Frauen, die uns inspirieren
Im Porträt: Kurda Nejad
Ganz früher wollte sie Friseurin werden, erinnert sich Kurda Nejad. Als sie dann aber mit ihrer Familie aus der Heimat Kurdistan nach Bad Wildungen in Hessen kam, rückten Zukunftsträume für die damals Neunjährige erst einmal in den Hintergrund. „Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Deutsch zu lernen und in der Schule zurechtzukommen“, sagt sie. Heute lebt die Zweifach-Mama in Berlin und leitet den interkulturellen Frauentreff ROSA in der Marzahner Promenade 45.
Das Projekt will Frauen mit Flucht- und Zuwanderungsbiografie stärken und fördern. Erst Anfang 2021 hat der Verein Frauenzentrum Marie die Trägerschaft übernommen und der 39-Jährigen die Verantwortung übertragen. Kurda Nejad findet die Aufgabe total reizvoll, weil sie hier ihre Erfahrungen einbringen und etwas völlig Neues aufbauen kann. „Ich kenne mich mit Integrationsschwierigkeiten und Hürden aus, weiß aber auch welche Chancen und Möglichkeiten es gibt.“ Sie selbst hat ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt und Geschichte und Kultur der Wissenschaft und Technik an der TU Berlin studiert.
Für viele, die im ROSA ein- und ausgehen, ist Kurda Nejad ein leuchtendes Beispiel für gelungene Integration. Damit auch sie sich eines Tages verwirklichen können, erhalten die Frauen direkt vor Ort, aber auch online Nachhilfe beim Deutschlernen, Tipps bei der Wohnungssuche, Beratung zu Bildung und Beruf und – ganz wichtig – Unterstützung bei der Kitaplatz-Suche, denn: „Ohne Betreuungsplatz für die Kinder kommen die Mütter nicht raus, können den Spracherwerb nicht angehen oder ins Berufsleben einsteigen.“
Beliebte Angebotsformate im interkulturellen Frauentreff sind das Sprachcafé und verschiedene Frauenkreise, die neuerdings von einer Psychologin begleitet werden. Hier können die Teilnehmerinnen zwei Stunden wöchentlich über wichtige Alltagsthemen und -probleme sprechen. Im Anschluss wird gemeinsam geplauscht, getanzt und Musik gehört. Ein wichtiges Anliegen war Kurda Nejad der Ausbau des Sprachcafés und die Aufteilung in verschiedene Niveaustufen. „Der Unterrichtsstoff in den Deutschkursen wird häufig zu schnell durchgenommen. Viele Frauen kommen nicht hinterher. Wenn sie dann bei den Hausaufgaben auf sich allein gestellt sind, ist die Verzweiflung und die Angst vor dem Scheitern groß“, berichtet die taffe Projektkoordinatorin, die künftig auch das Thema mentale Gesundheit stärker in den Blick nehmen will. Geplant sind professionell begleitete Selbsthilfegruppen und Workshops zur Achtsamkeit und Atemtechniken.
Für die Zukunft hofft Kurda Nejad auf eine bessere Projektförderung. Bislang bekommt ROSA 60.000 Euro jährlich aus dem bezirklichen Integrationsfonds. Und der soll eingestampft werden. Die Berlinerin mit kurdisch-iranischen Wurzeln ist sich sicher: Angesichts des anhaltenden Zuzugs von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte nach Marzahn-Hellersdorf könnte die geplante Streichung der Mittel der Gesellschaft später noch teuer zu stehen kommen: „Wer aber Frauen fördert, fördert auch deren Familien, vor allem die Kinder, und damit ganze Generationen.“