Bezirksparlament startet in neuer Besetzung

Knapp sechs Wochen nach der Wiederholungswahl:

Bezirksparlament startet in neuer Besetzung

Knapp sechs Wochen nach der Wiederholungswahl ist die Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf am Donnerstagabend im Freizeitforum Marzahn zu ihrer Neukonstituierung zusammengekommen. Der Tag der großen Entscheidungen aber war das noch nicht, denn die Parteiengespräche im Bezirk dauern weiter an. Nach außen dringt wenig. Entsprechend lang ist die Liste der offenen Fragen – etwa zur künftigen Besetzung des Bezirksamtes, dem Zuschnitt der Fachausschüsse und der Zusammensetzung des BVV-Vorstandes. „Wir befinden uns in einer besonderen, sogar außergewöhnlichen Situation“, sagte BVV-Chef Steffen Ostehr (Linke) in seiner Eröffnungsrede.

Der 12. Februar hat in Marzahn-Hellersdorf einiges durcheinandergewirbelt: Während SPD und Linke jeweils auf zwei Verordnete verzichten müssen, konnte die CDU sieben und die AfD zwei Sitze hinzugewinnen. Grüne und Tierschutzpartei wiederum haben je ein Mandat abgegeben. Letztere ist dadurch der Fraktionsstatus abhandengekommen. Noch härter traf es aber die FDP, die gar nicht mehr dabei ist.

 

Er bedauere, dass es bei allem Wirbel rund um die Wiederholungswahl keine Gelegenheit für eine würdige Verabschiedung der ausgeschiedenen BVV-Mitglieder gegeben habe, bemerkte Steffen Ostehr gegenüber der „Hellersdorfer“: Neun Bezirksverordnete, die in den letzten anderthalb Jahren mit viel Engagement ein politisches Ehrenamt bekleidet und die Arbeit der BVV mit Leben erfüllt hätten, seien jetzt einfach weg. „Die FDP-Leute haben längst ihr Büro geräumt und die Schlüssel abgegeben. Das alles ist ganz still und leise passiert, was ich menschlich extrem schade finde“, so Ostehr.

 

 

Lex Wahlwiederholung: Neubesetzung der Bezirksämter gesetzlich geregelt

Dass sich die in vielen Bezirken stark veränderten Mehrheitsverhältnisse auch in der Zusammensetzung des Bezirksamts widerspiegeln sollen, darauf hatten sich SPD, Grüne, Linke und CDU auf Landesebene relativ früh nach der Wahl verständigt. Nun wurde die dazu erforderliche Neuregelung vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen. Nach alter Gesetzeslage wäre die amtierende Verwaltungsspitze wegen des Beamtenrechts ziemlich sicher unverändert geblieben. Einmal gewählt, sollten die Bezirksbürgermeister:innen und Stadträt:innen eigentlich für die volle Distanz der noch bis 2026 laufenden Legislaturperiode im Amt bleiben. Eine Abberufung durch die BVV wäre nur durch eine Zweidrittelmehrheit möglich und damit sehr unwahrscheinlich gewesen. 

 

Für Marzahn-Hellersdorf heißt das jetzt: Die SPD muss einen ihrer bisherigen zwei Posten an die große Wahlsiegerin CDU abgeben. Die Linken behalten ihren. Fraglich ist, ob dieser weiterhin von Juliane Witt bekleidet wird. Sie hatte angedeutet, nicht mehr Teil des neuen Bezirksamts zu sein. Mögliche Anwärter:innen auf Witts Nachfolge sind die Fraktionsvorsitzenden Sarah Fingarow und Bjoern Tielebein.

 

 

CDU mit Luxusproblem

Neue Bezirkschefin wird wohl die bisherige CDU-Sozialstadträtin Nadja Zivkovic. Für sie müsste der  bisherige Bürgermeister Gordon Lemm (SPD) das Rathaus räumen. Lemm war 2021 von einer Zählgemeinschaft aus SPD, Linken, Grünen, FDP und Tierschutzpartei gewählt worden. Da für ein Bündnis links der Mitte eine Mehrheit in der BVV fehlt, läuft alles auf eine Zählgemeinschaft von CDU und SPD hinaus – auch weil die CDU bundesweit eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken ausschließt. Einen Platz im Bezirksamt sicher hätte Dr. Torsten Kühne (CDU). Er könnte aber auch als neuer Bildungsstaatssekretär infrage kommen, sollte seine Parteikollegin Katharina Günther-Wünsch Bildungssenatorin werden. In dem Fall stünde die CDU in Marzahn-Hellersdorf vor dem Luxusproblem, Personal für zwei Stadtratsposten finden zu müssen. Die AfD hat angekündigt, für das Bezirksamt ihren bereits in zig Wahlgängen gescheiterten Dauerkandidaten Dr. Michael Adam weiterhin aufstellen zu wollen.

