Start für Berliner Modellprojekt mit dem Pharmariesen Novo Nordisk
Bezirk sagt Diabetes den Kampf an
Diabetes ist seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einer der bedeutendsten Volkskrankheiten weltweit geworden. Besonders in entwickelten Industrieländern wie Deutschland wird sie immer häufiger diagnostiziert. Schwerpunkt sind Ballungsräume. Marzahn-Hellersdorf gehört zu den Berliner Bezirken mit den höchsten Verbreitungsraten. Um dem entgegenzutreten, hat das Bezirksamt mit dem internationalen Pharmariesen Novo Nordisk jetzt ein Modellprojekt gestartet.
Der Bezirk ist das bislang einzige deutsche Mitglied des internationalen Netzwerks „Cities Changing Diabetes“, in dem 30 Partnerstädte weltweit aktiv sind. Im Sommer stellten das Bezirksamt und Novo Nordisk ihr gemeinsames Berliner Modellprojekt erstmals der Öffentlichkeit vor. Mit Daten zur Verbreitung von Diabetes im Bezirk wurde eine Grundlage für die Zusammenarbeit geschaffen. Vorgesehen ist, die weitere Entwicklung der Krankheit gewissermaßen in einem Berliner Mikrokosmos zu verfolgen, Methoden zu deren Bekämpfung zu entwickeln und die Wirksamkeit zu überprüfen. Dabei geht es bei weitem nicht nur um die medizinische Therapie. Gerade gesellschaftliche Bedingungen, die Diabetes fördern, werden ins Visier genommen.
Fast jeder hierzulande kennt in seiner Familie oder im Freundeskreis einen Diabetiker. Neben der Notwendigkeit der Einnahme von Tabletten oder dem täglichen Spritzen drohen Folgen wie die Amputation von Gliedmaßen und auch ein früherer Tod. Der Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Krankheit und Ernährungsgewohnheiten, Übergewicht und Fettleibigkeit ist allgemein bekannt.
In Berlin leben gegenwärtig rund 350.000 Diabetiker, knapp 30.000 davon in Marzahn-Hellersdorf – mit einem überraschenden Nord-Süd-Ergebnis. Denn von den Plattenbausiedlungen im Norden zu den Siedlungsgebieten im Süden nimmt die Häufigkeit von Diabetes zu. Vermutlich liegt das am höheren Durchschnittsalter der Siedlungsbewohner. Andererseits ist das Risiko zu erkranken auch in solchen Stadtteilen und Kiezen vergleichsweise hoch, wo viele arme Familien wohnen. Hier wird oft tendenziell weniger auf eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung geachtet.
Auf diesen Zusammenhang verweist auch Bürgermeisterin und Gesundheitsstadträtin Dagmar Pohle (Linke). Sie erwähnt Bemühungen im Bezirk hinsichtlich der Prävention – beispielhaft die „Essbare Schule“, ein Ernährungsaufklärungsprojekt der Caspar-David-Friedrich-Schule, sowie die „Winterspielplätze“ in Marzahn-Nord, welche junge Familien generationsübergreifend zur Bewegung animieren.
Eines der Hindernisse für die Behandlung, Diagnose und Bekämpfung von Diabetes im Bezirk ist die mangelhafte Versorgung mit Hausärzten. Diese stehen bei der Auseinandersetzung mit der Krankheit an vorderster Front. „Bei den neueren Gesprächen mit der Kassenärztlichen Vereinigung deuten sich hier Verbesserungen an“, erklärt Pohle.
„Wir müssen weniger die Medikamente und mehr die Lebensweise in den Fokus rücken“, sagt Christian Toussaint, Internist und Diabetologe in Marzahn-Hellersdorf. Dafür bedürfe es einer breiten Allianz aller gesellschaftlichen Kräfte.
Tobias Gemmel von Novo Nordisk verweist darauf, dass es neben Maßnahmen zur Diabetes-Prävention auch darum geht, die lokale Versorgungsqualität und die Versorgungsstrukturen zu verbessern. Jetzt müssten die ersten gemeinsamen Schritte getan und Lösungen entwickelt werden, um die Situation im Bezirk zu verbessern. Das langfristige Ziel sei, in Marzahn-Hellersdorf die Diabetes-Kurve deutlich abzuflachen.
Harald Ritter