Stadtratswahl: Auch der neue AfD-Kandidat scheitert

Sebastian Maack (54) war fünf Jahre lang Bezirksamtsmitglied in Reinickendorf

Stadtratswahl: Auch der neue AfD-Kandidat scheitert

Anderthalb Jahre hielt die AfD an ihrem Kandidaten Michael Adam für den noch vakanten Stadtratsposten im Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf fest. Doch in 16 Wahlgängen gelang es nicht, die Personalie durchzudrücken. Nun wurde mit Sebastian Maack ein neuer Vorschlag präsentiert. Warum der 54-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur für sie keine wählbare Option sei, begründeten Verordnete verschiedener Fraktionen in der Juni-Sitzung des Bezirksparlaments sehr ausführlich. Maacks Nicht-Wahl war anschließend nur noch Formsache. Letztlich scheiterte der AfD-Politiker mit 33 Nein- zu 11 Ja-Stimmen.

Der selbständige IT-Berater aus Hermsdorf war von 2016 bis 2021 im Bezirksamt Reinickendorf für Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten zuständig. Das Ordnungsamt würde er auch in Marzahn-Hellersdorf übernehmen, ebenso den Posten des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters. Dieser steht der AfD als zweitstärkste Kraft in der BVV zu. In seiner Bewerbungsrede führte Sebastian Maack aus, welche Erfolge er während seiner Amtszeit im Reinickendorfer Rathaus verbuchen konnte. Es sei ihm gelungen, die Bearbeitungszeiten im Standesamt zu verkürzen und die Besoldungsgruppe von Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleuren von A8 auf A9 anzuheben, um die schwer zu besetzenden Stellen attraktiver zu machen. Zudem hätten sich die Reinickendorfer Bürgerämter unter seiner Ägide zu den zweiteffizientesten in ganz Berlin entwickelt und die Berliner Bezirke unter seiner Federführung gemeinsame Vorkehrungen gegen die Afrikanische Schweinepest getroffen. Es wäre ihm eine ganz große Ehre, erklärte Maack, seine Fähigkeiten auch in Marzahn-Hellersdorf einbringen zu können.

 

SPD-Fraktionschef fehlt klare Abgrenzung zum äußersten rechten Lager

Christ- und Sozialdemokraten, Linke, Grüne und Tierschutzpartei im Bezirk hatten sich im Vorfeld über den Kandidaten informiert. Die Fraktionen von CDU und SPD gaben dem 54-jährigen AfD-Politiker zudem Gelegenheit, sich bei ihnen persönlich vorzustellen. Man habe den Kandidaten ausführlich befragt und sei dann zu der Entscheidung gelangt, geschlossen gegen ihn zu stimmen, berichtete Günther Krug. Die Kritikpunkte des SPD-Fraktionschefs richteten sich auch gegen die AfD im Allgemeinen. Diese suche nach Konflikten, polarisiere und verunsichere Menschen. „Sie will punkten, wenn es um die gestiegene Zahl von Asylbewerbern geht oder die Forderungen des Klimaschutzes oder um die Gendersprache“. Auch habe die Partei einen zweifelhaften Umgang mit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und versuche ständig, „rechtsextreme Positionen als Teil des demokratischen Systems unter Meinungsfreiheit darzustellen“. Ob es denn Abgrenzungen zu den Höckes (Leitfigur des äußersten rechten AfD-Lagers) und den Malsack-Winkemanns (mutmaßliche „Reichsbürgerin“ und ehemalige Stadtratskandidatin in Marzahn-Hellersdorf) gebe, fragte Krug und machte damit deutlich, dass er dem Kandidaten nicht zutraue, sich für eine weltoffene, solidarische und demokratische Gesellschaft in Marzahn-Hellersdorf zu engagieren. 

 

Die Bezirksverordnetenversammlung tagte am Donnerstag zum letzten Mal vor der Sommerpause.
Die Bezirksverordnetenversammlung tagte am Donnerstag zum letzten Mal vor der Sommerpause.

