Bezirksmuseum zeigt interessante Werke des Pressezeichners Emil Stumpp
In diesen Zeichnungen ist noch mehr zu sehen
In Alt-Marzahn zeigt das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf bis Juli eine beachtliche Zahl von Lithographien, also detailgetreu gedruckte Porträtzeichnungen, aus der Feder von Emil Wilhelm Stumpp (1886-1941) und versetzt die Besucher in die Zeit von Albert Einstein, Bertolt Brecht, der Bühnenschauspielerin Tilla Durieux, Gerhart Hauptmann, Arnold Zweig und Kurt Tucholsky.
Der wohl bekannteste Pressezeichner der Weimarer Republik war während seiner 16-jährigen „Aktivphase“ in den 1920er und 1930er Jahren vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens von Angesicht zu Angesicht begegnet. Gelobt wurde sein starker, aufrechter Charakter und manchmal beschrieb man ihn als unbändig ergriffen von seiner Arbeit. Mal- und Zeichensachen sollen praktisch immer griffbereit gewesen sein, um schnell mal ein Gebäude zu skizzieren oder Personen aller Gesellschaftsklassen zu zeichnen – zum Beispiel im Zug auf Dienstreisen.
An die 20.000 Werke, darunter Lithographien, Aquarelle und einige hundert Ölgemälde, gehören zum Nachlass, welcher sich auf verschiedene Museen und andere Institutionen verteilt. Das Emil-Stumpp-Archiv wurde gleich nach dem 2. Weltkrieg von Tochter Hedwig gemeinsam mit dem Mahlsdorfer Komponisten Kurt Schwaen aufgebaut, dessen erste Ehefrau sie war. Der Musiker schrieb postum über den Bildenden Künstler, dieser „konnte 24 Stunden hintereinander arbeiten”. – Man sollte meinen, der Maler hätte geahnt, dass ihm für die freie Entfaltung seiner Schöpferkraft nur Zeit bis 1933 blieb. Eine auf den ersten Blick eher harmlose, von den Nazis jedoch empört abgelehnte Hitlerzeichnung wurde ihm zum Verhängnis und beendete abrupt die Erwerbstätigkeit als Pressezeichner. Mit 55 Jahren starb er in einem Gefängnis des Regimes.
Kein Zweifel, Stumpp malte mit Herz, und das hatte er auf dem richtigen Fleck. Seine verehrten „Fotomodelle“ reduzierte er auf das Wesentliche und verriet hier und da seine Sympathie. Markant ist die ernst-introvertierte Körperhaltung des knapp 70-jährigen Heinrich Zille im Jahr 1927, ausgestattet mit der Ausstrahlung eines Mannes gerade mal kurz über die besten Jahre hinaus. Er starb zwei Jahre später. Unser heutiges Zille-Bild prägen jedoch Darstellungen eines gemütlichen, wohlwollenden Kiez-Opas. Oder der offene Gesichtsausdruck der Käthe Kollwitz, die zugleich die Arme kategorisch so verschränkt, dass man unweigerlich Zeichnungen wie „Nie wieder Krieg!“ denkt. Auch an der Lithographie von Joachim Ringelnatz, heute noch beliebt, bleibt in Marzahn der Blick des Ausstellungsgastes hängen. Obwohl der ziemlich verrückte Lebenskünstler offensiv nach außen ging und skurrile, expressionistische Werke schuf, machte Emil Stumpp das Sensible, Feingeistige sichtbar und verlieh seinem Ringelnatz auch mehr Frische. Übrigens erlitten beide Künstler ein ähnliches Schicksal, auch der Schriftsteller und Kabarettist bekam die ganze Härte des Systems zu spüren. Mit den Nazis war eben nicht zu spaßen.
Ute Bekeschus
Ausstellung bis 8. Juli 2022
Bezirksmuseum, Haus 2
Alt-Marzahn 55, 12685 Berlin