Bezirksgruppe von Fridays for Future: Klein, dafür aber lautstark

Interview mit Sprecher Jonas Knorr (18)

Bezirksgruppe von Fridays for Future: Klein, dafür aber lautstark

Seit die „Letzte Generation“ aktiv geworden ist, hat die Empörung über Fridays for Future deutlich abgenommen. Leise ist es in Marzahn-Hellersdorf um die Klimaschutzbewegung allerdings nicht geworden. Ob bei einer Kundgebung vor der BVV-Tagung oder bei der Fahrraddemo Kidical Mass: Die Schüler:innen verstehen es trotz geringer Mitgliederstärke, ihre Forderungen an die Politik öffentlichkeitswirksam zu adressieren. Wie sie das hinbekommen, warum es nicht so leicht ist, hier junge Menschen zu mobilisieren und welche Themen ihnen gerade wichtig sind, hat uns Jonas Knorr, Sprecher der Bezirksgruppe von Fridays for Future, im Interview verraten.

■ Eigentlich gilt das Verhältnis von Fridays for Future zu den politischen Parteien als schwierig. Hier im Bezirk hingegen scheinen beide Seiten ganz gut miteinander klarzukommen. Woran liegt das?

Wir haben von Anfang an einen Fokus auf die Vernetzung und auf Gespräche mit Politik und Verwaltung gelegt, was uns bei den Parteien durchaus eine gewisse Anerkennung eingebracht hat. Und immer wieder hören wir auch von Politiker:innen der verschiedenen Parteien, dass sie es als sehr angenehm empfinden, mit uns sachlich sprechen zu können. Klar, Protest ist und bleibt wichtig. Aber wir wissen auch, dass es völlig unrealistisch ist, mit einer Gruppe von zwei, drei Leuten große Demos auf die Beine zu stellen. Darum waren wir immer schon darauf bedacht, mit den Entscheidungsträger:innen zu reden.

 

■ Ihr seid, wie erwähnt, eine ziemlich kleine Gruppe. Warum gelingt es nicht, ein paar mehr junge Menschen zu mobilisieren?

Mit weniger Leuten erhält man einfach weniger Aufmerksamkeit. Das ist ein kleiner Teufelskreis. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es vor 20 Jahren hier im Bezirk einfacher gewesen wäre, die Jugendlichen zu erreichen. Meines Erachtens sind die Elternhäuser da ein nicht zu unterschätzender Faktor. Aus der letzten Wahl hier in Marzahn-Hellersdorf gingen CDU und AfD als stärkste Kräfte hervor. Um es freundlich zu formulieren: Beide Parteien sind nicht gerade für ihre ambitionierten Klimaschutzziele bekannt. Manchen Erwachsenen scheint einfach das Wissen um die Folgen des Klimawandels zu fehlen – oder das Interesse. Aus dem Siedlungsgebiet höre ich oft: Die wollen mir mein Auto wegnehmen und mir vorschreiben, welche Heizung ich einzubauen habe. Ich denke: Wer es für völlig normal hält, drei Verbrennungsautos in der Garage stehen zu haben, wird sein Kind auch nicht dabei unterstützen, sich bei Fridays for Future zu engagieren. Natürlich gibt es immer auch Jugendliche, die gegen ihr Elternhaus rebellieren. Aber das ist nicht die Mehrheit.

 

■ Wie reagieren die Menschen bei Kiezfesten oder anderen Veranstaltungen auf Fridays for Future?

Ganz unterschiedlich. Wir müssen viel Aufklärungsarbeit leisten und deutlich machen, dass es uns nicht um Verbote geht. Wir kämpfen um Lösungen und haben immer gefordert, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gemeinsam zu denken. Das ist im Bezirk ein großes Thema. Neulich beim Marzahner Nachbarschaftsfest hieß es übrigens wieder: „Ach so, ihr seid gar nicht die, die sich auf Straßen kleben.“ Seit es die Letzte Generation gibt, haben wir das Problem, mit denen in einen Topf geworfen zu werden. Natürlich setzen wir uns für das gleiche Thema ein, aber die Aktionsformen unterscheiden sich enorm.

 

■ Warum würdest du dich nicht auf Straßen kleben?

Weil ich Klavier und Klarinette spiele und meine Hände brauche (lacht). Aber im Ernst: Ich kann jeden Menschen verstehen, der das aus Verzweiflung tut. Ich spüre diese Verzweiflung ja auch in mir, aber es ist eben kein Mittel, das ich für meinen Protest wählen würde.

