Vorstoß zu umfassendem Handyverbot an Berliner Schulen

Gesundheitsstadträt:innen schreiben offenen Brief an den Senat

Vorstoß zu umfassendem Handyverbot an Berliner Schulen

Cybermobbing, das Herumschicken pornografischer und extremistischer Inhalte oder auch „Happy Slapping“-Videos, in denen sich junge Menschen mit Straftaten brüsten, gehören zum Schulalltag von Kindern und Jugendlichen. Sollten Handys an Schulen also besser verboten werden? Ja, sagen drei für Jugend und Gesundheit zuständige SPD-Stadträt:innen aus Berlin. In einem offenen Brief haben sie den Senat aufgefordert, ein umfassendes Handyverbot an allgemeinbildenden Schulen zu erlassen. Dieser Schritt sei zum „Schutz der gesunden und angstfreien Entwicklung“ von Kindern und Jugendlichen „unerlässlich“, meinen Gordon Lemm aus Marzahn-Hellersdorf, Carolina Böhm aus Steglitz-Zehlendorf und Oliver Schworck aus Tempelhof-Schöneberg.

Schulangelegenheiten sind in Deutschland Ländersache. Der offene Brief ist daher an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) gerichtet. Schulen und Eltern würden sich eine „klare gesetzliche Regelung“ wünschen, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen sicherzustellen, erklären die Stadträt:innen. Bisherige Maßnahmen einzelner Schulgemeinschaften, die Handynutzung zu untersagen, fruchteten zu selten. Das zeige auch der öffentliche Brandbrief der Friedenauer Friedrich-Bergius-Schule. „Trotz eines bestehenden Handyverbots herrschen dort weiterhin mehr als besorgniserregende Zustände im Umgang mit Smartphones“, schreiben Lemm, Böhm und Schworck.  

 

Auch in Brandenburg ist ein gesetzliches Handyverbot an Schulen ein Thema. Im Regierungsvertrag von SPD und BSW heißt es für die Grundschulen: „Private digitale Endgeräte der Schülerinnen und Schüler sind während des Unterrichts in den Taschen oder Schließfächern zu verstauen.“ Anders als in Brandenburg sollte ein Verbot nach den Vorstellungen der drei Berliner Bezirksstadträt:innen auf die gesamte Schulzeit und auch auf die Ober- und berufsbildenden Schulen (OSZ) ausgeweitet werden. Ein grundsätzliches Handyverbot stünde nicht im Widerspruch zum Erlernen von Medienkompetenz, sondern fördere vielmehr eine sichere und unterstützende Lernumgebung.

 

Der Initiator des offenen Briefes: Gordon Lemm, Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit in Marzahn-Hellersdorf
Der Initiator des offenen Briefes: Gordon Lemm, Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit in Marzahn-Hellersdorf

In ihrem Schreiben berufen sich Gordon Lemm, Carolina Böhm und Oliver Schworck auch auf eine repräsentative Umfrage der Barmer Krankenkasse unter Schüler:innen, wonach fast 40 Prozent der Befragten angaben, bereits Opfer von Mobbing und insbesondere Cybermobbing geworden zu sein. Meist ist der Tatort die Schule. Jede:r vierte befragte Jugendliche der Umfrage hatte sogar schon einmal Suizidgedanken. Als Hauptverbreitungswege von Hass und Häme wurden WhatsApp (77 %), TikTok (57 %), Snapchat (50 %) und Instagram (45 %) identifiziert.

 

„Während die negativen Auswirkungen einer nicht regulierten Smartphone-Nutzung evident sind, schauen wir als Gesellschaft und Verantwortliche in der Politik weitestgehend tatenlos zu oder überlassen die Lösung der Probleme den Schulen“, beklagt der Initiator der Initiative, Gordon Lemm. Er sagt: „Wenn es zutrifft, dass viele Kinder an Schulen verstörende und altersunangemessene Videos und Bilder sehen und teilen, die zunehmende Nutzung digitaler Medien zu Vereinsamung, Verrohung und Angstzuständen führen kann und Mobbing, Erpressung und Ausgrenzung inzwischen vornehmlich digital ausgetragen wird, dann ist es für mich völlig unverständlich, warum wir dies als Gesellschaft dulden sollten.“ Es gebe kein Recht auf Smartphone-Nutzung und -Missbrauch während der Schulzeit. „Wir sollten hier ein klares Zeichen setzen und Kindern und Jugendlichen diesen einen Rückzugsort geben“. Ein Handyverbot an den Schulen könnte seines Erachtens nicht nur dem sozialen Klima und dem Lernerfolg helfen, sondern auch viele Eltern für die Gefahren und Risiken einer inhaltlich wie zeitlich unbeschränkten Smartphone-Nutzung sensibilisieren.