Entsetzen im Bezirk: Ex-AfD-Stadtratskandidatin unter Terrorverdacht

Entsetzen in Marzahn-Hellersdorf

Ex-AfD-Stadtratskandidatin unter Terrorverdacht

Bisherige Versuche der Senatsverwaltung für Justiz, Birgit Malsack-Winkemann in den Ruhestand zu versetzen, scheiterten. Nun aber sitzt die Richterin in U-Haft und ein Disziplinarverfahren läuft. © IMAGO / Olaf Wagner
Bisherige Versuche der Senatsverwaltung für Justiz, Birgit Malsack-Winkemann in den Ruhestand zu versetzen, scheiterten. Nun aber sitzt die Richterin in U-Haft und ein Disziplinarverfahren läuft. © IMAGO / Olaf Wagner

Sie sollen einen gewaltsamen Staatsstreich geplant haben, trainierten dafür sogar schon mit Waffen und bereiteten eine Art Schattenkabinett vor. Doch die Sicherheitsbehörden kamen den Verschwörer:innen auf die Schliche und nahmen das mutmaßliche Terrornetzwerk aus Reichsbürger:innen, Rechtsextremist:innen und Querdenker:innen hoch. – Was wie der Plot eines Kriminalromans klingt, wurde am Mittwoch Realität. Besonders groß ist das Entsetzen in Marzahn-Hellersdorf. Denn zu den Verdächtigen gehört auch eine Richterin und AfD-Politikerin, die bis Herbst 2021 Bundestagsabgeordnete war und danach Stadträtin im Bezirk werden sollte – wenn es nach ihrer Partei gegangen wäre.

Stattdessen aber sitzt Birgit Malsack-Winkemann jetzt in Untersuchungshaft. Sie wurde am Morgen des 7. Dezember im Zuge der bundesweiten Razzia gegen die Reichsbürger:innenszene verhaftet. Nach Recherchen der „Zeit“ war die promovierte Juristin nach der geplanten gewaltsamen „Revolution“ im Schattenkabinett der neuen Regierung als Justizministerin vorgesehen und zählte zu den zentralen Figuren der terroristische Vereinigung, von der die Bundesanwaltschaft ausgeht, dass sie seit mindestens Ende November 2021 besteht. 

 

Als Stadträtin für Ordnungsangelegenheiten vorgeschlagen

Sollten die Anschuldigungen stimmen, dürfte sich die 58-Jährige also schon radikalisiert haben, als sie Anfang November von der Marzahn-Hellersdorfer AfD-Fraktion für den Posten der Bezirksstadträtin vorgeschlagen wurde. Zu der Wahl kam es allerdings nie. Malsack-Winkemann zog ihre Kandidatur spontan zurück. Seither kandidiert der Rechtsanwalt Michael Adam vergeblich für das Amt, das der AfD zusteht. In keinem der mittlerweile etlichen Wahlgänge konnte er nur annähernd die erforderliche Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. Bis heute ist daher die Leitungsposition für das Ordnungsamt unbesetzt. 

 

„Undenkbar, wenn diese Frau bei uns für die Ordnungsangelegenheiten verantwortlich gewesen wäre“, er sei „ernsthaft schockiert“, schrieb Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) nach Bekanntwerden der Umsturzpläne am Mittwoch bei Facebook. Er verlange „vollständige Aufklärung“, was die AfD im Bezirk von den Machenschaften ihrer Parteifreundin wusste, wie sie zu den Vorwürfen gegen Malsack-Winkemann stehe und warum die dem Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf angehörende Politikerin überhaupt für das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf vorgeschlagen wurde, so Lemm.

 

Lindemann erwartet Parteiausschlussverfahren

Im letzten Wahlkampf hatte Birgit Malsack-Winkemann auffällig oft den Marzahner AfD-Abgeordneten Gunnar Lindemann unterstützt, wie mehrere Twitter-Posts und -Fotos belegen. Lindemann, der auch Vorsitzender des „Flügel“-dominierten Bezirksverbands der AfD ist, erklärte auf Nachfrage, er persönlich habe stets Michael Adam für das Amt des Bezirksstadtrats favorisiert und unterstützt. Treffen zwischen ihm und der einstigen Weggefährtin soll es zuletzt keine mehr gegeben haben, versichert er: „Ich stand überhaupt nicht mit ihr in Kontakt und habe sie seit etwa einem Jahr auch nicht mehr gesehen.“

 

Anders als der eine oder andere Parteikollege geht Lindemann nach der Verhaftung von Malsack-Winkemann öffentlich zu der Terrorverdächtigen auf Distanz. Während etwa der ehemalige AfD-Bezirksverordnete Daniel Birkefeld bei Twitter von größtenteils „konstruierten Vorwürfen“ schreibt und die Razzien als „PR-Aktion“ bezeichnet, erklärte der AfD-Bezirksverbandschef, er habe vollstes Vertrauen in die Arbeit der Justizbehörden. „Sollten sich diese Anschuldigungen bestätigen, verurteile ich dieses Verhalten von Frau Malsack-Winkemann aufs Schärfste und erwarte ein Parteiausschlussverfahren.“

 

Blockadehaltung gegen AfD – Linke und Grüne fühlen sich bestätigt

Bjoern Tielebein, Vorsitzender der Linksfraktion in der BVV, postete in den sozialen Medien ein Foto von einem Plakat des VVN-BdA. Es zeigt den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke mit ausgestrecktem Arm. Darunter steht „Nie wieder“ und „Keine Bühne der AfD“. Tielebein bemerkt dazu: „Wer aus der AfD Marzahn-Hellersdorf noch dieser Umsturz-Gruppe angehört, ist bislang unbekannt.“ Klar sei für ihn aber, dass die konsequente Ablehnung von AfD-Kandidat:innen für Ämter in der Marzahn-Hellersdorfer Bezirksverordnetenversammlung richtig und wichtig sei.

Erst kürzlich hatten die AfD-Fraktionen in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Spandau Klage gegen das Land Berlin wegen der Nicht-Wahl ihrer Stadträte eingereicht. 

 

Ähnlich wie Tielebein formulierten es auch die Grünen in einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung. „Die Festnahme von Malsack-Winkemann macht die rechtextreme Gefahr für unsere Demokratie deutlich. Ob es noch weitere Verbindungen zwischen der AfD Marzahn-Hellersdorf und der Umsturz-Gruppe gibt, ist bisher unbekannt. Klar ist jedoch, dass eine Stimme für die AfD auch eine Stimme für Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit ist“, so Kreisverbandssprecher Max Linke.