Bezirk will Vorbild beim Energiesparen sein

Wie sich die Verwaltung auf den kommenden Winter vorbereitet

Bezirk will Vorbild beim Energiesparen sein

Marzahn-Hellersdorfs Energiebeauftragter Gerrit Furchert und Immobilienstadtrat Dr. Torsten Kühne
Marzahn-Hellersdorfs Energiebeauftragter Gerrit Furchert und Immobilienstadtrat Dr. Torsten Kühne

Weniger heizen, den Warmwasserverbrauch drosseln, Licht ausknipsen, weniger Strom konsumieren: Damit wir gut über den Winter kommen, prüft auch Marzahn-Hellersdorf verschiedene Möglichkeiten, den Energieverbrauch in den bezirkseigenen Immobilien zu reduzieren. 10 bis 15 Prozent lautet das Einsparziel. Ob und wie das machbar ist, verraten der bezirkliche Energiebeauftragte Gerrit Furchert und Bezirksstadtrat Dr. Torsten Kühne (CDU) im Interview.

 Bevor wir auf den Bezirk zu sprechen kommen, eine persönliche Frage: Haben Sie sich angesichts der Energiekrise vorgenommen, Ihr privates Verbrauchsverhalten zu ändern?

Dr. Torsten Kühne: Ehrlich gesagt fällt mir übermäßiges Einsparpotenzial auf Anhieb gar nicht ein. Mein energetischer Fußabdruck dürfte schon relativ klein sein: Ich bin Radfahrer, komme nur zum Schlafen nach Hause und dusche statt zu baden. Neu war für mich allerdings die Information, dass die Wassertemperatur gar keinen Einfluss darauf hat, ob die Hände beim Waschen richtig sauber werden. Darum habe ich mir vorgenommen, jetzt konsequent kaltes Wasser aufzudrehen und die Hände gründlich einzuseifen, um Keime abzutöten. 

 

Gerrit Furchert: Mir geht es da ähnlich. In meinem Job als Energiebeauftragter habe ich das Thema ja ständig auf dem Schirm. Übermäßig geheizt oder Strom verbraucht wird bei uns ohnehin nicht. Jetzt in der Krise verzichten wir zu Hause auf ausgiebiges Baden, weil Duschen weniger Wasser und Energie verbraucht. Für die Kinder ist das eine ganz schöne Umstellung.  

 

 Der Bundeswirtschaftsminister hat alle Behörden per Verordnung zum Energiesparen verdonnert. Was sind für Sie die wichtigsten Vorgaben?

Dr. Torsten Kühne: Wir orientieren uns an zwei Rechtsgrundlagen, denen in unserer Bürokratiehochburg Deutschland so wunderbar sperrige Titel wie Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung und Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung verpasst wurden. Die kurzfristigen Einsparmaßnahmen umfassen Raumtemperatur, Warmwasserversorgung und Beleuchtung in unseren bezirklichen Gebäuden. Einige Vorgaben sind auf jeden Fall noch interpretationsbedürftig. Meine Hoffnung ist, dass alle Detailfragen in der vom Senat gegründeten Energie-Task-Force geklärt werden und es ein Gesamtkonzept gibt, an dem sich alle Bezirke orientieren können.

 

 Wo bestehen denn Unklarheiten?

Dr. Torsten Kühne: Ein Beispiel: Das Warmwasser soll in öffentlichen Gebäuden abgestellt werden. Von dieser Regelung ausgenommen sind laut Kurzfristverordnung medizinische und pflegerische Einrichtungen, Kitas und Einrichtungen, in denen die Bereitstellung von warmem Trinkwasser „für die bestimmungsgemäße Nutzung“ erforderlich ist. Ob Schulen damit gemeint sind, ist Interpretationssache. Wir brauchen also unbedingt einheitliche Regelungen. Aus meiner Sicht sollte in Schulen weiter warmes Wasser fließen, wenn wir die Mensen nicht dichtmachen wollen. 

