AWO Stadtteiltreff in Mahlsdorf will mehr junge Leute erreichen
Morgens Krabbelgruppe, abends Kaffeezeremonie
Es ist Dienstagmorgen, Viertel nach zwölf, als Karola Schulteisz ihre Seniorengymnastikgruppe für die allerletzten Übungen im AWO Stadtteiltreff am Hultschiner Damm 98 motiviert. „Zeigt mal, wie hoch ihr euer Bein bekommt“, feuert die Physiotherapeutin alle Teilnehmenden an. Kein Problem: Auf Stühlen sitzend strecken die Frauen und Männer jeweils ein Bein vom Körper weg und stützen es mit beiden Händen. Die Fußspitzen zeigen in Richtung Decke – so geht Beweglichkeit auch jenseits der 60!
Die meisten Seniorinnen und Senioren kommen in den Kurs, um aktiv zu bleiben und wegen des geselligen Aspekts. Ein paar Frauen verweilen nach dem Sport noch für einen kleines Schwätzchen draußen vor dem Stadtteiltreff. Begegnungsorte sind im Kiez ja rar gesät. Und in Pandemiezeiten ist es vielen nicht ganz geheuer, mit der Freundin im Café oder beim Bäcker zu sitzen.
Indes bereitet sich Karola Schulteisz auf die nächste Gymnastikeinheit vor. Es ist die vierte Seniorengruppe, mit der sie heute Sport treibt. „Die Kurse werden ausgesprochen gut besucht“, sagt Dr. Sufian Weise, Leiter des Stadtteiltreff. Aus dem Wochenprogramm sind sie genauso wenig wegzudenken wie das Kiezfrühstück am Mittwoch und die montäglichen Kaffeenachmittage. Doch das Haus der Begegnung in Mahlsdorf-Süd will – um es etwas überspitzt auszudrücken – mehr sein als ein reiner Rentnertreff. Sufian Weise ist im Herbst 2019 angetreten, um das Angebot auszubauen und gerade auch für ein jüngeres Publikum attraktiver zu machen: für Kinder, Jugendliche, Familien und berufstätige Erwachsene. „Es sind viele Familien hergezogen. Gut situierte Intellektuelle haben sich hier Häuser gebaut. Auch die brauchen einen Ort für Begegnung und Austausch.“
Befördert wird die Neuausrichtung durch ein 2020 gestartetes Finanzierungsmodell für die bezirklichen Stadtteiltreffs. Neben ihrer Basisausstattung können die Einrichtungen sogenannte Leistungspakete für inhaltliche Schwerpunktsetzungen beantragen, über deren Vergabe eine unabhängige Jury entscheidet. 10.000 Euro erhält der AWO Stadtteiltreff seither on top. Zusätzlich gibt es finanzielle Unterstützung von der Aktion Mensch, für die Sufian Weise schon seit vielen Jahren tätig ist.
Neu ins Programm aufgenommen wurde die Krabbelgruppe (Mo, 10-11.30 Uhr), der PC- und Smartphone-Kurs für Senioren (Di, 14.30-16 Uhr), Englisch für Anfänger (Fr, 10-12 Uhr) und kulturelle Begegnungen im Rahmen verschiedener Veranstaltungen. Außerdem stellt das AWO-Team einmal monatlich einen Ausflug auf die Beine. „Wir besuchen Orte wie das Denkmal der ermordeten Juden Europas oder das Deutsche Historische Museum, gehen ins Naturkundemuseum oder in den Tierpark.“ Auch die Gärten der Welt sind ein beliebtes Ausflugsziel. „Dort können wir die Natur bewundern und Vielfalt als Bereicherung wahrnehmen“, erklärt Sufian Weise. Die Unternehmungen sind also nie reine Erlebnisfahrten, sondern dienen der politischen und/oder kulturellen Bildung. In andere Kulturen eintauchen können Besucherinnen und Besucher bei Länderabenden. Vergangenes Jahr widmete der Leiter des Stadtteiltreffs seinem Heimatland eine Veranstaltung: Es gab einen Vortrag und äthiopisches Essen. Anschließend wurde eine traditionelle Kaffeezeremonie abgehalten und Live-Musik gespielt.
Als ausgewiesener Netzwerker weiß Sufian Weise natürlich um die Kraft von Kooperationen. Diese konnten in den zurückliegenden Jahren stetig ausgebaut werden. Gemeinsam mit Partnern in Mahlsdorf-Süd wie dem Bürgerverein, dem Jugendclub „Am Hultschi“, der Kirchengemeinde und der Volkssolidarität organisiert das Stadtteilzentrum Veranstaltungen und bemüht sich um eine gemeinsame Außendarstellung. Quartalsweise erscheint ein Flyer mit den Angeboten und Terminen der verschiedenen Akteure.
Auf Bezirksebene bringt sich das Stadtteilzentrum unter anderem in der im Herbst 2021 gegründeten AG Politische Bildung ein. Alle Jugendfreizeiteinrichtungen sowie weitere Vereine und Initiativen sind darin vertreten. Geplant ist unter anderem ein gemeinsames Statement mit dezentralen Aktionen am 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, zu setzen. Im Oktober soll zudem eine Veranstaltung stattfinden, bei der sich alles um die Stärkung von Kindern und Jugendlichen dreht.
Und auch sonst hat Sufian Weise noch jede Menge Ideen für neue Angebote in den Räumen der AWO und bei Partnereinrichtungen. Unter anderem schweben ihm monatliche Lesungen für Erwachsene und Filmabende für Jugendliche vor. Außerdem möchte er ein größeres Ausflugsprojekt beantragen, das sich explizit an Eltern mit Kindern richtet. „Ich denke da zum Beispiel an Besichtigungstouren, Schifffahrten oder auch ein gemeinsames Picknick“, erläutert Weise.