Noch einmal drei Kreuze machen

Klappe, die Zweite: Berlin-Wahl am Sonntag

Noch einmal drei Kreuze machen

Noch einmal schlafen, dann geht die Berlin-Wahl in die zweite Runde. Alle Wahlberechtigten, die noch nicht per Briefwahl ihre Stimmen abgegeben haben, sind aufgerufen, am Sonntag ins Wahllokal zu kommen und ihre drei Kreuze zu machen. Es geht um die Frage, wer bis 2026 ins Rote Rathaus einziehen, wer im Landes- und wer im Bezirksparlament sitzen soll. 

Die Wahllokale sind am Sonntag (12. Februar) von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Danach beginnt die öffentliche Stimmenauszählung. Landeswahlleiter Prof. Dr. Stephan Bröchler rechnet damit, dass das vorläufige Endergebnis für die Abgeordnetenhauswahl und die Wahl der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) in der Nacht zu Montag gegen 1.30 Uhr vorliegt. 

 

Im Vergleich zur „Pannenwahl“ im September 2021 ist die Zahl der Stimmzettel deutlich überschaubarer, weil der Volksentscheid und die Bundestagswahl (letztere wird nur teilweise zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt) wegfallen. Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) hatte Mitte der Woche über den Vorbereitungsstand der Wiederholungswahl in Marzahn-Hellersdorf informiert. Etwa 3.700 Wahlhelfende wurden einberufen und geschult. Es gibt mindestens drei Wahlkabinen pro Wahllokal, mehr vorrätige Wahlscheine, damit die nicht wieder ausgehen, und mehr Wahlvorstandsmitglieder. Außerdem ist das Kontaktzentrum im Rathaus mit 20 Personen besetzt. „Diese nehmen bis Wahlenede die Meldungen zur Vollständigkeit der Wahlvorstände, die Anzahl der Wartenden, die Schnellmeldung der Ergebnismitteilung sowie sämtliche Fragen aus den Wahllokalen entgegen“, so Lemm.

 

Was steht zur Abstimmung?

Über-18-jährige Wahlberechtigte können drei Stimmen abgeben. Wahlberechtigte zwischen 16 und 18 Jahren dürfen lediglich ein Kreuzchen machen – und zwar für die BVV-Wahl.  

Mit der Erststimme wird ein:e Direktkandidat:in im Wahlkreis gewählt. Der oder die Politiker:in mit den meisten Stimmen kann das Ticket fürs Abgeordnetenhaus lösen. 

Die Zweitstimme hingegen entscheidet darüber, wie stark eine Partei im Abgeordnetenhaus vertreten ist. Traditionell hat die stärkste Kraft den Regierungsauftrag. Sollten sich aber keine Koalitionspartner für eine parlamentarische Mehrheit finden, kann auch die zweitplatzierte Partei eine Regierung bilden. In Berlin ist das aktuell ein nicht unwahrscheinliches Szenario. Umfragen sehen die oppositionelle CDU mit Landeschef Kai Wegner zwar vorne, trotzdem könnte es für die Fortführung des Bündnisses von Franziska Giffeys SPD, den Grünen mit Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und Klaus Lederers Linken reichen.  

 

Die dritte Stimme geht an eine Partei im Bezirk. Um in die BVV einziehen zu können, werden drei Prozent der Stimmen benötigt. Zur Erinnerung: 2021 landete hier im Bezirk die CDU (20,8 %) knapp vor SPD (20,3 %), Linken (19,9 %), AfD (16,9 %), Grünen (6,9 %), FDP (5,3 %) und Tierschutzpartei (5,0 %). Gordon Lemm (SPD) wurde anschließend von den Verordneten zum Bezirksbürgermeister gewählt. Möglich gemacht hat das eine Zählgemeinschaft aus SPD, Linken, Grünen, FDP und Tierschutzpartei. Er und die Bezirksstadträt:innen Nadja Zivkovic (CDU), Dr. Torsten Kühne (CDU), Nicole Bienge (SPD) und Juliane Witt (Linke) sind Teil der Verwaltung und bis 2026 „Beamte auf Zeit“. Das bedeutet, es ist gesetzlich vorgesehen, dass sie im Amt bleiben, selbst wenn sich die Mehrheitsverhältnisse durch die Wahl verändern. Die Verordneten hätten allerdings die Möglichkeit, die Amtsträger:innen in den Bezirken jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit abzuwählen, was eine relativ hohe Hürde ist. Ebenso unwahrscheinlich ist ein Amtsverzicht, weil die Betroffenen damit auch ihre Pensionsansprüche verlören.

