Jetzt aber wirklich: Planfeststellungsverfahren für die TVO soll im Sommer 2023 starten

Breites Bündnis aus Bürger:innen, Politik und Wirtschaft fordert schnelle Realisierung

Jetzt aber wirklich: Planfeststellungsverfahren für die TVO soll im Sommer 2023 starten

Über 60 Jahre sind die ersten Planungen für die Tangentialverbindung Ost (TVO) schon alt. Seit 2007 ist der Senat an dem Vorhaben dran. Doch so richtig Fahrt aufgenommen hat die Schnellstraße zwischen Spindlersfelder Straße und B1/B5 bislang nicht. Am Montagabend kamen Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Anwohner:innenschaft zusammen, um eine weitere Resolution zu unterzeichnen und den aktuellen Planungsstand abzuklopfen. Zu dem Termin mit Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), Tiefbau-Chef Lutz Adam und den drei Bürgermeistern der Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick hatte der „Verein Deutscher Grundstücksnutzer“ (VDGN) geladen.

„Bei kaum einem Verkehrsprojekt ist der breite Nutzen – oder besser: die dringende Notwendigkeit – so offensichtlich wie bei der TVO“, schreiben die Verfasser:innen der Resolution. Derzeit würden sich täglich rund 100.000 Autos durch die Köpenicker Straße, die Treskowallee und die Rudolf-Rühl-Allee quälen. Die ständigen Staus seien eine „unzumutbare Situation“ sowohl für Anwohner:innen als auch für den Wirtschaftsverkehr. Seit der vollen Nutzung des Flughafens BER nach der Pandemie habe sich das Problem noch einmal verschärft, heißt es in dem Text, der von etlichen Personen beim Treffen des Bündnisses pro TVO unterzeichnet wurde. 

 

„Bedeutendstes Stadtentwicklungsprojekt im Osten der Stadt“

Nachdem der zuletzt für Anfang 2022 angekündigte Termin für die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens erneut nach hinten korrigiert wurde, ist die Forderung an die Senatsverkehrsverwaltung klar: „Sofortige Einleitung des Planfeststellungsverfahrens und schnellstmöglicher Baubeginn!“, erklärte VDGN-Präsident Jochen Brückmann. Dass der TVO-Lückenschluss schleunigst kommen muss, darin waren sich am Montagabend im Innovationspark Wuhlheide alle einig. Senator Geisel sprach vom „bedeutendsten Stadtentwicklungsprojekt im Osten der Stadt“. Durch die Inbetriebnahme des BER gewinne der Südostraum enorm an Bedeutung. „Wenn wir wollen, dass auch die Gewerbegebiete im Nordosten Berlins davon profitieren, geht das nicht ohne die TVO.“ 

 

Doch wann kommt der Lückenschluss endlich? So viel vorweg: Auf konkrete Termine für den Baubeginn und die Fertigstellung wollte sich Mobilitätsstaatssekretärin Dr. Meike Niedbal (Grüne) angesichts der vielen Unwägbarkeiten nicht festlegen. „Derzeit wird die ordnungsgemäße Planfeststellungsunterlage vorbereitet“, berichtete ihr Chef-Planer Lutz Adam, der die Gelegenheit nutzte, um einen Einblick in den hochkomplexen Planungsprozess zu geben. „Wir haben bei dem Projekt insgesamt 316 Schnittstellen, die wir alle lösen müssen.“ Adam sprach unter anderem über Ampeln und Retentionsbodenfilter, Knotenpunktgeometrien sowie Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Derzeit werde das Regelverzeichnis mit allen Leitungen (Strom, Telekommunikation, Entwässerung etc.) fertiggestellt.

Visualisierung Knotenpunkt an der B1/B5, Ecke Märkische Allee © Kolb Ripke/Architekten GmbH
Visualisierung Knotenpunkt an der B1/B5, Ecke Märkische Allee © Kolb Ripke/Architekten GmbH

Das Verfahren hätte durchaus kürzer verlaufen können, bemerkte der Leiter der Abteilung Tiefbau beim Senat. Aber man habe die Planung mehrfach „anfassen“ müssen. Der größte Zeitfresser sei der Ausstieg der Deutschen Bahn aus der Planungsvereinbarung gewesen, woraufhin „seine Leute“ die Bahnbrücken noch zusätzlich übernehmen mussten, erläuterte Adam. Dies und die Einbindung der Nahverkehrstangente habe jeweils ein Jahr gekostet. Nun aber sei die Ziellinie in Sicht. Im dritten Quartal 2023 soll die Planungsunterlage bei der Anhörungsbehörde in Gestalt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen abgegeben werden. Im nächsten Schritt würde dann die öffentliche Auslegung und Beteiligung erfolgen. Klaus-Jürgen Velke vom VDGN aus Biesdorf äußerte die Befürchtung, dass durch die Neuwahlen das Verfahren wieder ins Stocken geraten könnte.

 

Senat rechnet mit Klagen 

Nach derzeitigem Stand kann der Straßenbau wohl bestenfalls 2026 beginnen – wenn nicht geklagt wird. Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss sind aber alles andere als ausgeschlossen. Er hoffe jedoch, so Adam, „dass wir durch unsere detaillierte Vorarbeit möglichst viele Klagen im Vorfeld ausgeräumt haben.“ Mit „viel Mühe“ konnten auch die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zusammengetragen werden. Über 14 Hektar Wald müssen der vierspurigen Straße weichen, was Umweltverbände seit Jahren schon kritisieren. 19 Hektar sollen dafür aufgeforstet werden. Unter anderem wird die Rudolf-Rühl-Allee komplett entsiegelt und das Waldgebiet an dieser Stelle zusammengeführt. „Ein wichtiger Bestand alter Eichen in der Wuhlheide bleibt erhalten“, wird in der Resolution betont.

 

Bezirksbürgermeister fordert weiteren Anwohner:innendialog

Marzahn-Hellersdorfs Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) lobte in seinem Redebeitrag die breite und überparteiliche Beteiligung an der Veranstaltung. „Für die Menschen in unserem Bezirk ist es einfach so ein wichtiges Thema, dass – egal, wer hier in der Verantwortung ist –, auch weiterhin Druck gemacht wird“, ist sich Lemm sicher. Wichtig für die Bürger:innen sei, dass der Lärmschutz ausreichend bedacht werde, Querungen auch künftig möglich sein werden und die Bauarbeiten nicht zum Verkehrskollaps führen. Bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr, Mobilität und Verbraucher- und Klimaschutz warb er dafür, „proaktiv“ in den Anwohner:innendialog zu gehen: „Es gibt noch ganz viele Unklarheiten. Informationsfluss ist alles.“ Lutz Adam kündigte an, die Öffentlichkeit noch einmal im Spätsommer informieren zu wollen. 

 

Zu den großen Risiken auf dem Weg zur Realisierung gehören für Andreas Geisel die Abstimmungen mit der Deutschen Bahn für die Schienen-TVO und die Gesamtkosten des Vorhabens angesichts der explodierenden Baupreise. Mehrere Hundert Millionen Euro wird das Projekt verschlingen. Allein in den Planungsprozess werden bis Ende des Jahres 40 Millionen Euro aus GRW-Mitteln des Bundes geflossen sein, rechnete der CDU-Abgeordnete Christian Gräff vor. „Das Land Berlin müsste dieses Geld zurückzahlen, wenn die TVO nicht realisiert wird." Auch deshalb könne er sich nicht vorstellen, „dass irgendjemand auf die Idee kommt, egal welche Farbe nach dem 12. Februar regiert, die TVO nicht zu bauen“, sagte Gräff.