Kann sich Berlin das überhaupt noch leisten?

Gratis-Schulmittagessen und gebührenfreie Kitas:

Kann sich Berlin das überhaupt noch leisten?

Ausgaben, die nicht durch Einnahmen gedeckt sind, weniger Geld aus Steuern und dem Länderfinanzausgleich: Berlin steckt tief in der Haushaltskrise. Für das Jahr 2025 klafft aktuell eine Finanzlücke von drei Milliarden Euro. Die gilt es aufzulösen. Doch wo genau soll gespart werden? Diese Frage beschäftigt Politik und Verwaltung in der Hauptstadt gerade enorm. Konservative scheinen unter anderem beim Mittagessen für Schulkinder eine Stellschraube zu sehen und auch die Kita-Gebührenfreiheit wird immer lauter infrage gestellt. Was sie davon halten, haben wir den Biesdorfer CDU-Abgeordneten Christian Gräff und den Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit, Gordon Lemm (SPD), gefragt. 

Christian Gräff (CDU) Berliner Abgeordneter für Biesdorf, Marzahn-Süd und Friedrichsfelde Ost
Christian Gräff (CDU) Berliner Abgeordneter für Biesdorf, Marzahn-Süd und Friedrichsfelde Ost

Die kostenlose Stadt ist sozial ungerecht

Dem Berliner Landeshaushalt werden im Jahr 2025 drei Milliarden Euro fehlen. Die öffentlichen Haushalte (Bund, Bundesländer und Gemeinden) waren vor der Corona-Pandemie um bis zu 25 Prozent kleiner als im Jahr 2023. Man fragt sich nur: Wo ist das Geld eigentlich geblieben? Es gibt immer mehr ältere Menschen in unserem Land. Infolge der Demografie nimmt die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter deutlich ab. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir was bezahlen sollen. Berlin ist da aufgrund der immens hohen Verschuldung und relativ schwachen Wirtschaft nur Vorreiter im negativen Sinn. Andere Bundesländer werden genauso überlegen müssen, wofür sie Geld ausgeben. Aber Berlin bekommt eben auch über 3,8 Milliarden Euro (2023) jedes Jahr von anderen Bundesländern aus dem Länderfinanzausgleich. 

 

Aber nicht nur deswegen, sondern vor allem weil es zutiefst ungerecht ist, dass sehr gut verdienende Familien den Kitabesuch in Berlin genauso finanziert bekommen wie Familien mit sehr geringen Einkommen, ist das System nicht richtig.

Starke Schultern können mehr tragen als schwache Schultern, das ist sozialer Ausgleich. Und wäre es nicht für alle Kinder besser, einen Sozialarbeiter oder Hausmeister mehr in der Schule zu haben, als über alle Einkommensgrenzen hinweg das Mittagessen gratis zu bekommen? Wäre da nicht allen mehr geholfen?

 

Die Zeit der kostenlosen Stadt für alle ist vorbei und sie war auch nur eine Illusion, denn am Ende werden es die Kinder und Enkelkinder doppelt bezahlen, die die immensen Schulden tragen müssen. Das ist zutiefst sozial ungerecht, finde ich, und daher müssen wir auch in der Bildung Prioritäten setzen. Gute Schulgebäude, gut ausgestattete Schulen, ausreichend Lehrer und unterstützende Mitarbeiter für den Schulbetrieb – wenn das gewährleistet und finanziert ist, wäre schon viel gewonnen. Und natürlich geht es auch darum, dort finanziell zu unterstützen, wo es Eltern eben nicht können.


Gordon Lemm (SPD) Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit
Gordon Lemm (SPD) Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit

Lasst uns nicht zuerst bei unseren Kindern sparen!

 

Ja, die Kassen sind leer. Ja, wir müssen als Land Berlin Geld sparen. Aber sollten wir das als erstes bei unseren Kindern machen, wie das jetzt die CDU fordert? Ich finde: nein! 

Nehmen wir unseren Bezirk als Beispiel: Die Zahl der Kinder, die in der Schule Mittag essen, hat sich seit Einführung des kostenfreien Schulessens spürbar erhöht. Bereits vorher gab es die Möglichkeit, mit viel Bürokratie Anträge auf Zuzahlung zu stellen, abzugeben im Sekretariat der Schule. Nicht wenige Eltern mit geringem Einkommen empfanden es als beschämend, öffentlich um Unterstützung zu bitten, damit ihr Kind eine warme Mahlzeit erhält.

 

Für Familien, die gerade so über die Runden kommen, ist die finanzielle Entlastung nicht zu unterschätzen – besonders auch für Alleinerziehende (bei uns inzwischen 40 Prozent aller Eltern). In Schönwetter-Reden sprechen viele Politikerinnen und Politiker davon, dass man gerade Familien und Alleinerziehende unterstützen sollte. Wenn es aber darauf ankommt – wenn es mal weniger zu verteilen gibt –, sind sie stets die ersten, bei denen gespart werden soll. 

 

Zu guter Bildung gehört es, nicht hungrig sein zu müssen. Wer verhindern möchte, dass einzelnen Kindern in der Schule vor Hunger der Magen knurrt, dass Eltern sich als arm im Schulsekretariat outen müssen oder Familien, die ohnehin sehr wenig haben, wieder für das Schulessen ihrer Kinder bezahlen sollen, muss dafür einstehen, dass dieses wichtige Angebot kostenfrei bleibt.

Konservative argumentieren:  Alle sollen zahlen, da es nicht sozial gerecht sei, wenn auch Vielverdiener kostenfreies Essen bekämen. Man darf zurecht skeptisch sein, wenn diese Leute plötzlich von sozialer Gerechtigkeit sprechen. Sozial gerecht wäre es, die Vielverdienenden steuerlich mehr an den Gemeinkosten zu beteiligen. Gerecht wäre es, wenn alle Eltern trotz Arbeit ausreichend für sich und ihre Familien sorgen könnten und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen wären. 

 

Wer beim Mittagessen spart oder auch den kostenfreien Kitaplatz abschaffen will, spart am falschen Ende!