Am 11. September 1997 wurde der erste Bauabschnitt des Stadtteilzentrums eröffnet
Die Unvollendete feiert Jubiläum: 25 Jahre Helle Mitte
Die „Helle Mitte“ ist das Produkt sich überlagernder Bauepochen. Sie hatte es nicht leicht, auf die Welt zu kommen und zu wachsen. Zuerst ging ein ganzer Staat pleite, bevor mit dem Bau begonnen werden konnte. Dann schlitterte ein privater Investor in die Insolvenz, kam seinen Verpflichtungen nicht mehr nach und hinterließ ein unfertiges Zentrum.
Mitte der 1980er Jahre war der Bau der Großsiedlung Hellersdorf in vollem Gang. Im Gegensatz zu Marzahn erfolgte die Realisierung auf allen Baufeldern gleichzeitig. Zwei davon blieben dem Zentrum vorbehalten. Weil der Wohnungsbau Vorrang hatte, wurden die Arbeiten dort immer wieder verschoben. Erste Planungen gehen auf einen bereits Ende 1985 durchgeführten Architekturwettbewerb für den „Bereich Markt“ rund um die Kreuzung Hellersdorfer Straße/Stendaler Straße zurück. Zu den prämierten Entwürfen gehörten die Arbeiten von Heinz Willumat (siehe Porträt) und Gerd Wessel. Eckpunkte der vertieften Bebauungskonzeption waren unter anderem die Einbeziehung der Gestaltung und Nutzung des Boulevards Kastanienallee und der „Magdeburger Allee“ (heute: Hellersdorfer Promenade) sowie die Bestimmung der Silhouette durch drei 22-geschossige Punkthochhäuser – eines davon mit einem Dachcafé.
Zum Zeitpunkt des politischen Umbruchs 1989/90 waren 34.000 von insgesamt 44.500 Wohnungen realisiert. Es fehlten wesentliche Teile der öffentlichen Anlagen, Versorgungseinrichtungen und vor allem noch immer das Ortszentrum. Doch ohne eine lebendige Mitte war die Weiterentwicklung Hellersdorfs zum funktionsfähigen Stadtteil nicht denkbar. So kam es zum Versuch, auf einer 31 Hektar großen Brachfläche im Nachhinein einen Stadtkern für die 130.000 Einwohner*innen des Bezirks und der angrenzenden Gebiete zu schaffen. Salopp ausgedrückt: Der unfertigen „sozialistischen“ Großsiedlung sollte gewissermaßen ein „kapitalistisches“ Kunstherz eingesetzt werden.
Idee vom Spanischen Platz, Arkaden und Hochhäusern
Die Grundlage für diesen „Städtebaulichen Laborversuch“ bildete der Ende September 1990 ausgelobte erste gesamtdeutsche stadtplanerische Wettbewerb. Als Zielstellung wurde kein klassisches Einkaufszentrum vorgegeben, sondern ein rund um die Uhr nutzbares, urbanes Stadtteilzentrum. Am 15. Februar 1991 wählte das Preisgericht aus 62 Einreichungen den Beitrag der Architekten Andreas Brandt (1937-2014) und Rudolf Böttcher (1938-2013) einstimmig zum Siegerentwurf. Die Jury empfahl, diese Arbeit zur Grundlage der weiteren Planung zu nehmen. Angedacht war ein quadratischer, 120 x 120 Meter großer Platz mit einer sechsgeschossigen Randbebauung und Arkaden im Erdgeschoss zur Beherbergung zahlreiche Einzelhandelseinrichtungen. Gleichzeitig waren Flächen für die öffentliche Verwaltung und eine Fachhochschule vorgesehen. Das zweite wesentliche Element stellten vom Platz abgehende Diagonalen dar, die die einzelnen Wegebeziehungen in die umliegenden Quartiere aufnehmen sollten. Als drittes städtebauliches Element schwebte den Architekten Hochhäuser mit 14 bis 22 Geschossen als Markierungs- und Orientierungspunkte vor. Letzlich fielen der riesige „Spanische Platz“, die drei Hochhäuser, eine Bibliothek, ein Kleinkunstzentrum und ein Schwimmbad aus Kostengründen dem Rotstift zum Opfer.
