Gewerbeansiedlung in Mahlsdorf vor 30 Jahren
Impuls zum wirtschaftlichen Aufschwung
Am 9. Juni 1993 wurde für den heutigen B1 Business Park (bis 2011 Gewerbe im Park – GiP) der Grundstein gelegt – und damit auch der wirtschaftliche Aufschwung von Hellersdorf in Gang gesetzt.
Hellersdorf wurde im Gegensatz zu Marzahn als reine Wohnstadt ohne Arbeitsstättengebiete konzipiert und war 1990/91 noch nicht fertiggestellt – mit lange spürbaren Folgen. Im noch jungen Bezirk lebten 120.000 Menschen auf 28 km². Für 70.000 Erwerbsfähige gab es nur 16.000 Arbeitsplätze: davon 4.000 in Schulen und Kindertagesstätten, weitere 1.700 in der öffentlichen Verwaltung. Die meisten Bewohner mussten pendeln. Die Zahl der Gewerbebetriebe lag 1992 bei nur 3.000. Für mehr Wachstum fehlten schlichtweg auch die Flächen. Nur 61 Hektar waren in Hellersdorf für Handel und Gewerbe ausgewiesen.
Ost-West-Koproduktion
Altlastenfreie Großgrundstücke mit verbindlichen Angaben in den damaligen Flächennutzungsplänen von Berlin waren Anfang der 90er ohnehin eine Rarität. Dass ein solches Grundstück direkt an einer „Einflugschneise“ von der Autobahn nach Berlin erworben werden konnte und dann auch noch in seiner künftigen gewerblichen Nutzung volle Unterstützung des Stadtbezirks und des Senats erhielt, war sowohl für den Düsseldorfer Projektentwickler „Gewerbe im Park“ (GiP) als auch für den wirtschaftlichen Aufschwung Hellersdorfs ein Glücksfall. Nach dem Kauf des 13 Hektar großen Areals im Februar 1991 wurde dann Mitte 1991 ein städtebauliches Gutachterverfahren durchgeführt. Den Zuschlag erhielten das West-Berliner Architekturduo Machleidt (siehe Porträt)/Stepp und die Ost-Berliner Architektengemeinschaft Meyer/Bach/Hebestreit/Sommerer (MBHS). Damit wirkten an der Gestaltung des Gewerbeparks Stadtplaner und Architekten aus Ost und West schöpferisch zusammen – ein seltener Fall.
Hellersdorf-Tempo für Nr. 1
Die städtebauliche Entwicklung war nicht einfach, denn es bestand kein Bebauungsplan. Der gültige Flächennutzungsplan wurde zeitweilig außer Kraft gesetzt und das bereits in den übrigen neuen Bundesländern gültige Vorhaben- und Erschließungsplanverfahren für Berlin als Rechtsverordnung erst im Juni 1992 beschlossen. Trotzdem konnte bereits im Dezember 1992 die Planungsphase erfolgreich zu Ende geführt und die rechtliche Situation der Bebauung geklärt werden. Bei der damals bedeutendsten Investitionsmaßnahme im Bezirk wurden die Planungszeiten wesentlich verkürzt. Es war Berlins erster rechtskräftiger V&E-Plan.
Planung mit Sinn für viel Grün
Das städtebauliche Konzept für das 255 x 510 Meter große Gelände zeichnete sich durch eine einfache, rationale und robuste bauliche Ordnung aus und steht ganz in der Traditionslinie der in Berlin seit Beginn des 20. Jahrhunderts realisierten großen Industrie- und Gewerbeanlagen. Zu den Besonderheiten gehört, dass die 17 vorwiegend im „Klinkerlook“ gehaltenen Gebäudeteile in die Natur eingebettet sind: 375 neu angepflanzte große Bäume, gepflegter Rasen und Biotope mit Sitzecken prägen das Bild der Außenanlagen. Etwa ein Drittel des Geländes wurde als Park gestaltet. Die Fertigstellung mit einem Gesamtvolumen von 87.000 m² Hallen-, Service- und Büroflächen erfolgte am 1. Oktober 1998. Die Investitionskosten betrugen etwa 250 Millionen DM. Rund 1.200 neue Arbeitsplätze entstanden.
Prof. Hildebrand Machleidt
Architekt und Stadtplaner
Hildebrand („Hille“) Machleidt hat maßgeblich zur Entwicklung der bundesrepublikanischen Planungskultur beigetragen. Er formte und gründete neue Stadtstrukturen u. a. in Berlin, Potsdam, Hamburg, München und Saarbrücken.