Wie dann tatsächlich im Fall deutlich veränderter Stimmverhältnisse verfahren wird, bleibt abzuwarten. Man werde sich dann neu verständigen müssen, erklärte Nadja Zivkovic, die Gordon Lemm gern an der Bezirksspitze ablösen würde, gegenüber der „Hellersdorfer“.

 

Der spannende Kampf ums Direktmandat in den Wahlkreisen

Wiederholungswahl heißt: Die Erststimmen-Gewinner:innen von 2021 müssen nun ihr gewonnenes Mandat im Abgeordnetenhaus verteidigen. Direkt gewählt wurden Gunnar Lindemann (AfD, WK 1), Dr. Manuela Schmidt (Linke, WK 2), Jeannette Auricht (AfD, WK 3), Christin Gräff (CDU, WK 4), Katharina Günther-Wünsch (CDU, WK 5) und Alexander J. Herrmann (CDU, WK 6). In einigen Wahlkreisen war es vor anderthalb Jahren ziemlich eng und da bekanntlich nicht alles glatt lief, könnten einige knapp geschlagene Verlierer:innen jetzt zu den großen Gewinner:innen gehören. Zumal die Wiederholungswahl unter völlig anderen Umständen stattfindet. Die Stimmung in der Bevölkerung hat sich verändert, denn in Berlin, Deutschland und der Welt ist viel passiert seit Herbst 2021. Zur Corona-Pandemie sind weitere Krisen hinzugekommen: der Krieg, der Klimawandel und die hohe Teuerungsrate machen den allermeisten Menschen ziemlich zu schaffen. 

 

Bei der Wiederholungswahl treten dieselben Kandidierenden wie vor anderthalb Jahren an. Hier eine Übersicht aus unserer September-Ausgabe 2021.
Bei der Wiederholungswahl treten dieselben Kandidierenden wie vor anderthalb Jahren an. Hier eine Übersicht aus unserer September-Ausgabe 2021.

 

Wahlkreis 1

Ahrensfelde-Süd, Marzahn-West, Marzahn-Ost

Hier war früh klar, dass die bei den 2021er Wahlen festgestellten Unregelmäßigkeiten mandatsrelevant gewesen sein könnten. Über 500 Erststimmzettel sollen im Wahlkreis 1 nicht ausgegeben worden sein. Das Direktmandat ging schließlich an Gunnar Lindemann von der AfD. Denkbar knapp mit nur 70 Stimmen Vorsprung setzte er sich gegen Gordon Lemm (SPD) durch. Lemm ist inzwischen Bezirksbürgermeister und hatte zuletzt öffentlich verkündet, dass er das Rathaus in Helle Mitte dem Abgeordnetenhaus vorziehe. Im Falle eines Wahlsieges würde er das Mandat nicht antreten. An seiner Stelle bekäme ein:e über die Parteiliste der SPD abgesicherte:r Politiker:in den Platz im Abgeordnetenhaus. 

 

Da es keine Auswirkungen auf die Anzahl der SPD-Sitze im Abgeordnetenhaus hat, ob Lemm das Mandat gewinnt oder verliert, hätte der Bezirksbürgermeister erst gar nicht antreten brauchen oder aber seine Wähler:innen dazu aufrufen können, Mitbewerber Bjoern Tielebein (Linke) ihre Erststimme zu geben, findet dieser. Die Chancen, dass der Marzahner Norden im Landesparlament  wieder von einen Demokraten vertreten wird, stünden dann deutlich besser, sagt Tielebein, den nur 293 Stimmen von Lindemann trennten. Wie kaum ein andere:r hat sich der Linken-Politiker in den Wahlkampf gestürzt, um zu verhindern, dass der Rechtspopulist Lindemann direkt ins Abgeordnetenhaus einzieht. Er wirbt unter anderem mit dem Claim „Deine Erststimme gegen Hass und Hetze“.

