Frauen, die uns inspirieren
Im Porträt: Medina Schaubert
Als wir Medina Schaubert zum Interview treffen, tobt der Krieg in der Ukraine seit drei Tagen. Die 35-Jährige Berlinerin ist ehrenamtliche Geschäftsführerin des Marzahn-Hellersdorfer Aussiedlervereins Vision e. V. und Nachkommin von Russlanddeutschen.
Sie hat die Katastrophe kommen sehen, als viele in Deutschland eine Invasion Putins noch für völlig abwegig hielten. „Spätestens seit der Annexion der Krim 2014 haben wir in bundesweiten Arbeitsgruppen die Lage regelmäßig analysiert und feststellen müssen, dass sich allein schon Putins Rhetorik zunehmend verschärft hat. Unsere Mahnung, es könnte bald knallen, wurde aber selten ernst genommen.“
Schätzungen zufolge leben in Marzahn-Hellersdorf 35.000 Aussiedler:innen mit russischen Wurzeln. Der Verein Vision e. V. mit Sitz in der Wittenberger Straße bietet ihnen eine Anlaufstelle, Geselligkeit, Orientierung und Unterstützung bei Behördenangelegenheiten.
In nächster Zeit, da ist sich die junge Geschäftsführerin sicher, werde der Ukraine-Krieg thematisch im Fokus der Vereinsarbeit stehen. „Wir haben schon bei der Krim-Krise die Spaltung von Familien in zwei Lager erlebt. Es wurde heftig gestritten. Teilweise konnten wir keine ruhige Veranstaltung durchführen und mussten ständig vermitteln“, erinnert sie sich.
Dass es unter den Russlanddeutschen noch einige Hardcore-Putin-Anhänger:innen gebe, führt die in Kasachstan geborene Medina Schaubert auf den jahrelangen ungefilterten Konsum russischer Staatsmedien zurück. Aber sie warnt auch vor antirussischen Ressentiments: „Mir ist schon berichtet worden, dass Mädchen und Jungen in Marzahn-Hellersdorfer Schulen von Lehrkräften und Klassenkameraden wegen des Konflikts angegangen wurden. Man darf nicht alle Russischsprachigen pauschal als Putin-Anhänger diffamieren. Die russische Sprache verbindet viele Völker der ehemaligen Sowjetunion mit ihren ganz unterschiedlichen politischen Ansichten“, erläutert Medina Schaubert. Auf die Vorfälle an Schulen reagierte sie sofort, arbeitete Argumentationshilfen für Kinder aus und gab diese an die Eltern weiter. Die nahmen die Hilfe dankbar an.
Obwohl sie mit ihrem ehrenamtlichen Engagement und der Anstellung als Chefarztsekretärin am Deutschen Herzzentrum eigentlich genug um die Ohren hat, sitzt die gelernte Arzthelferin als „Feierabendpolitikerin“ seit dieser Legislaturperiode für die CDU in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Sie ist im Jugendhilfeausschuss, im Ausschuss für Stadtteilarbeit und Soziales und sagt: „Ich finde, wir müssen mehr für das Zusammenwachsen der Kieze und das nachbarschaftliche Miteinander tun.“ Auch in ihrem Verein seien die Verantwortlichen davon weggekommen, sich mit Veranstaltungen ausschließlich an Aussiedler:innen zu richten. „So ein Fest für alle ist doch viel schöner: Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen kommen zusammen, lernen einander kennen, bauen Vorurteile ab und verstehen sich am Ende besser.“
Apropos Vorurteile: Richtig auf die Palme bringen Medina Schaubert Klischees über Marzahn-Hellersdorf. „Unser Bezirk lässt sich sehen und hat so einiges zu bieten. Wir müssen niemandem etwas beweisen“, sagt sie. Ihr Lieblingsort ist der Marzahner Mühlenberg. „Als wir als Familie 1997 in Deutschland landeten, führte unser erster Weg von Tegel nach Hellersdorf an der Mühle vorbei. Ich war hin und weg.“ Solche Orte und gut erhaltene Mühlen, wie aus einem Bilderbuch gab es im südlichen Kasachstan nicht. „Manchmal, wenn ich am Wochenende in Marzahn-Hellersdorf unterwegs bin, fahre ich extra zur Mühle, mache Fotos oder setze mich einfach mit einem Kaffee auf den Berg.“