Bezirkliches Bündnis hatte zur Kundgebung aufgerufen
Protest in Helle Mitte gegen "Querdenken"-Demo
Ob mit Autokorsos oder sogenannten „Spaziergängen“: Auch in Marzahn-Hellersdorf sind regelmäßig Impfskeptiker, Pandemieleugner, Verschwörungstheoretiker, Esoteriker und Anhänger rechtsextremer Positionen auf der Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Doch allmählich formiert sich Widerstand. Am Montagabend kam es auf dem Alice-Salomon-Platz zum Gegenprotest.
Die Gruppe derer, die das „Querdenken“-Treiben nicht mehr unwidersprochen hinnehmen will, wird größer. Gegen die unangemeldete Demonstration der sogenannten „Montagsspaziergänger“ hatte das bezirkliche Bündnis für Demokratie und Toleranz unter der Überschrift „Unsere Alternative heißt Solidarität. Nein! zu Verschwörungsdenken und Spaziergängen mit Neonazis“ auf dem Rathausvorplatz in Helle Mitte zur Kundgebung aufgerufen. Ein kurzes Aufeinandertreffen beider Lager verlief abgesehen von einigen wenigen verbalen Auseinandersetzungen friedlich.
„Wer mit Nazis marschiert, hat die Krise nicht kapiert“
Der Gegenprotest sei keine Aktion gegen die Meinungsfreiheit, betonten mehrere Rednerinnen und Redner. „Jeder kann demonstrieren, wie er will, aber bei Verschwörungsideologien, bei menschenverachtenden Gedanken und beim Rumkuscheln mit Neonazis hört der Spaß auf“, rief ein Mitwirkender ins Mikrofon und forderte die bürgerlichen „Spaziergänger“ auf, sich nicht mit Rechtsextremen wie den Anhängern der Partei III. Weg oder anderen Demokratiegegnern zu solidarisieren. „Wer mit Nazis marschiert, hat die Krise nicht kapiert“, sagte eine andere Teilnehmerin, die sich für eine differenzierte Kritik an der Corona-Politik der Regierung aussprach.
Petra Pau mit Déjà-vu: Nicht die gleichen Fehler wie bei Pegida begehen
Ähnlich äußerte sich auch Petra Pau. Die Linken-Politikerin sagte, sie fühle sich aktuell stark an 2015 zurückerinnert und warnte davor, bei den „Querdenkern“ die gleichen Fehler wie damals bei Pegida zu machen und die Bewegung kleinzureden. Es würden eben nicht nur „besorgte Bürger“ durch die Straßen ziehen oder in ihren Autos freitagabends durch Marzahn-Hellersdorf kurven. Transparente, auf denen die Existenz des Coronavirus geleugnet werde, antisemitische Erzählungen einer jüdischen Weltverschwörung oder (verbale) Angriffe von Maskenmuffeln auf Supermarktangestellte – das alles gehe überhaupt nicht und könne nicht einfach hingenommen werden, mahnte Pau. Sie rief dazu auf, Haltung zu zeigen: „Ich weiß, es ist schwer und jeder hat das schon mal in der Familie oder im Freundeskreis erlebt, aber halten Sie im Alltag dagegen und unterstützen Sie diejenigen, die unser Gemeinwesen am Laufen halten.“
Querdenken-Demo wuchs von 40 auf 250 Personen an
Auch wenn der Gegenprotest mit etwa 70 Personen kleiner ausfiel als von den Initiatoren erhofft, zeigten sich viele Anwesende mit der Aktion fürs Erste zufrieden. Es sei erfreulich, dass sich die bisher eher schweigende Mehrheit endlich auch einmal im Bezirk lautstark artikuliert habe, meinte eine Teilnehmerin. Außerdem seien die Querdenker schneller als erwartet vom Alice-Salomon-Platz zu ihrem zuvor in Telegram-Chatgruppen angekündigten „Spaziergang“ aufgebrochen. Die Polizei zählte anfangs 40 Personen. „Die Gruppe lief anschließend durch den Ortsteil und wuchs auf etwa 250 Personen an“, berichtet Kriminalhauptkommissarin Anja Dierschke. Da Hygieneregeln zum Teil nicht eingehalten wurden, „erfolgten direkte und konsequente Ansprachen, was dazu führte, dass sich die Personen entfernten und gegen 19.30 Uhr niemand mehr festzustellen war“, teilte die Polizei mit.