Internationalität in der Architektur des Bezirks (Teil III)
Um die Welt in Hellersdorf
Nach dem Mauerfall bot sich Gartenarchitekt:innen aus aller Welt die Chance, an der Neukonzeption von Grünanlagen und Parks mitzuwirken.
Die Gestaltung der öffentlichen Räume gehörte in Hellersdorf zu den nicht eingelösten Planungsversprechen. Brachen allenfalls mit karger Spontanvegetation markierten Anfang der 1990er Jahre jene Orte, an denen nach der ursprünglichen Projektierung Gemeinschaftseinrichtungen, Grün- und Erholungsflächen entstehen sollten. Nach der Wende entwickelte sich der Bezirk zum Berliner Zentrum des Garten- und Landschaftsbaus. Ein Bauschild stand neben dem anderen.
Hellersdorfer Graben
So wurde etwa der brachliegende Rest einer eiszeitlichen Naturlandschaft – der Hellersdorfer Graben – im Juli 1994 Gegenstand eines vom Senat europaweit ausgelobten landschaftsplanerischen Ideen- und Realisierungswettbewerbs. Der zu gestaltende Grünzug sollte eine Ausgleichsmaßnahme für das künftige „steinerne“ Bezirkszentrum Helle Mitte sein. Mitte Oktober 1994 kürte ein Preisgericht den Beitrag des Bureaus B+B stedebouw en landschapsarchitectuur B.V. aus Amsterdam wegen des „hohen ökologischen Werts“ und der „poetischen Kraft“ zum Siegerentwurf.
Friedenspark(ge)schichten
1995 erfolgte der Startschuss für den Bau der „Hellen Mitte“. Nur wenige Meter von der Großbaustelle entfernt wurden westlich der Hellersdorfer Straße Teile des Erdaushubs im Rohrbruchpark zu einem etwa 10 Meter hohen Plateau aufgeschüttet. Dadurch entstand gegenüber dem Kienberg ein neuer kleiner Berg, der nach den Plänen des Wettbewerbssiegers eine sensible Umgestaltung unter voller Einbeziehung der landschaftlichen Gegebenheiten erfahren sollte. Der neue Park wurde auf mehreren Ebenen angelegt. Im Tal liegt heute der Hasenpfuhl mit Wiesen und einzelnen Gehölzgruppen. Auf der darüberliegenden Hochebene entstanden großflächige Spiel- und Liegewiesen. Über einen Rundweg kann man den baumreichen Parkhügel erklimmen. Mit der Eröffnung des Parks im Juli 1996 konnte zumindest dieser Teil des B+B-Wettbewerbsentwurfs realisiert werden.
Im Sommer 1999 besuchte die bereits schwerkranke Primaballerina und Friedensaktivistin Jelena Šantić (1944-2000) ein Friedenstreffen in Hellersdorf. Teilnehmer:innen legten im Rohrbruchpark an der östlichen Hangseite des Parkhügels als Symbol gegen die menschenverachtenden Auswirkungen des Jugoslawienkrieges ein weithin sichtbares „Peace-Zeichen“ aus Holzbohlen und Blumen an. 2003, wenige Tage nach Šantićs drittem Todestag, wurde dieser Teil des Rohrbruchparks in Jelena-Šantić-Friedenspark umbenannt.
Traum vom Natur-Kultur-Park
Auch für den Bereich des Hellersdorfer Grabens westlich und östlich der Riesaer Straße in unmittelbarer Nähe zur Hellen Mitte brachten die Amsterdamer Gartenarchitekten vom Bureau B+B frische gestalterische Ideen nach Berlin. Sie hatten sich einen Park mit ungewöhnlichem Konzept ausgedacht. Der Entwurf ging von zwei unterschiedlichen Charakteren der Grabenlandschaft aus: eine naturnahe Vegetationszone inmitten der Siedlung und ein von den Menschen intensiv genutzter Parkbereich. Diese widersprüchlichen Nutzungen sollten nicht wie üblich nebeneinander angesiedelt werden, sondern in „Etagen“ übereinander: Während sich auf der Grabensole weitgehend unberührt die eiszeitliche Grabenlandschaft mit Teichen, Sträuchern und Blumen neu entwickeln sollte, hätten einige Meter höher fünf begehbare 500 bis 1.000 m² große „Aktivitätsinseln“ gelegen, die durch Brücken untereinander und mit dem Wegesystem der Großsiedlung verbunden worden wären.