Zweite Berliner Großbaustelle nach dem Potsdamer Platz
Am 19. Oktober 1995 erfolgte dann der Startschuss für das damals nach dem Potsdamer Platz zweitgrößte Bauvorhaben Berlins. An den Entwürfen für die 24 Gebäudeblöcke waren insgesamt 12 Architekten beteiligt. Weil es zu viel in der unfertigen Hauptstadt zu tun gab, holte das Land Berlin eine Entwicklungsgesellschaft ins Boot: die MEGA AG. Nach rund drei Jahren Bauzeit waren 1998 mit dem Rathaus Hellersdorf (April), dem Marktplatz-Center (September) und der Alice-Salomon-Fachhochschule (Oktober) die meisten Hochbauarbeiten weitgehend abgeschlossen. Den Schlusspunkt setzte am 4. September 2000 das vom Land Berlin als Bauherr errichtete Oberstufenzentrum Gesundheit II.
Städtebauförderung brachte Grün in die Helle Mitte
Aufgrund der Insolvenz des Entwicklungsträgers im September 2002 blieb das Stadtteilzentrum viele Jahre unvollendet. Besonders schmerzhaft war das im öffentlichen Raum zu spüren. Zu den nicht fertiggestellten Maßnahmen, die lange Zeit das unfertige Bild der „Hellen Mitte“ prägten, gehörten vier von fünf Stadtplätzen. Mit Hilfe des Stadtumbau-Programms gelang es, zwischen 2004 und 2013 deren Gestaltung zu finanzieren. Die Kosten beliefen sich auf rund 2,4 Millionen Euro. Außerdem sollte als Ausgleichsmaßnahme für die steinerne „Helle Mitte“ ein Stadtpark südlich der U-Bahn-Trasse auf beiden Seiten der Riesaer Straße entstehen. Die MEGA AG war vertraglich verpflichtet, dort Investitionen in Höhe von 6 Millionen Euro zu tätigen. Dazu kam es aber nicht. Unter großen Kraftanstrengungen gelang es, die Gesamtfläche als Regine-Hildebrandt-Park (2006-2009) und Kurt-Julius-Goldstein-Park (2010) mit öffentlichen Mitteln in Höhe von etwa 2,4 Millionen Euro herzurichten.
Entwicklungspotenzial und Platz für Wachstum
Trotz aller Kritik gehört die „Helle Mitte“ zu den bedeutendsten Berliner Bauprojekten nach dem Mauerfall. Sie befindet sich heute in einem Veränderungsprozess, der die soziale Stabilisierung, die technische Erneuerung und die städtebauliche Weiterentwicklung zum Ziel hat. Insbesondere die Marktsituation im Einzelhandel, aber auch die heutige Gebäudesubstanz erfordern energieeffiziente und klimaangepasste Sanierungen sowie Umbau- , aber auch Umnutzungsmaßnahmen. Es besteht die Chance, soziale, kulturelle und Bildungsangebote ebenso wie das Spektrum an Dienstleistungen zu erweitern.
Platz für Wachstum ist ebenfalls da. So wird es bis 2024 durch zwei Erweiterungsbauten im Bereich Wissenschaft und Bildung einen Entwicklungsschub geben. Im Umfeld der „Hellen Mitte“ steigt gerade durch den Neubau von 2.400 Wohnungen die Einwohner*innenzahl erheblich. Auch direkt in der „Hellen Mitte“ schlummert laut Bebauungsplan noch Wohnungsbaupotenzial. So könnten die geplanten Baufelder entlang der Hellersdorfer Straße genutzt werden. Und wie wäre es mit einem Wohnhochhaus im Kreuzungsbereich am Alice-Salomon-Platz? Entsprechende Entwürfe gab es 1990 schon. Denn nur dort, wo auch gewohnt wird, entsteht Zentrumsflair.
Dr. Oleg Peters