Gewalt gegen Frauen: Eigentlich müsste ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen

Erschreckende Zahlen: Gewalt gegen Frauen und Mädchen nimmt weiter zu

Eigentlich müsste ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen

„Wir müssen lauter werden, wütender und unnachgiebiger – für die Frauen, die nicht mehr hier sind, für die, die noch in Angst leben und für alle, die folgen werden“ – mit einer leidenschaftlichen Rede hat Carola Kirschner am vergangenen Freitag gegen Frauen gerichtete Gewalt angeprangert. Gemeinsam mit anderen Aktivist:innen und Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung war die Leiterin des Frauenzentrums Matilde für eine Kundgebung mit anschließender Fahnenhissung auf den Alice-Salomon-Platz gekommen, um auf den „Orange Day“ einzustimmen: den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Mädchen. Dieser wird seit 1999 weltweit jedes Jahr am 25. November begangen. 

Carola Kirschner sprach in ihrem Redebeitrag über die unterschiedlichen Dimensionen von Gewalt gegen Frauen, über Mehrfachdiskriminierungen, von Täter-Opfer-Umkehr, vom männlichen Schweigen („Männer haben keine Haltung zu Gewalt an Frauen. Sie solidarisieren sich nicht mit uns“) und der medialen Berichterstattung über Femizide. Morde an Frauen durch Partner, Ex-Partner oder Verwandte als „Beziehungstaten“, „Familientragödien“ oder „Eifersuchtsdramen“ zu labeln, verharmlose diese, als wären sie „ein bedauerliches, aber unvermeidbares Nebenprodukt des Zusammenlebens von Frauen und Männern“, sagte Kirschner und stellte klar: „Femizide sind aktive, von Männern begangene brutale Taten und es ist höchste Zeit, sie auch so zu benennen.“

Zu Beginn der Kundgebung waren auf dem Platz in Helle Mitte Kerzen für die 360 Frauen und Mädchen angezündet worden, deren Leben im Jahr 2023 durch geschlechtsspezifische Gewalttaten ausgelöscht wurden. Neben Carola Kirschner erhoben auch Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU), die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Maja Loeffler und Tetiana Goncharuk vom Frauentreff HellMa ihre Stimmen. Während die Rathauschefin aus dem Buch „Malus“ vorlas, gab Tetiana Goncharuk Einblicke in ihre Arbeit mit von Gewalt betroffenen Frauen und kritisierte die Unterfinanzierung von Frauenprojekten.

 

Maja Loeffler stellte einige Zahlen aus dem erstmals vom Bundeskriminalamt spezifisch für Straftaten gegen Frauen erstellten Lagebild vor. Danach erfasste die Polizei im vergangenen Jahr bundesweit 180.715 weibliche Opfer von häuslicher Gewalt – 5,6 Prozent mehr als noch 2022 – sowie Sexualstraftaten an über 140 Mädchen und Frauen täglich (52.000 Fälle im Jahr, +6,2 Prozent). Noch deutlicher war der Anstieg bei digitaler Gewalt: Es wurden fast 17.200 Betroffene registriert (+25 Prozent). „Das Internet ist voller Männer, die ihren Hass auf Frauen in Massen verbreiten“, erklärte Carola Kirschner, die angesichts der erschreckenden Zahlen einen gesamtgesellschaftlichen Aufschrei vermisst.