 

 Es wurden auch Höchstwerte für Raumtemperaturen in öffentlichen Gebäuden festgelegt. 

Dr. Torsten Kühne: Genau. Sie variieren zwischen 12 und 19 Grad Celsius – je nachdem wie körperlich anstrengend die Tätigkeit der Beschäftigten ist und ob sie bei der Arbeit überwiegend sitzen oder stehen. Für unsere Büros ist die Sache ziemlich klar. Das wird auf 19 Grad hinauslaufen. Anders sieht es zum Beispiel in den Stützpunkten der Kolleginnen und Kollegen im Straßen- und Grünflächenamt aus, die etwas mehr in Bewegung sind. Hier könnten auch niedrigere Raumtemperaturen infrage kommen. 

 

 Halten Sie die Heizempfehlungen für die Bürodienstgebäude denn überhaupt für sinnvoll?

Gerrit Furchert: Jedes runtergedrehte Grad bringt Schätzungen zufolge fünf bis sechs Prozent Energieeinsparung. Das ist nicht unerheblich. Fragt sich nur, was technisch überhaupt möglich und noch dazu kurzfristig umsetzbar ist. Es geht ja jetzt in erster Linie um den bevorstehenden Herbst und Winter. Seit Anfang August laufen die internen Prüfungen und Abstimmungen im Bezirksamt auf Hochtouren. Dabei ist schnell klar geworden, dass das unterschiedliche Temperieren einzelner Gebäudebereiche nur auf dem Papier funktioniert. Wer in Physik ein bisschen aufgepasst hat, weiß, dass es schwer wird, in den Büros konstant 19 Grad Raumtemperatur zu gewährleisten und gleichzeitig die Höchsttemperatur von 16 Grad in Fluren und Treppenhäusern nicht zu überschreiten. Beim Türöffnen strömt nun mal wärmere Luft in die geringer beheizten Bereiche. Das ist nicht zu verhindern.

 

Dr. Torsten Kühne: Fragt sich auch, welche Maßnahmen mit dem Arbeitsschutz, dem Infektionsschutz und anderen Verordnungen vereinbar sind. Wenn wir die Raumtemperatur absenken, wird im Winter gegebenenfalls nicht mehr ausreichend gelüftet, was kontraproduktiv beim Kampf gegen die Pandemie wäre. Da warten wir noch auf Empfehlungen der Senatsgesundheitsverwaltung. Wir sind uns aber schon jetzt im Bezirk einig, dass allein die vom Bund auferlegten Maßnahmen nicht zu den notwendigen Einsparungen führen werden. In diesem Winter kommt es daher ganz besonders aufs Nutzerverhalten an.

 

 Wie groß ist überhaupt die Bereitschaft des Personals, Energie auf Arbeit zu sparen?

Dr. Torsten Kühne: Unsere Mitarbeitenden haben bereits proaktiv eigene Vorschläge eingebracht. Dafür bin ich sehr dankbar. Unter anderem wurden Team- beziehungsweise Etagendrucker anstelle von Arbeitsplatzdruckern angeregt. Es ist wichtig, dass wir Maßnahmen gemeinsam mit dem Personalrat diskutieren, denn es braucht die Akzeptanz der Beschäftigten. Nur wenn alle mitziehen und eigenverantwortlich handeln, sind höhere Einsparungen möglich.

 

Gerrit Furchert: Auch die Schulen machen sich derzeit sehr viele Gedanken und sind extrem engagiert. Dieses enorme Feedback zeigt, dass gerade ein Umdenken bei den Menschen passiert. Aktuell wird über zahlreiche Maßnahmen diskutiert, die vor kurzem noch undenkbar waren. Insofern ist die aktuelle Krise auch eine sehr große Chance, um die Energiewende voranzubringen. Ich kann nur hoffen, dass dieses Engagement nachhaltig ist und nicht im nächsten Jahr gleich wieder vergessen wird. 