Unter Ausnutzung der existierenden künstlichen Topographie sollte der als offene U-Bahn-Trasse genutzte ehemalige Entwässerungsgraben weiter vertieft und durch Initialpflanzungen zu einem sich selbst regulierenden Waldbiotop entwickelt werden, der als grüner Fluss den ganzen Stadtteil durchzogen und ihn mit dem Umland verbunden hätte. Doch das alles blieb ein Frei(t)raum. Die Helle-Mitte-Investorin MEGA verzögerte jahrelang den ursprünglich für 1996 vorgesehenen Baubeginn, bevor sie 2001 selbst pleiteging. Unter großen Kraftanstrengungen gelang es dem Bezirk immerhin, die Gesamtfläche als Regine-Hildebrandt-Park (2006–2009) und als Kurt-Julius-Goldstein-Park (2010) mit öffentlichen Mitteln in Höhe von etwa 2,4 Millionen Euro herzurichten.
Hans J. Loidl
Landschaftsarchitekt
Loidl war eine Ikone der Landschaftsarchitektur. Für die Gestaltung des Lustgartens erhielt sein 1984 gegründetes Atelier im Jahr 2001 den Deutschen Landschaftsarchitekturpreis.
Der auf einem einsamen Bauernhof aufgewachsene Österreicher kam im Alter von neun Jahren nach Wien. Dort und später auch in Kopenhagen studierte er unter anderem Landschaftsarchitektur und Stadtplanung. Eine Professur an der Technischen Universität führte ihn 1982 nach Berlin.
Das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1987 vom Atelier Loidl entwickelte Berliner Öko-Modellprojekt Block 6 in Kreuzberg zählt heute zu den Pionieren des ökologischen Bauens. Loidl und sein Team zeigten damit, dass auch in innerstädtischer Lage dezentrale Entwässerungskonzepte mit Pflanzenkläranlagen möglich sind.
Modellprojekt Schweriner Hof
Während die Häuser rundum bereits bezogen waren, präsentierte sich der Schweriner Hof an der Fercher Straße 1990 noch als Baustelle. Der Österreicher Hans Loidl (siehe Porträt) übernahm die Neuplanung und beteiligte die Plattenbaumieter:innen daran. Die von seinem Atelier entworfene 1,4 Hektar große offene Hoflandschaft mit Teich und Mieterterrassen zeichnet sich trotz der gestalterischen Bescheidenheit bis heute durch eine gelungene Nutzungsdifferenzierung aus. Neu entwickelte ökologische Bauweisen fanden hier Anwendung (u.a. Null-Abfluss-Siedlung, Regenwasserbewirtschaftung): So wird das Niederschlagswasser von den Dächern in einer unterirdischen, 600 m³ großen Zisterne gesammelt und an einen in der Hofmitte liegenden 1.000 m² großen Teich abgegeben. Im Sommer 1995 eröffnete Bundesbauminister Dr. Klaus Töpfer das Modell- und EXPO-2000-Projekt. Heute gehört der Hof zum Bestand der Wohnungsgenossenschaft Grüne Mitte.
Der Bauhistoriker Dr. Oleg Peters schaut in den „Rückspiegel“ und gibt in dieser Serie regelmäßig Einblicke in wenig Bekanntes aus den Anfangsjahren des Bezirks. Er stellt damalige Akteur:innen im Porträt vor und die historischen Hintergründe dar.