 

Kein einheitliches Vorgehen in den Bezirken

Ob die Neubesetzung des Bezirksamtes schon in der April-Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung erfolgen kann, steht für BVV-Vorsteher Steffen Ostehr noch nicht fest. „Wenn sich die Parteien einig werden und es zu den Wahlen kommen sollte, müssen wir das auf jeden Fall sehr gut vorbereiten“, sagt er. Der Berliner Landesverfassungsgerichtshof habe besonders den Bezirken einen Bärendienst erwiesen, weil bei der Anordnung der Wiederholungswahl kaum Verfahrenshinweise ins Urteil geschrieben wurden, kritisiert Ostehr. „Uns fehlt die klare Richtschnur.“ Die Arbeit der BVV-Vorstände und BVV-Büros in den zurückliegenden Wochen sei mit „Stochern im Nebel“ vergleichbar. „Keiner wusste genau, was gilt und was nicht.“ Auch jetzt gebe es noch offene Fragen, die es gemeinsam mit der Senatsinnenverwaltung und dem Bezirksverwaltungsexperten Peter Ottenberg schnell zu klären gelte. Im Rat der Vorsteher:innen habe man inzwischen den ursprünglichen Plan eines einheitlichen Vorgehens verworfen. Zu unterschiedlich seien die Konstellationen in den einzelnen Bezirken nach dem 12. Februar. 

 

BVV-Vorstand, 2. v. r. Vorsteher Steffen Ostehr
BVV-Vorstand, 2. v. r. Vorsteher Steffen Ostehr

 

„Endlich wieder ins Arbeiten kommen“

Ziel müsse es in Marzahn-Hellersdorf aber unbedingt sein, im April einen Beschluss zur Bildung der Fachausschüsse zu fassen, „damit wir dann auch möglichst schnell die konstituierenden Sitzungen ansetzen können und endlich wieder ins Arbeiten kommen, betont der BVV-Chef. Über seine Zukunft macht sich Ostehr noch keine großen Gedanken. Der Vorstand der Bezirksverordnetenversammlung könne, müsse aber nicht zwingend neu zusammengesetzt werden. Die Mitglieder sind bis 2026 gewählt. Bislang hat es keine Abwahlanträge gegeben. Ganz sicher ist auch dieses Thema Bestandteil der Parteiengespräche und -verhandlungen. Die CDU als mit Abstand stärkste Kraft wird ihren Anspruch auf den Posten des BVV-Vorstehers oder der BVV-Vorsteherin sicher geltend machen wollen. Dann würde im April oder Mai eine Ersetzungswahl anstehen.

 

Klar ist: Es bleibt noch viel zu tun. Die Tagesordnung bei der BVV-Neukonstituierung am 23. März war daher noch ziemlich überschaubar – „und selbst um diese wenigen Tagesordnungspunkte mussten wir stark ringen“, berichtet Steffen Ostehr, der nach seiner Eröffnungsrede alle anwesenden Mitglieder namentlich aufrief und die Neulinge auf ihre Pflichten hinwies. Die restliche Sitzung verlief gleichermaßen unspektakulär. Neben der Bestätigung der kommenden Tagungstermine und dem Beschluss über die Auflösung der Ausschüsse wurde noch über eine neue Schiedsperson abgestimmt. Nach gut anderthalb Stunden waren die Tischreihen im Arndt-Bause-Saal des Freizeitforums schon wieder leer.


In der ersten Version des Artikels haben wir geschrieben, dass die SPD einen ihrer aktuell zwei Bezirksstadtratsposten an die CDU abtreten muss und die Leidtragende Jugend- und Gesundheitsstadträtin Nicole Bienge sein wird, was so nicht stimmt. Erst der Kreisvorstand der SPD entscheidet über den Kandidaten oder die Kandidatin für das Bezirksamt.