 

Dr. Torsten Kühne: Das sehe ich genauso. Die Pandemie hat der Digitalisierung definitiv einen Schub verpasst. Auch diese Krise kann positive Veränderungen bringen – bei den Einsparungen, der Umstellung auf erneuerbare Energien und bei energetischen Sanierungen. Aktuell fehlt uns hier als Bezirk aber so ein bisschen die Mittelfristperspektive.

 

 Was genau wollen Sie denn anpacken?

Dr. Torsten Kühne: Für die Umsetzung der kurzfristigen Maßnahmen soll es zusätzliche finanzielle Mittel geben – zunächst nur befristet bis März 2023. Wir würden aber gern einige Dinge anstoßen, die etwas längeren Vorlauf brauchen. Dazu gehört die Bindung externer Dienstleister, die an Schulen Veranstaltungen zum Energiesparen durchführen. Das Thema hat junge Menschen auch schon vor dem Ukraine-Krieg interessiert, woran die Fridays-for-Future-Bewegung einen nicht unerheblichen Anteil hat. Wir wollen da anknüpfen.

 

Gerrit Furchert: Neben den energetischen Sanierungsmaßnahmen gemäß unserer Sanierungsfahrpläne hätten Energiesparprojekte an Schulen auf jeden Fall eine Multiplikatorfunktion.  Wenn wir die Kinder und Jugendlichen informieren und aufklären, tauschen die sich darüber zu Hause mit ihren Eltern aus. Diese überdenken dann vielleicht auch ihr Handeln und reden mit Freunden und KollegInnen und immer so weiter. 

 

Dr. Torsten Kühne: Ein bisschen mehr Tempo wäre auch bei den Photovoltaik-Anlagen auf bezirkseigenen Gebäuden wünschenswert. Gemeinsam mit den Berliner Stadtwerken haben wir ein neues Paket mit 60 Standorten geschnürt. Allein in diesem Jahr sollen 15 neue Anlagen entstehen. Der Modulare Ergänzungsbau des Otto-Nagel-Gymnasiums bekommt Solarzellen aufs Dach und auch das Bürodienstgebäude in der Riesaer Straße. Wir hätten schon weiter sein können, wenn in der Vergangenheit mehr Geld zur Verfügung gestanden hätte. Jetzt sollten wir den PV-Ausbau unbedingt beschleunigen. Die Notwendigkeit dürfte jedem bewusst sein.

 

 Die öffentliche Verwaltung verbraucht bei Weitem nicht die meiste Energie in Marzahn-Hellersdorf. Lohnt sich all der Aufwand überhaupt? 

Gerrit Furchert: Ja, die bezirklichen Liegenschaften machen nur zwei Prozent des bezirklichen Gesamtverbrauchs aus. Die größten Energieverbraucher und Treibhausgasverursacher sind der Verkehr und die Privathaushalte. Aber darauf können wir ja keinen direkten Einfluss nehmen. Außerdem geht es auch um die Vorbildfunktion, die wir als Bezirk einnehmen wollen. 

 

 Sie haben kürzlich im Klimarat die Energiebilanz des Bezirks vorgestellt. Wie weit ist Marzahn-Hellersdorf von den Einsparzielen entfernt?

Gerrit Furchert: Im Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz ist definiert, dass alle Bezirke bis 2030 den Endenergieverbrauch der bezirklichen Gebäude gegenüber 2010 um 20 Prozent reduzieren müssen. Wir haben jetzt Halbzeit und sind bei einer Einsparung von 10 Prozent angelangt, was erst mal gut klingt, aber kein Wert ist, auf dem wir uns ausruhen können. Es liegt noch viel Arbeit vor uns und die schaffen wir nur mit gemeinsamer Bereitschaft und der notwendigen Finanzierung. Vor allem muss uns bewusst sein, dass noch einige bezirkseigene Objekte in den kommenden Jahren gebaut werden, wodurch sich der absolute Endenergieverbrauch wieder erhöht. Um das zu kompensieren, müssen wir mit dem, was wir jetzt umsetzen, also immer etwas besser sein.


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