 

Chantal Müster wirft Maack Verschwörungstheorien vor

Bekannt ist, dass Sebastian Maack vor über zwei Jahren die Plattform „Kompetenz-Netzwerk“ gründete, was als Versuch gewertet wurde, den offiziell aufgelösten radikalen AfD-Flügel in Berlin wiederzubeleben. Er widersprach dieser Darstellung. Wer durch die Facebook-Timeline des Politikers scrollt, stößt sowohl auf fremdenfeindliche Thesen und Äußerungen, die das Narrativ der fehlenden Meinungsfreiheit in Deutschland nähren. Auch das Gespenst der sogenannten „Frühsexualisierung“, das in rechtskonservativen Kreisen umgeht, geistert durch einige Postings.

 

Zudem warnt Maack in den sozialen Medien und auf seiner Website vor dem „Abdriften in einen totalitären Sozialismus“, vor den angeblichen Risiken der „Fremdbetreuung“ von Kindern in Kitas, dem „staatlichen Einfluss auf die Kindeserziehung“ und vor der „Zerstörung der Familie“ – gemeint ist das klassische Mutter-Vater-Kind-Modell. Beruf und Familie hält der Leiter des AfD-Bundesfachausschusses Familie und Demografie für unvereinbar. „Wir sollten deshalb wieder zu dem Prinzip zurückkehren, dass ein Partner arbeitet und der andere die Erziehung übernimmt und höchstens in Teilzeit tätig ist“, schreibt er. Wer die Care-Arbeit leisten soll, liegt für den Vater von drei Kindern auf der Hand: „Aufgrund der Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit wird dies erfahrungsgemäß die Frau sein.“

 

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen in Marzahn-Hellersdorf, Chantal Münster, stört sich nicht nur an diesem konservativen Familienbild, sondern auch an Maacks „Gerede“ von der „demografischen Katastrophe“, die als einzige, wie er meint, den Menschen in Deutschland wirklich „existenziell gefährlich“ werden könne. „Solche Aussagen klingen gefährlich stark nach der rassistischen und antisemitischen Verschwörungstheorie des ,Great Replacement‘, zu Deutsch ‚Großer Austausch‘“, erklärte Münster am Donnerstag im Bezirksparlament. 

 

Johannes Martin: Kein Automatismus zwischen Vorschlagsrecht und Wahl

CDU-Fraktionschef Johannes Martin betonte, nur weil die AfD das Vorschlagsrecht habe, gebe es „keinen Automatismus“, jeden Vorgeschlagenen auch zu wählen. Die Bezirksverordneten seien frei in ihrer Entscheidung. Ein Kandidat oder eine Kandidatin müsse für einen derart verantwortungsvollen Job auch bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehöre, sich im Bezirk einzubringen, die Themen vor Ort zu kennen, aber auch mit beiden Beinen fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen, so Martin. Es dürfe keinerlei leichtes Anzeichen geben, „dass Beziehungen zu irgendwelchen extremistischen Vereinigungen oder Akteuren bestehen – und wenn keine Bereitschaft besteht, sich hier klar abzugrenzen, dann haben wir ein Problem und können nicht guten Gewissens zustimmen und eine entsprechende Besetzung für das Bezirksamt unterstützen.“ 

Er hoffe, dass in der BVV noch einmal „sachlich orientiert“ über die Befähigung einer Person für den vakanten Posten diskutiert werden könne. „Heute ist das leider nicht gegeben“, hielt der CDU-Politiker fest. 

 

Luise Lehmann: Aufstellung der bisherigen Kandidaten „eine Frechheit“

Die Odyssee rund um die Wahl des AfD-Bezirksamtsmitglieds verschwende Zeit und Steuergeld, beklagte Luise Lehmann von der SPD abschließend. Schon die wiederholte Aufstellung von Michael Adam habe sie „als Frechheit“ empfunden. „Es muss Ihnen doch klar sein, dass Kandidatinnen und Kandidaten, die sich so unklar in ihrer Gesinnung bezüglich unserer Demokratie positionieren, von uns nicht wählbar sind“, sagte Lehmann.

Die vielen Vorwürfe konnte AfD-Fraktionschef Werner Wiemann nicht auf sich sitzen lassen. Sebastian Maack wäre „eine hervorragende Fachkraft für den Bezirk“, verteidigte er die Nominierung und alle Mitglieder stünden sehr wohl auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Man sei weder rechtsradikal noch rechtsextrem, sondern liberal und konservativ (Gelächter im Sitzungssaal) erklärte Wiemann, nachdem er kurz zuvor von „herkömmlichen“ Deutschen gesprochen hatte, die wahrscheinlich bald in der Minderheit seien.