 

Protestaktion der Bezirksgruppe Ende April vor dem Freizeitforum Marzahn
Protestaktion der Bezirksgruppe Ende April vor dem Freizeitforum Marzahn

 

■ Warst du bei der Besetzung der Wuhlheide, um gegen die Abholzung von 15 Hektar Wald für den Bau der Tangentialverbindung Ost zu protestieren?

Nein. Ich habe gegenüber der Berliner Ortsgruppe von Fridays for Future auch erklärt, warum wir uns aus kommunaler Sicht nicht komplett mit den Forderungen solidarisieren wollen. Für die Menschen, die an der vollgestopften Köpenicker Straße wohnen, ist der Lückenschluss total nötig. Unserer Meinung nach sollte aber noch einmal über die Dimension gesprochen werden. Eine TVO, die nur auf zwei, meinetwegen auch auf maximal drei Spuren geführt wird, wäre sicher ausreichend. Der Flächenverbrauch könnte dadurch minimiert werden. Zu dem Thema ist uns aber in erster Linie die parallele Planung der Nahverkehrstangente, also der Schienen-TVO, wichtig. Da hatte es zuletzt auch bei uns Irritationen gegeben, weil diese nicht mehr explizit im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Landesebene erwähnt ist.

 

■ Ihr habt auch deutliche Kritik an der Vereinbarung von CDU und SPD hier im Bezirk geübt. Was hat euch an dem Papier am meisten gestört?

Wir sehen einfach die Klimaschutzbemühungen der letzten Jahre gefährdet. Ein Beispiel: Die CDU will zwar grüne Innenhöfe retten, aber auch neue Parkplätze bauen. Das heißt: Flächen versiegeln. Für mich passt das nicht zusammen.

 

■ Hat denn die nach den Wahlen abgelöste Zählgemeinschaft aus SPD, Linken, Grünen, Tierschutzpartei und FDP in den anderthalb Jahren in Sachen Klimaschutz etwas erreicht?

Als Fridays for Future haben wir in vielen Punkten Unterstützung erfahren. Man hat unsere Forderungen aufgegriffen, Anträge geschrieben und auch beschlossen. Kritisch anzumerken ist, dass es im Verkehrssektor nicht den großen Wurf gab. Aber das war in so kurzer Zeit auch nicht zu erwarten. Im bezirklichen FahrRat wurden hingegen viele kleine Dinge angegangen. Auch der neu einberufene Klimarat kann ein starkes Gremium werden. Das Fahrzeug des Bezirksbürgermeisters – jetzt der Bürgermeisterin – war das erste E-Auto in der Verwaltung. Außerdem begrüßen wir es sehr, dass Initiativen und Gruppierungen die Chance erhalten, vor der Bezirksverordnetenversammlung zu sprechen. Dafür musste die Geschäftsordnung geändert werden. Uns ermöglicht das, wichtige Themen ins „Parlament“ hineinzutragen.

 

■ Letzte Frage: Wie sähe Marzahn-Hellersdorf in deiner Idealvorstellung aus?

Auf allen Dächern, die sich dafür eignen, gäbe es Solaranlagen. Die restlichen wären begrünt, genauso wie die Fassaden. Ich träume von einem Bezirk mit sechs Meter breiten Fahrradstraßen und Oberleitungsbussen; von einem Bezirk, der keinen motorisierten Individualverkehr mehr braucht, sondern nur ein bisschen Carsharing und natürlich klimafreundlichen Lieferverkehr – größtenteils auf der Schiene. Die Straßenbahnverbindung von Hellersdorf nach Mahlsdorf und von Marzahn nach Falkenberg stünde. Die DDR hat hier ja freundlicherweise schon vorgedacht. Das Konzept Schwammstadt müsste konsequent umgesetzt und der Alice-Salomon-Platz mit Bäumen bepflanzt werden. 

Außerdem würde ich mir Ladelaternen in der Großsiedlung wünschen. Bisher sind diese nur in den Einfamilienhausgebieten entstanden. Das Heizkraftwerk soll nach meinen Vorstellungen nur noch Strom und Wärme aus grünem Wasserstoff produzieren. Dort, wo es, keine Fernwärme gibt, wünsche ich mir Quartierswärme in Form von Blockheizkraftwerken oder Wärmepumpen.