Kindergarten in der Kaulsdorfer Landréstraße:
Eine der ältesten Marzahn-Hellersdorfer Kitas ist nach der Rettung wieder am Netz
Die dreijährige Isa kann mächtig stolz auf Mama und Papa sein. Die beiden hatten ihrer Tochter versprochen, sich gemeinsam mit anderen Eltern „groß und stark“ zu machen, um die drohende Schließung des Kindergartens in der Kaulsdorfer Landréstraße doch noch zu verhindern. Gesagt, getan: Am 3. Januar wurden die Lichter in der kleinen Kita wieder angeknipst.
„Wir hatten einen super Start“, sagt Leiterin Silvia Richter. „Die Kinder haben es uns wirklich leicht gemacht. Sie kamen freudestrahlend an, sind mit uns so umgegangen, als würden sie das Team schon ewig kennen und hatten großen Spaß daran, uns ihre neue alte Kita zu zeigen.“ Thomas Knietzsch, Geschäftsführer des neuen Trägers JAO, ist sich sicher: „Ohne die Skandalisierung und den Einsatz der Eltern wäre das Haus jetzt dicht.“
EIGENBETRIEBE LIEßEN „BOMBE“ OHNE VORWARNUNG PLATZEN
Damit nimmt eine Geschichte, die im vergangenen Jahr für viel Aufsehen sorgte, doch noch ein glückliches Ende. Zur Erinnerung: Im Frühsommer 2021 hatten die Kita-Eigenbetriebe das Bezirksamt und 30 Familien aus dem Nichts mit der Nachricht überrumpelt, die Kita kurzfristig schließen zu wollen. Das Gebäude sei marode, der Brandschutz nicht mehr gewährleistet, die Heizungsanlage irreparabel, die Wasserleitungen sanierungsbedürftig und ein Weiterbetrieb unter diesen Voraussetzungen nicht wirtschaftlich, hieß es. Die Elternschaft wehrte sich, widerlegte mit Hilfe eines fachkundigen Architekten die Aussagen des Trägers und entwickelte ein Sanierungs- und Kostenkonzept. Auch der Bezirk protestierte vehement. Die landeseigenen „Kindergärten Nordost” (KiGäNO) aber ließen sich von ihrem Kurs nicht mehr abbringen.
Letztlich signalisierten zwei freie Träger ihre Bereitschaft, die im Kiez dringend benötigten 30 Betreuungsplätze zu erhalten. Zwischen beiden Bewerbern entschied das Los. Die Jugendwerk Aufbau Ost gGmbH (JAO) durfte übernehmen. Allerdings nicht ganz nahtlos, denn nachdem der alte Betreiber die Kita Ende November endgültig verlassen hatte, musste das Gebäude schnell soweit ertüchtigt werden, dass im Januar die Wiedereröffnung erfolgen durfte.
Binnen 20 Tagen gelang JAO das, was vom Vorgänger zuvor mehrfach ausgeschlossen worden war: Mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand (ca. 25.000 Euro) konnte die 72 Jahre alte Kita wieder in Schuss gebracht werden. Dem Schimmel an den Wänden ging es an den Kragen. Es wurden einige Heizkörper entfernt und an anderer Stelle Ventile ausgetauscht, zwei Holztüren durch eine Brandschutztür ersetzt, Fensterdichtungen erneuert, Elektroleitungen neu verlegt, eine Schiebetür zur Küche eingebaut, Waschbecken versetzt und marode Rohre beseitigt. Schließlich haben noch das Jugendamt und die Kitaaufsicht zwischen Weihnachten und Silvester ordentlich auf die Tube gedrückt und die Betriebserlaubnis erteilt.
Thomas Knietzsch ist zufrieden, wie alles gelaufen ist, und spricht von einem „Herzensprojekt“. Aber er muss auch feststellen: „Hier ist in den letzten Jahren überhaupt nichts mehr in den baulichen Erhalt investiert worden.“ Sogar auf eine undichte Gasleitung seien Arbeiter bei der Sanierung gestoßen.
Schon gewusst?
Der Kindergarten in der Landréstraße 9 wurde am 3. Oktober 1949 eröffnet. Das Gebäude hat sogar noch ein paar Jahre mehr auf dem Dach. Zwanzig Jahre zuvor soll Schneidermeister Luis Däbel in den Räumen seine Werkstatt eingerichtet haben. 1934 wurde diese dann zur Gaststätte umfunktioniert, behielt aber den originellen Namen „Nähnadelshöh“, ehe die Stadt Berlin Grundstück und Immobilie erwarb.
JAO HAT MIT DEM KLEINEN KINDERGARTEN NOCH VIEL VOR
„Wir sind alle sehr glücklich. Meine kleine Tochter ist wieder viel ausgeglichener.“ Die Kinder merken, dass nun alle zur Ruhe kommen, berichtet Andrea Brahm, die Mama von Isa, als kommissarische Elternvertreterin mit einem Augenzwinkern. Beim Gang durch die Kita fällt ihr sofort auf, dass in den vorher ziemlich zugestellten Gruppenräumen nun durch kleine Umbauten viel mehr Platz zum Lernen und Spielen für die Kinder entstanden ist. Bei aller Freude habe sie aber noch viel Wut im Bauch, gesteht sie im Gespräch mit der JAO-Geschäftsführung und der Kita-Leitung. Denn hinter der Familie und einigen anderen Eltern liegt ein extrem kräftezehrendes Jahr mit drei Monaten Lockdown, anschließendem Kita-Ärger und damit verbundenen zahlreichen Nachtschichten. Den Eigenbetrieben, die vom Land Berlin im 2,6 Kilometer entfernten Kummerower Ring eine funkelnagelneue Einrichtung hingesetzt bekommen haben, werfen die Eltern vor, bewusst Unwahrheiten verbreitet zu haben, um die alte Kita möglichst schnell dichtmachen und das dringend benötigte Personal für den neuen Standort abziehen zu können. Mit einer besseren Kommunikation und mehr Kompromissbereitschaft hätte der Träger den Familien viel Kummer erspart.
Doch jetzt heißt es nach vorn blicken. Einige Mädchen und Jungen sind mit ihren Erzieherinnen in den Kummerower Ring gegangenen. Ein Teil der Kinder besucht inzwischen andere Einrichtungen im Bezirk, weil die Eltern der Kita-Rettung wenig Chancen eingeräumt hatten. So ist das kleine Haus in der Landréstraße zunächst mit sechs Kindern, einer Leiterin, drei Erzieherinnen und der langjährigen Küchenfee gestartet. Die ersten Neuzugänge wird es im Februar geben. „Wir haben vier Eingewöhnungen“, kündigt Leiterin Silvia Richter an. Im Frühjahr, so der Plan, sollen dann alle 22 Betreuungsplätze belegt sein. Thomas Knietzsch und sein Team denken aber auch schon weiter. Der Wunsch ist, dass zukünftig bis zu 38 Kinder die Kita besuchen können, das Personal einen Rückzugsbereich bekommt und der Sanitärbereich optimiert wird. Dafür braucht es noch ein paar bauliche Anpassungen. Im März will JAO den Eltern ein Konzept vorstellen, wohin es mit der Kita gehen soll.