kornmehl zum Beispiel das Zustandekommen von einer unterschiedlichen Anzahl ungültiger Erst- und Zweitstimmen, und er merkte an, dass die Kreiswahlleitung in einer längeren Bearbeitungszeit kein Indiz für mögliche Zählfehler, sondern eher für größere Gründlichkeit sehe.

 

Etwas detaillierter ging er auf die Beobachtung ein, dass in einem Briefwahllokal 14 fehlerhafte Briefwahlunterlagen nicht in der Statistik der ungültigen Stimmen aufgetaucht waren. Dies sei korrekt, so Kornmehl. Wahlbriefe, die nicht den Anforderungen entsprechen, etwa weil sie mehrere Wahlscheine oder Kopien enthalten oder Unterschriften fehlen, würden generell zurückgewiesen und nicht als ungültig gezählt.

 

Beachtung fand auch ein von Czaja eingereichtes Foto, das einen aufgebrochenen Briefkasten und im Schnee liegende rote Briefwahlumschläge zeigt. Es soll im Umfeld der Mark-Twain-Straße aufgenommen worden sein. Die Echtheit des Bildes sei schwer zu überprüfen, erklärte Kornmehl und betonte, dass weder das Landeswahlamt noch die Post besondere Vorkommnisse während des Briefwahlzeitraums gemeldet hätten. Zudem sei „nicht ersichtlich, was mit den Briefen danach passiert ist“, so Kornmehl. Sollten sie nicht in die Auszählung gekommen sein, würde eine veranlasste Nachzählung daran aber auch nichts ändern, machte er klar.

 

Neuauszählung hätte weitreichende Folgen

Beatrix Lehmann resümierte am Ende der Ausführungen: „Es konnten keine Fehler bei der Ergebnisfeststellung bestätigt werden.“  Auch das Landeswahlamt war in seiner Vorprüfung auf keine statistischen Auffälligkeiten in Marzahn-Hellersdorf gestoßen. Eine Nachzählung lediglich zur Ausräumung allgemeiner Verdachtsmomente zu veranlassen, sei nicht rechtmäßig. Es brauche konkrete Anhaltspunkte. Wer nur wegen vermuteter weiterer Fehler eine komplette Nachzählung bestehe, gefährde das Vertrauen in das Wahlverfahren und die Integrität der Wahl in Gänze, sagte Lehmann.

 

Darüber hinaus skizzierte die Kreiswahlleiterin die praktischen Folgen und die Dimension einer öffentlichen Neuauszählung aller knapp 150.000 abgegebenen Stimmen. Allein die Nachzählung der 13 Wahllokale mit zwei Prüfteams hatte am Dienstag schon fast elf Stunden gedauert. Bei insgesamt 280 Wahllokalen wären die für kommende Woche geplanten Sitzungen des Landeswahlausschusses und des Bundeswahlausschusses wegen eines noch ausstehenden Marzahn-Hellersdorfer Ergebnisses nicht zu halten, legte Beatrix Lehmann dar. Der neue Bundestag würde sich am 25. März dann womöglich ohne Feststellung des endgültigen bundesweiten Wahlergebnisses konstituieren müssen. Marzahn-Hellersdorf wäre einmal mehr in den Schlagzeilen. Natürlich gehe bei Zweifeln am Wahlergebnis „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, betonte die Kreiswahlleiterin. „Aber es muss ausreichend Zweifel geben“, dies sei nicht der Fall.

 

Czaja meldet sich zu Wort

Abgesehen vom CDU-Beisitzer sah dies auch der restliche Kreiswahlausschuss so. Der Antrag auf komplette Neuauszählung wurde abgelehnt und das Wahlergebnis mit einer Gegenstimme bestätigt. Unverzüglich nach der Sitzung meldete sich Mario Czaja bei X zu Wort und warf SPD und Linken vor, sie hätten mit der Ablehnung der Neuauszählung der AfD einen „weiteren Dienst“ erwiesen. Trotz Parteizugehörigkeit waren die stimmberechtigten Beisitzer allerdings angehalten, das Wahlergebnis neutral zu betrachten.