Kaum Personal an Bord und die Arbeit wird immer mehr
Standesamt extrem überlastet
Heiratswillige, die sich ein Dreivierteljahr erfolglos um einen Eheschließungstermin bemühen und Hinterbliebene, die monatelang darauf warten müssen, ihre Angehörigen zu beerdigen: In den vergangenen Wochen ist das Marzahn-Hellersdorfer Standesamt aus den Schlagzeilen nicht herausgekommen. Nun hat der Bezirk auf die Berichterstattung reagiert und bestätigt, dass die Abteilung ziemlich auf dem Zahnfleisch geht.
Total unterbesetzt
Das „nominell kleinste Standesamt Berlins“ habe mit längerfristigen Personalausfällen zu kämpfen und leide unter „der mangelnden strukturellen Unterstützung der letzten Jahre“, heißt es in einer Anfang August veröffentlichten Mitteilung. Demnach befinden sich von neun Standesbeamten nur vier dauerhaft im Dienst. Außerdem gebe es zu wenig Sachbearbeiter, dafür aber immer mehr zu tun im wachsenden Bezirk. Zurückgeführt wird der erheblich gestiegene Arbeitsaufwand unter anderem auf den verstärkten Zuzug von Menschen mit geringen Deutschkenntnissen und die Zunahme des Schriftverkehrs in der Pandemie.
Großer Antragsstau
Die Anträge jedenfalls stapeln sich: Das Standesamt bezifferte die Rückstände zuletzt auf 355 angezeigte Sterbefälle, 122 auszustellende Geburtsurkunden und 254 Anmeldungen zur Trauung. Die Erteilung von Bestattungsgenehmigungen dauere in der Regel sechs Wochen. Unter der aktuellen Situation und der Berichterstattung würden die Mitarbeiter sehr leiden, schilderte Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) seine Eindrücke aus einem Gespräch mit den Bediensteten. Dabei sei deutlich geworden, dass diese sich ziemlich allein gelassen fühlen, so Lemm, der auch für Personal und Bürgerdienste zuständig ist. Die CDU reagierte auf die Presseberichte der vergangenen Wochen mit deutlicher Kritik am Bürgermeister und forderte einen kurzfristigen Maßnahmenplan des Bezirksamts.
Geht‘s auch digitaler?
Erste Soforthilfe wurde inzwischen geleistet: Um die Menschen im Standesamt schnell zu entlasten, ist die Anzahl der Eheschließungstermine reduziert und die Telefon- und Präsenzsprechstunde kurzzeitig ausgesetzt worden. Kollegen aus anderen Bereichen springen im Standesamt ein. Außerdem hat die Senatsinnenverwaltung zugesagt, im Rahmen der sogenannten Notfallbestellung eine Dienstkraft des Landes Berlin nach Marzahn-Hellersdorf abzuberufen.
Mittelfristig werden vier zusätzliche Stellen für zwei Standesbeamte und zwei Sachbearbeiter geschaffen, die sich zum Teil schon in der Besetzung befänden, kündigte Lemm an.
Gegenüber der Landesregierung will er sich zudem für mehr Digitalisierung im Standesamt einsetzen. Er regt zum Beispiel eine Online-Übermittlung von Geburtsanzeigen und Sterbefällen an. Aktuell müssen alle Informationen in Papierform gelesen und händisch eingetragen werden.