Nach wie vor Riesen-Zoff um freie Grundstücke und eine Geflüchtetenunterkunft
In Biesdorf und Hellersdorf: Senat drückt zwei Wohnungsprojekte durch
Was sich seit der politischen Sommerpause bereits abzeichnete, ist Gewissheit. Monatelang hatte sich der Bezirk noch unter der damaligen Stadträtin für Stadtentwicklung, Juliane Witt (Linke), gegen die vom Senat avisierten Bauvorhaben gestemmt, nun aber sind die Verantwortlichen eingeknickt: In der Hoyerswerdaer Straße 15, 17, 27 und am Buckower Ring 54-56 werden mindestens 200 Wohnungen errichtet. Das hat die Senatskommission Wohnungsbau in ihrer jüngsten Sitzung Anfang September beschlossen.
Die landeseigene Gesobau soll beide Flächen als kombinierte Wohn- und Infrastrukturstandorte entwickeln. Konkret heißt das: Auf dem Grundstück in Hellersdorf ist zusätzlich ein Jugendklub vorgesehen und in Biesdorf eine Kurzzeit- und Tagespflege. Weiterhin wurde entschieden, einen neuen modularen Schulergänzungsbau (MEB) in der Langhoffstraße 9-11 aufzustellen.
Während Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic und die seit der Wiederholungswahl für Stadtentwicklung zuständige Stadträtin Heike Wessoly (beide CDU) die Festlegungen in einer Pressemitteilung als Erfolg verbuchen, ist das Entsetzen bei Linken, Grünen und SPD groß. Der Grund: Die Planungen auf allen drei Grundstücken stehen, wie bereits berichtet (Archiv-Artikel lesen), in deutlichem Widerspruch zu bereits gefassten Beschlüssen von BVV und Bezirksamt. So war für die Hoyerswerdaer Straße zwar ein Jugendklub oder ein Abenteuerspielplatz vorgesehen, aber von weiterer Wohnbebauung in dem zuletzt stark verdichteten Kiez sollte abgesehen werden. Das zugewachsene Gelände im Buckower Ring war als Ökokonto-Fläche für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen angedacht und auch über den Erhalt des „Langhoffwäldchens“ herrschte Einigkeit.
Herbe Kritik an der Bezirksbürgermeisterin hagelte es bereits vor einigen Wochen, als herauskam, dass sie die genannten Grundstücke und weitere Flächen Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD) in einem Brief proaktiv zur Nutzung angeboten hatte. „Es war vorhersehbar, dass die Beschlusslagen der BVV in der Senatsbaukommission nicht durchsetzbar sein werden“, erklärte Zivkovic jüngst im Bezirksparlament. Dass sie weder die BVV-Fraktionen noch alle Mitglieder der Verwaltungsspitze im Vorfeld informiert hatte, sei der engen Zeitschiene vor ihrem Urlaub geschuldet gewesen, rechtfertigte sie ihr Vorgehen.
Sowohl Sozialstadträtin Juliane Witt als auch Familien- und Gesundheitsstadtrat Gordon Lemm (SPD) zeigten sich verstimmt, dass das Schreiben nicht mit ihnen abgesprochen war, zumal darin auch völlig neue Standortvorschläge für Geflüchtetenunterkünfte gemacht wurden. „Als ich Bezirksbürgermeister war, hätte ich mich nicht getraut, solche grundsätzlichen Entscheidungen allein zu treffen und unabgestimmt irgendwohin zu senden“, kommentierte Lemm den, wie er sagt, „schwierigen Vorgang“.
„Es ist ein absolutes Novum, was Sie hier veranstaltet haben“, wetterte der Fraktionschef der Linken, Bjoern Tielebein, in der August-Sitzung der BVV in Richtung Zivkovic. Diese habe „völlig eigenmächtig“, ohne ein Votum des Sozialamts einzuholen, Flächen ins Visier genommen, die sich für die Unterbringung von Menschen überhaupt nicht eignen würden.
Tatsächlich musste die Bürgermeisterin bei zwei der drei angebotenen Potenzialflächen für Geflüchtetenunterkünfte zurückrudern. So hatte sie nicht nur die für Lemms Jugendbereich vorgesehene Hoyerswerdaer Straße zur Bebauung mit einer modularen Unterkunft vorgeschlagen, sondern mit der Hohenwalder Straße 15 auch unwissentlich eine Kleingartenanlage angepriesen.
Inzwischen scheint alles auf den Standort Ludwig-Renn-Straße 28 in Marzahn hinauszulaufen. Nur das Sozialamt hat klare Bedenken geäußert. Im Umkreis befinden sich bereits mehrere Einrichtungen, in denen etwa 1.4000 Geflüchtete untergebracht sind. Eine Belastung der Bezirksregion durch eine weitere Unterkunft werde „für sozial unverträglich“ gehalten, heißt es in einer Einschätzung des zuständigen Fachbereichs. Bjoern Tielebein erinnert zudem daran, dass Marzahn-Hellersdorfs ehemaliger Schulstadtrat Dr. Torsten Kühne (CDU) im vergangenen Jahr noch angeregt hatte, die Fläche in der Ludwig-Renn-Straße als Schulvorhaltefläche auszuweisen.
Klar ist: Der Bezirk muss einen Ausweichstandort für die Gemeinschaftsunterkunft in der Maxie-Wander-, Ecke Carola-Neher-Straße finden. Das Gebäude soll leergezogen und abgerissen werden, damit auf der Fläche eine dringend benötigte Grundschule entstehen kann. Die Einrichtung wird aber noch intensiv genutzt. Es erscheint unrealistisch, bis nächstes Jahr das Ausweichquartier aus dem Boden gestampft zu haben – an welchem Standort auch immer. Linke, Grüne und SPD schlagen daher vor, die schon einmal für Geflüchtete genutzte und seit 2021 leerstehende Immobilie im Brebacher Weg zu sanieren und zu reaktivieren. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Chantal Münster zeigt sich verwundert, dass diese Variante überhaupt nicht verfolgt werde. Dabei befindet sich das Gebäude im Besitz des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und sollte ohnehin für am Wohnungsmarkt benachteiligte Menschen hergerichtet werden.
Der Bezirksbürgermeisterin schwebt für den Plattenbau im Brebacher Weg aber eine bestimmte Nutzung vor. Geflüchtete sind kein Thema: Auf dem ukb-Campus entsteht eine Pflege-Hochschule. „Für diese Studierenden brauchen wir Wohnraum“, so Zivkovic. Außerdem suchten die Unternehmen im Umfeld händeringend nach Wohnungen für ihre Auszubildenden. Auch der Biesdorfer Abgeordnete und Parteifreund der Bürgermeisterin, Christian Gräff, hält nichts von der Reaktivierung der Geflüchtetenunterkunft im Brebacher Weg. Das hat er in seinem Newsletter deutlich gemacht.