 

Wahlkreis 2

Gewerbegebiet, Marzahner-Promenade, Allee der Kosmonauten

Spannend dürfte es auch hier werden. 140 Stimmen trennten die Wahlkreis-Siegerin Dr. Manuela Schmidt (Linke, 5.156 Stimmen) von ihrer Mitbewerberin Iris Spranger (SPD, 5.016 Stimmen). Letztere ist inzwischen Innensenatorin. Ob ihr der höhere Bekanntheitsgrad hilft oder schadet, wird sich zeigen. Weitere aussichtsreiche Kandidatinnen sind Anneliese Dummer (AfD, 3.773 Stimmen) und Olga Gauks (CDU, 3.197 Stimmen).

 

Wahlkreis 3

Kienberg, Alt-Hellersdorf, Hellersdorf Nord, Hönow-West

Noch so eine knappe Kiste: 2021 lag Jeannette Auricht (AfD, 4.335 Stimmen) lediglich 250 Stimmen vor Steffen Ostehr (Linke, 4.085 Stimmen). Auf Platz drei und vier landete Nicole Bienge (SPD, 4.037 Stimmen) und Andrej Eckhardt (CDU, 2.854 Stimmen).

 

Wahlkreis 4

Marzahner Chaussee, Springpfuhl, Biesdorf-Nord, Biesdorf-Süd

 Deutlich größer war das Polster im Wahlkreis 4 für den Gewinner des Direktmandats. 9.278 Wahlberechtigte gaben Christian Gräff (CDU, 9.278 Stimmen) ihre Stimme. Damit konnte der ehemalige Bezirksstadtrat und jetzige Abgeordnete fast doppelt so viele Stimmen auf sich vereinen wie die Zweitplatzierte, Regina Kittler (Linke, 4.879 Stimmen), die seither in der Bezirksverordnetenversammlung sitzt. Noch weiter abgeschlagen waren Dmitri Geidel (SPD, 3.720 Stimmen) und Patrick Steven Fritsch (AfD, 3.073 Stimmen).

 

Wahlkreis 5

Kaulsdorf-Süd, Mahlsdorf-Nord, Mahlsdorf-Süd

Bei der letzten Abgeordnetenhauswahl konnte Katharina Günther-Wünsch (CDU) als Nachfolgerin von Mario Czaja den Wahlkreis 5 klar und deutlich mit 9.461 Stimmen gewinnen. Auch diesmal ist sie die klare Favoritin auf das Direktmandat. Drei ihrer Mitbewerber:innen haben erneut gemeinsam Wahlkampf gemacht: Dr. Luise Lehmann (SPD, 5.210 Stimmen), Stefanie Wagner-Boysen (Linke, 4.041 Stimmen) und Stefan Ziller (Grüne, 2.542 Stimmen).

 

Wahlkreis 6

Kaulsdorf Nord, Hellersdorf Süd

Das Rote Viertel, so heißt das Wohngebiet rund um den Cecilienplatz, ist inzwischen schwarz und das liegt an Alexander J. Herrmann (CDU). 5.541 Personen stimmten 2021 für den Rechtsanwalt. Es ist davon auszugehen, dass er auch diesmal wieder die Nase vorn hat. Herrmanns Herausforderer sind unter anderem Kristian Ronneburg (Linke, 3.681 Stimmen) und Jan Lehmann (SPD, 3.573 Stimmen). Maria Arlt von der AfD (3.273 Stimmen) landete 2021 auf Platz vier.


Kühnert im Kesselhaus, Kretschmer im Wuhlgarten

Im Wahlkampf erhielten die Lokalpolitiker:innen aus dem Bezirk auch wieder reichlich prominente Unterstützung. Hier ein paar Impressionen: