Das Berliner Original Benno Radke im Porträt
Vom Blüten-Benno zum Hauptmann von Köpenick
„Da kann man Waden seh´n, rund und schön im Wasser steh´n!“ singt Benno Radke. Und nicht nur das. Sein Repertoire ist schier unerschöpflich. Der Schlager- und Coupletsänger, Schauspieler und Humorist kann die Zeit um 1900 wieder lebendig werden lassen. Als Solist oder im Duett mit seiner Partnerin Sängerin Dörte Siebecke singt und spielt er die Lieder der damaligen Zeit im historischen Kostüm und mit gepflegtem „Kaiser-Wilhelm-Bart“.
Seit frühester Kindheit ist Benno Radke der Musik und Kultur dieser Zeit verfallen. Er widmet sich nicht nur den Couplets von Otto Reutter und Claire Waldoff, sondern auch den Gassenhauern Friedrich Hollaenders. Beliebte Titel wie „Wat braucht der Berliner um glücklich zu sein?“ oder „Das Nachtgespenst“ bringt er auf die Bühne.
Ob beim Leipziger Opernball, im Hotel Adlon, in der Kulturbrauerei, auf dem Fernsehturm, bei Benefizveranstaltungen, im Kabarett „Brettl“, dem Zille-Museum oder in diversen Wohnzimmern, Kneipen und Lokalen – Benno, genannt die „Nachtigall von der Ackerstraße“, versteht es, sein Publikum zu begeistern. Heute gehört der vielseitige Künstler zum festen Bestandteil der Kultur in Marzahn-Hellersdorf. Mit seinen unterhaltsamen Programmen ist er ein gerngesehener Gast im MAXIE-Treff, der vom Kulturring in Berlin e.V. betrieben wird.
Der Künstler erinnert sich noch genau, wie er als Sechsjähriger die erste Grammophonplatte hörte: „Ein wunderschöner Traum“ von Rudi Schuricke. Für ihn war das ein prägendes Erlebnis, das seine Biografie beeinflussen sollte. Seither sammelt er alte Tondokumente. Heute, mehr als 50 Jahre später, umfasst seine Sammlung ca. 5.000 Schellackplatten.
Mit 15 Jahren stand er das erste Mal auf der Bühne und trug anlässlich einer Schulaufführung alte Schlager vor. Doch nicht allein die Musik interessierte ihn, auch deren Geschichte und die der Phonographie.
Radke, ein gelernter Einzelhandelskaufmann, verdiente seine Brötchen in einem Baumarkt und widmete sich dem Kabarett. Er gründete eine eigene Gruppe und trat mit unterschiedlichen Programmen auf Straßenfesten und Kleinkunstbühnen auf. Er nahm Schauspiel- sowie Gesangsunterricht und spielte Stehgreiftheater. Die Rolle des jungen Liebhabers langweilte ihn bald. Kleine Auftritte hatte er auch in Film- und Fernsehproduktionen wie „Stauffenberg“, „Der Templer“ oder „Effi Briest“.
1996 kam Radke zu Berlins ältestem Theaterverein, der sich hauptsächlich auf Alt-Berliner sowie 1920er-Jahre-Programme spezialisiert hat. Dort fand er seine wahre Berufung. Seitdem singt und spielt er auf etlichen Bühnen, tritt in Senioreneinrichtungen oder bei öffentlichen Veranstaltungen auf. Seine Parodien von Hans Albers, Theo Lingen, Hans Moser und Heinz Rühmann sind zeitlos. Und er schreibt eigene Texte im historischen Stil wie das „Knutlied“ oder „Weihnachten bei Zickenschulze“. 2010 gründete er gemeinsam mit Albrecht Hoffmann „Zilles Stubentheater“ in Köpenick. So wurde er als „Blüten-Benno“ bekannt. Außerdem betreibt er das östlichste Theater Deutschlands, das „Theater im Bahnwaggon“ in Groß Neuendorf an der Oder.
Zur Höchstform läuft der 1962 geborene Berliner auf, wenn er sich als Schuster Wilhelm Voigt die Uniform anzieht. Dann ist er der „Hauptmann von Köpenick“ – sogar Körpergröße und Figur sind identisch. Als dieser führt er Berliner und Touristen durch die Altstadt, berichtet aus der Ortsgeschichte, erzählt so manche Anekdote und nimmt seine Zuhörer mit in eine längst vergangene Zeit.
Nicht weit entfernt vom Rathaus Köpenick hat Benno Radke sein Zuhause. Die vielen Sammelstücke und Kostüme brauchen Platz. Augenzwinkernd meint er: „Ick hab´ ´nen Kleiderschrank wie `ne Frau!“ Wenn er sein Grammophon anstellt, sich alte Originalaufnahmen anhört oder sich für kommende Auftritte vorbereitet, fühlt er sich wohl. Seine Wohnung ist eine Zeitkapsel um 1900. Alles ist stilecht: Möbel, Gardinen, Bilder, Musikapparate und die alten Familienfotos.
Weitere Infos auf www.benno-radke.de
Dagmar Steinborn