Geboren in Kiel, studierte Machleidt von 1963 bis 1969 Architektur an der Technischen Hochschule Hannover und an der TU Berlin. In den 70er Jahren war er Mitglied und Gesellschafter der namhaften Freien Planungsgruppe Berlin (FPB). Während dieser Zeit leistete er u. a. die konzeptionelle Vorarbeit für die Internationale Bauausstellung Berlin (IBA), deren Planungsinitiativen und Projekte er später als städtebaulicher Koordinator von 1979 bis 1987 verantwortlich mitprägte.
1988 folgte die Gründung des Büros für Städtebau (seit 1993 Büro Machleidt + Partner). In dem 2006 von Wolfgang Schäche herausgegebenen Buch „Hildebrandt Machleidt – Planungen für die Stadt“ dokumentieren 200 Entwürfe seine herausragende Karriere. So wurden u.a. der Pariser Platz und angrenzende Grundstücke bis zum Spreeufer nach Planungen seines Büros bebaut. Machleidt + Partner entwickelten darüber hinaus auch kompakte Baumuster für neue „Hauptstadtfunktionen“ zwischen Landwehrkanal und Tiergarten. Dass er zudem ein Architekt mit Sinn für Grün ist, zeigte Hildebrand Machleidt mit seinem 1991/92 entwickelten städtebaulichen Konzept für den Mahlsdorfer Gewerbepark.
„Initial“ für lokale Wirtschaft
Der Gewerbepark entfaltete eine Sogwirkung und führte zu zahlreichen Gewerbeansiedlungen. Im Oktober 1996 existierten in Hellersdorf bereits 5.900 Unternehmen. Der Bezirk verzeichnete bei Gewerbeanmeldungen den größten Zuwachs aller Berliner Bezirke seit 1989. Zu den prominentesten Unternehmen gehören u. a. die Vanguard AG, die seit 1998 teure medizinische Einweginstrumente wie Herzkatheter oder OP-Scheren wiederaufbereitet, und die seit dem Frühjahr 2004 ansässige PIN AG. 2010 eröffnete die „grüne Post“ am Standort noch ein Sortierzentrum, wo täglich bis zu 750.000 Sendungen verarbeitet werden.
Konzept für die Zukunft
In den letzten Jahren sind im Bezirk die Flächen für Gewerbe und Industrie immer knapper und auch die Flächenreserven für gewerbliche Entwicklungen deutlich kleiner geworden. Das war schon einmal anders. Von 1990 bis 1997 verzeichnete der Nachbarbezirk Marzahn einen Zuwachs von 201 Hektar an Industrie- und Gewerbeflächen. Nach der Bezirksfusion von Marzahn und Hellersdorf hatte der gemeinsame Bezirk eine Fläche von 6.180 Hektar, davon 642 Hektar Industrie- und Gewerbeflächen. Gut 20 Jahre später sind es nur noch 578 Hektar. Ein längst überfälliges, vom Bezirksamt am 28. März 2023 beschlossenes Wirtschaftsflächenkonzept (WiKo) soll nun eine Grundlage für die zukünftige Sicherung und Profilierung von Gewerbe- und Industrieflächen bilden. Insgesamt werden darin 122 Hektar unbebaute und 36 bebaute ungenutzte oder untergenutzte Flächen identifiziert. Hinzu kommen etwa elf Hektar zusätzliche Perspektivflächen für die Wirtschaft. In dem Konzept taucht auch der Bereich um den Mahlsdorfer Gewerbepark mit einem eigenen Standortpass auf. Danach bietet der Profilbereich ausgehend vom vorhandenen B1 Business Park im Osten nördlich der B1/B5 zwischen der Straße An der Schule und der Landsberger Straße die Chance zur Entwicklung weiterer moderner Mietflächen für kleinere Unternehmen, insbesondere auch aus stark wachsenden Branchen wie E-Commerce und kleinteilige Logistik sowie Büro- und Lagernutzungen.
Der Bauhistoriker Dr. Oleg Peters schaut in den „Rückspiegel“ und gibt in dieser Serie regelmäßig Einblicke in wenig Bekanntes auch aus den Anfangsjahren des Bezirks. Er stellt damalige Akteur:innen im Porträt vor und die historischen Hintergründe dar.