Ein Berliner Bildhauerleben

Vor 100 Jahren wurde Fritz Becker geboren

Ein Berliner Bildhauerleben

Fritz Becker (l.) und  Erwin Kobbert (r.)
Fritz Becker (l.) und Erwin Kobbert (r.)

Sein Gesamtwerk hat bisher kaum Würdigung erfahren. Nur wenige Zeitungsartikel und einzelne Erwähnungen in Buchpublikationen informieren über das Leben und Werk von Fritz Becker. Anlässlich seines runden Geburtstages soll hier ein kleiner Überblick über die Vielfalt seiner freien bildhauerischen Arbeit gegeben werden. Allein in Mahlsdorf und Kaulsdorf war er an fünf Projekten beteiligt.

Am 26. Dezember 1922 wurde Fritz Becker in Berlin geboren. Er entstammt einer Familie, in der Entwerfen, plastisches Gestalten, Raumkonstruktion und handwerkliche Bauausführung über mehrere Generationen selbstverständlich waren. Sein Vater Erich war Architekt und sein Großvater Paul Schley Bildhauer und Modellmeister bei der Königlichen Preußischen Porzellanmanufaktur. Während der Vater in dem Jungen ein lebhaftes Interesse an statischen Fragen, Gewölbetonnen oder Mauerverbänden weckte, stand Schley seinem heranwachsenden Enkel für Gespräche und sogar für praktische künstlerische Anleitung zur Verfügung. So prägte sich Becker von Jugend an ein Formenrepertoire ein, das ihm bei seinen späteren Rekonstruktionen historischer Denkmäler und Baudekorationen die Einfühlung in die verschiedenen Epochen und künstlerischen Handschriften erleichterte.

 

Neuanfang nach dem Krieg

Dennoch erlernte Fritz Becker zunächst von 1938 bis 1942 in der Firma Rudolf Fuess den Beruf eines Feinmechanikers. Erst nach der Kriegsgefangenschaft begann sein zweiter Lebensanlauf – diesmal als Bildhauer. Zehn Jahre investierte er in Ausbildungen, Kunststudium und Ingenieursschule. 

1948 absolvierte Becker ein Volontariat als Steinmetz in der Lehrwerkstatt der Philipp Holzmann AG, besuchte Kurse im Aktzeichnen an der Hochschule für Bildende Künste bei Peter Fischer und Kurse in Steinbildhauerei bei Bernhard Heiliger. 1949 bis 1952 studierte er Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste bei Gustav Seitz und Alexander Gonda. 

 

Pendler zwischen Ost und West

Seit 1954 war Becker als Bildhauer freischaffend in Berlin tätig. Sein Atelier und Wohnhaus befanden sich auf einem Lichterfelder Grundstück am Teltowkanal in der Giesensdorfer Straße 2. Unter Nichtbeachtung ideologischer Grenzen bemühte er sich sektorenübergreifend um Aufträge und Positionen. So war er unter anderem als Steinmetz an dem Großprojekt des sowjetischen Ehrenmals in Treptow beteiligt. Dort lernte er den Bildhauer Erwin Kobbert (1909-1969) kennen, für den er vier Jahre lang als Mitarbeiter tätig wurde.

Ein Atelier im Schloss

Kobbert verband ein enges Arbeitsverhältnis mit dem Direktor des Lichtenberger Gartenamtes Johannes Mielenz (1910-1982). Dieser plante mit ihm gemeinsam Ehrenmale auf dem Parkfriedhof Marzahn. Der Gartenarchitekt übertrug Kobbert in den Nachkriegsjahren nicht nur Auftragsarbeiten, sondern verschaffte ihm auch ein Atelier im Schloss Biesdorf, das dieser gemeinsam mit Fritz Becker nutzte. Von 1954 bis 1958 standen den beiden der große Saal und zwei Räume an der Südseite zur Verfügung. In dieser Zeit entstanden dort zahlreiche, im heutigen Marzahn-Hellersdorf bekannte Arbeiten. 

 

Freibad-Maskottchen

Fritz Becker wurde von Kobbert in diesen Jahren vielfach mit der praktischen Ausführung von Steinfiguren betraut. Dazu zählt das beliebte Nilpferd mit dem aufgerissenen und weit überhängenden Maul, das seit 1959 im Wasser des Kaulsdorfer Wernerbades steht. Für das in Untersberger Marmor ausgeführte Nilpferd fertigten die beiden Kollegen im Saal des Schlosses ein Tonmodell und einen Gipsguss, den sie zum Wohnort von Kobbert, einer Doppelhaushälfte im Mahlsdorfer Frettchenweg, brachten. Im Garten entstanden die einzelnen Hippo-Elemente. Becker nutzte dazu eine Punktiermaschine. Die Montage erfolgte vor Ort im Wernerbad. Die Einzelteile wurden mit einer durch das gesamte Nilpferd geführten Bronzestange miteinander verbolzt. Der Dickhäuter Knautschke aus dem Berliner Zoo stand „Modell“. So kam die Skulptur zu ihrem Spitznamen. Zu jener Zeit schuf Becker für das Wernerbad auch eine kleine Pinguingruppe als Trinkbrunnen und das Relief „Reifenspiel“ für die 1954 erbaute Turnhalle einer Mahlsdorfer Schule. 

 

Pelikane für den Jugendklub

Zu den im Bezirk heute noch bekannten Werken zählt neben der sogenannten „Flehenden“ aus Muschelkalk für den Friedhof Kaulsdorf auch eine Pelikangruppe (Foto 4), die der Kinder- und Jugendfreizeitstätte in der Hellersdorfer Straße 27 den Namen „Villa Pelikan“ einbrachte. Diese tierische Plastik aus Löbejüner Porphyr entstand allerdings nicht im Schloss, sondern im Park auf einem Platz neben dem Gärtnerhaus. 

 

Unbändige Schaffenskraft

Über 30 Jahre lang wirkte Becker bis 1990 als freier Mitarbeiter der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin u. a. beim Wiederaufbau des Schlosses Charlottenburg mit. 1980 gestaltete er seine erste Plakette. Während der gesamten Schaffenszeit erledigte er immer wieder Auftragsarbeiten für die Denkmalpflege. Noch mit über 90 Jahren schufen seine Hände Gegenständliches. Er fertigte kleine Medaillons aus Stein. Am 28. Juni 2016 starb Fritz Becker in Berlin. 

 

Dr. Oleg Peters