Plan gegen den Hausärzte-Notstand

Kassenärztliche Vereinigung fördert die Einrichtung neuer Praxen im Bezirk

Plan gegen den Hausärzte-Notstand

2G und Booster: Der Ansturm aufs Impfen ist momentan groß. Da in Marzahn-Hellersdorf Hausärzte fehlen, die bekanntlich ja auch gegen Covid-19 piksen, sind mobile Angebote wie der Impfbus hier in  Helle Mitte schwer nachgefragt. © pressefoto-uhlemann.de
2G und Booster: Der Ansturm aufs Impfen ist momentan groß. Da in Marzahn-Hellersdorf Hausärzte fehlen, die bekanntlich ja auch gegen Covid-19 piksen, sind mobile Angebote wie der Impfbus hier in Helle Mitte schwer nachgefragt. © pressefoto-uhlemann.de

„Wir nehmen keine neuen Patienten mehr auf!“ Diesen Satz hat während der zurückliegenden Jahre mancher gehört, der nach einem neuen Hausarzt suchte. Wer noch zum Patientenstamm eines niedergelassenen Arztes gehört, muss mitunter lange auf Termine warten. Besonders in den östlichen Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf herrscht seit langem Ärzteknappheit. Jetzt handelt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin und startet ein neuartiges Maßnahmenpaket.

Das umfangreichste Programm zur Verbesserung der Ärzteversorgung, das in Berlin jemals aufgelegt wurde, startet am 1. Januar 2022 und umfasst ein Gesamtbudget von 21 Millionen Euro. Auf eine Gesamtdauer von 15 Jahren berechnet, werden pro Jahr 1,4 Millionen Euro ausgegeben, um mehr Hausarztpraxen in die Bezirke mit dem gegenwärtig niedrigsten Versorgungsgrad zu bekommen. Das sind nach den Daten von 2020 Marzahn-Hellersdorf (89,4 Prozent), Treptow-Köpenick (83,6 Prozent) und Lichtenberg (82,4 Prozent). Der durchschnittliche Versorgunggrad mit Hausärzten liegt in ganz Berlin dagegen bei 105,2 Prozent. 

 

Mit den vorgesehenen Mitteln sollen Hausärzte finanziell unterstützt werden, die sich neu niederlassen oder eine Praxis übernehmen wollen. Vorgesehen ist auch, die Einrichtung von Zweigpraxen oder Praxen mit angestellten Ärzten zu fördern und nicht zuletzt auch den Nachwuchs (Details siehe Infokasten). Zudem will die KV Berlin eigene Einrichtungen betreiben und dafür Ärzte anstellen – ein absolutes Novum. Hierzu wurde eigens eine Gesellschaft, die KV Praxis Berlin GmbH, gegründet.

 

 

 

Der Ärztemangel im Berliner Osten ist seit mehr als zwei Jahrzehnten bekannt. Er resultiert unter anderem auch daraus, dass nach der Wiedervereinigung zahlreiche Ärzte aus dem Osten in Niederlassungen im Westteil der Stadt gingen. Nachdem der Mangel spürbar wurde, machte die Politik Druck. In der Amtszeit des damaligen Gesundheitssenators Mario Czaja (CDU) wurde der sogenannte „Letter of Intent“ (LOI) für eine bessere Versorgungssteuerung unterzeichnet. Das Instrument war aber nicht der große Wurf. Nur wenige Mediziner hatten sich um die rund 130 offenen Hausarztstellen in den unterversorgten Bezirken beworben. 

Ohne ausreichende Gegenmaßnahmen droht sich die Situation in den kommenden Jahren sogar noch zu verschärfen: Von den rund 2.500 niedergelassenen Berliner Hausärzten wird bis 2025 ungefähr ein Drittel aus Altersgründen in den Ruhestand gehen. Es wird also höchste Eisenbahn für den jetzigen Maßnahmenplan der KV.

 

Von Bezirkspolitikern wurde das Vorhaben begrüßt. Die langjährige Marzahn-Hellersdorfer Bezirksbürgermeisterin und Gesundheitsstadträtin Dagmar Pohle hat sich noch in den letzten Tagen ihrer Amtszeit dafür starkgemacht, dass die erste eigene KV-Praxis in Marzahn-Hellersdorf eröffnet. Als Standort schwebt ihr das historische Gut Hellersdorf inmitten des gerade kräftig wachsenden neuen Wohnquartiers vor. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Mario Czaja hingegen schlägt das ehemalige Haus der Gesundheit (Etkar-André-Straße) vor. Mit dem Gebäude hat die landeseigene Gesobau aber andere Pläne. Die KV will im November und Dezember mögliche Standorte in allen drei Bezirken prüfen. Bereits Mitte 2022 soll die erste Einrichtung eröffnen. Eine Informationskampagne unter Ärzten und Medizinstudenten wird ebenfalls vorbereitet. Vom Erfolg des gesamten Maßnahmenbündels hängt ab, ob die KV ein ähnliches Programm auch für Fachmediziner auflegt, bei denen gleichfalls in den genannten Bezirken Mangel herrscht. 

 

Harald Ritter