Eine Unterkunft ist längst noch kein Zuhause

Die Afghanin Fatemeh Jafari findet keine eigene Wohnung

Eine Unterkunft ist längst noch kein Zuhause

Fatemeh Jafari (r.) bei der Eröffnung des interkulturellen Frauentreffs Rosa
Fatemeh Jafari (r.) bei der Eröffnung des interkulturellen Frauentreffs Rosa

Nichts wünscht sich Fatemeh Jafari sehnlicher als eine eigene Wohnung. Vor sechs Jahren ist die Afghanin nach Deutschland gekommen. Sie hat fünf Kinder, von denen drei gehörlos sind, macht gerade ihren Mittleren Schulabschluss (MSA), um später als Krankenschwester arbeiten zu können, und lebt in der Geflüchtetenunterkunft an der Maxie-Wander-Straße in Hellersdorf. Doch da möchte sie nicht mehr bleiben. Vor allem weil ihr jegliche Rückzugsmöglichkeiten fehlen.

„In der Unterkunft hat man eigentlich nie seine Ruhe“, sagt die 39-Jährige. Tagsüber konzentriert zu lernen, sei für sie fast ein Ding der Unmöglichkeit. Besonders aufreibend war für Fatemeh Jafari der Lockdown-Alltag. Sich um die Familie kümmern, die vier schulpflichtigen Kinder im Homeschooling betreuen und selbst noch die Herausforderung Distanzunterricht für ihren MSA meistern – das alles habe sie an ihre Grenzen gebracht. Zwar ist inzwischen im Flüchtlingsheim wieder mehr Normalität eingekehrt, aber die Sehnsucht nach einem Zuhause – so ganz ohne Gemeinschaftsküche, geteilte Toiletten und geteilte Waschräume – bleibt. Sie wünsche sich „ein ruhiges Leben“, auch weil sie wisse, wie wichtig die eigene Wohnung neben dem Job und der Sprache für eine erfolgreiche Integration ist, bemerkt die Afghanin. Doch günstiger Wohnraum ist knapp in der Stadt und Flüchtlinge haben es aufgrund von Sprachproblemen und Diskriminierung bei der Suche doppelt schwer.  „Von mehreren Vermietern bin ich bereits weggeschickt worden mit dem Hinweis, ich solle mich online bewerben.“ Nichts hat bisher geklappt. 

 

Rosa – ein Ort für Beratung, Bildung und Begegnung

Man merkt der sonst so starken und lebenslustigen Frau die Verzweiflung an, wenn sie von ihrer Situation spricht. Gehör findet sie beim interkulturellen Frauentreff Rosa. Das Projekt will Frauen mit Flucht- und Zuwanderungsbiografie stärken und fördern. Seit 2017 existiert die Anlaufstelle bereits. Zu Beginn des Jahres hat das Frauenzentrum Marie die Trägerschaft übernommen. Für den Neustart wurden die Räumlichkeiten in einem Ladenlokal an der Marzahner Promenade 45 umfassend renoviert und neue Angebotsformate auf den Weg gebracht. Anfang Juni gab es eine kleine Eröffnungsfeier. 

 

„Unser Programm richtet sich nach den Bedarfen der Frauen“, sagt Projektkoordinatorin Kurda Nejad.  „Wir möchten, dass Frauen hier einen geschützten Raum haben, in dem sie sich entfalten können, wo sie Ansprechpartnerinnen finden – bei kleinen Problemen oder auch bei größeren und wo sie sich gegenseitig helfen“, erläutert die Berlinerin mit kurdischen Wurzeln.

 

Der Träger, für den Kurda Nejad arbeitet, bringt viel Expertise bei der Unterstützung von Frauen, Alleinerziehenden und Familien mit. Ein Fokus vom Frauenzentrum Marie e. V. liegt auf dem Bildungs- und Beratungsbereich. Jeden Dienstag von 10 bis 13 Uhr finden dazu nun auch bei Rosa Veranstaltungen, Beratung und Workshops statt. Weitere feste Größen im Wochenprogramm sind das Sprachcafé (Do, 17.30-19 Uhr) und verschiedene Frauenkreise. Kulturelle Events wird es ebenfalls geben. Alle sechs Wochen sind Angebote zur Frauengesundheit geplant und im Acht-Wochen-Rhythmus wollen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bezirksamt und andere Akteure unter dem Titel „Bei uns im Bezirk“ über bezirkliche Strukturen berichten.

 

Manja Finnberg, Koordinatorin des Netzwerks Alleinerziehende Marzahn-Hellersdorf, sagte zur Eröffnung der neu gestalteten Räume: „Ich freue mich sehr, dass es im Bezirk einen weiteren lebendigen, schönen, weiblichen Ort gibt.“ Auch für Alleinerziehende wird der Frauentreff künftig Beratung anbieten. Außerdem ist bei der Netzwerkerin das Bedürfnis groß, der Mama mit den fünf Kindern bei ihrer Wohnungssuche zu helfen. Deren Schilderungen seien ihr sehr nahegegangen, so Finnberg. „Fatemeh wendet ihr gesamte Kraft und Zeit dafür auf, sich und ihren Kindern gute Bildung zu verschaffen und damit eine berufliche Zukunft zu sichern. Eine Tochter besucht das Gymnasium, sie selbst hat bereits vier Praktika in der Pflege absolviert. Die langwierige und aufwendige Suche nach einer Wohnung in dieser Stadt kann sie nicht noch zusätzlich bewältigen. Hier braucht es dringend Unterstützung, vor allem von Seiten der Wohnungsunternehmen.“