Der Einzelkämpfer

Für Mario Czaja kann es nur über die Erststimme in den Bundestag gehen

Der Einzelkämpfer

Mario Czaja kandidiert zum ersten Mal für den Bundestag.
Mario Czaja kandidiert zum ersten Mal für den Bundestag.

22 Jahre Landespolitik sind genug. Der Mahlsdorfer CDU-Abgeordnete Mario Czaja will künftig im Bundestag möglichst viel für seinen Heimatbezirk Marzahn-Hellersdorf rausschlagen. Dafür muss der 45-Jährige den Wahlkreis direkt erobern. Es ist seine erste Kandidatur und die Konkurrenz hat es in sich: AfD-Stadtrat Thomas Braun rechnet sich Chancen aus und auch Linken-Politikerin Petra Pau, die bei den fünf vorangegangenen Wahlen in der Wählergunst jeweils vorn lag, will es noch einmal wissen. „Die Hellersdorfer“ hat den Ex-Gesundheitssenator zum Interview getroffen.

Seit 2018 sind Sie Präsident des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin. Zwei Jahre hielt sich das öffentliche Interesse daran eher in Grenzen. Jetzt sind Sie als Chef der Berliner Impfzentren ständig im Fokus. Wie geht es Ihnen damit?

Zweifellos ist es das anstrengendste Ehrenamt, das ich jemals angenommen habe. Aber ich finde diese Tätigkeit auch sehr schön und sinnstiftend. Hier beim DRK können wir unmittelbar Hilfe leisten – sei es bei einem riesigen Stromausfall, der Evakuierung von Menschen wegen eines Bombenfundes oder eben jetzt in der Pandemie, wo wir beim Impfen und Testen in der vordersten Reihe stehen.

 

Die allermeisten Berlinerinnen und Berliner loben die reibungslosen Abläufe in den Impfzentren. 

Die Resonanz ist wirklich überwältigend. Ganz wesentlich zum Gelingen dieser „Mission“ trägt bei, dass wir alle fünf Berliner Hilfsorganisationen unter ein gemeinsames Dach bringen konnten. Das DRK organisiert die sechs Impfzentren in der Stadt zwar federführend und ist für die Standorte in der Arena und in der Messe direkt verantwortlich, aber wir arbeiten eng und auf Augenhöhe mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) und dem Malteser Hilfsdienst (MHD) zusammen.

 

Die Helferinnen und Helfer vor Ort tragen alle die gleichen Westen, wenn auch in unterschiedlichen Farben. Was hat es damit auf sich?

Der einheitliche Look ist ein sichtbares Zeichen dieser besonderen Kooperation, bei der sich die einzelnen Hilfsorganisationen für den gemeinsamen Erfolg ein Stück weit zurücknehmen. Das heißt, die Einsatzkräfte lassen die Jacken, auf denen nur das Logo ihrer Organisation prangt, im Schrank und streifen stattdessen die Westen mit dem gemeinsamen Slogan „Wir helfen Berlin“ über. An den unterschiedlichen Farben lässt sich erkennen, wer mit welchen Aufgaben betraut ist. Die impfenden Ärzte tragen zum Beispiel Magenta und die Guides Orange. Man kennt solche Farbsysteme aus der internationalen Katastrophenhilfe, wo auch ganz häufig Menschen von überall her zusammenkommen und gemeinsam funktionieren müssen. Die Helferinnen und Helfer finden in allen Berliner Impfzentren die gleichen Farben und Abläufe vor. So braucht es auch keine lange Einarbeitungszeit, wenn zum Beispiel ein Johanniter aus dem Velodrom vorübergehend in der Arena aushilft. 

 

Seit Haus- und Betriebsärzte mitimpfen, stellt sich die Frage, ob es die Impfzentren überhaupt noch braucht.

Ich sehe weiterhin die Notwendigkeit dieses Dreiklangs. Andernfalls könnten wir die jetzige Geschwindigkeit nicht halten. Der Bund stellt die Kofinanzierung der Impfzentren voraussichtlich im September ein. Ob alle sechs Berliner Standorte so lange bestehen bleiben, hängt auch vom Tempo bei den Haus- und Betriebsärzten ab und davon, wie viel Impfstoff vorhanden ist. Aller Voraussicht nach sind wir bis zum Herbst mit der Aufgabe betraut, vielleicht sogar noch länger. Das hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Wir alle wünschen uns natürlich eine schnellstmögliche Rückkehr zur Normalität. Ich denke da gerade auch an unsere temporär eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Veranstaltungs- und der Kulturbranche, der Gastronomie und Clubszene. Die haben hier einen tollen Job gemacht, aber brennen nun verständlicherweise darauf, endlich wieder an ihren eigentlichen Arbeitsplatz zu können.

 

Aktuell wird das Impfen von Kindern und Jugendlichen heiß diskutiert. Sie sind selbst Papa. Wie ist da Ihr Standpunkt?

Ob man sein Kind, das noch 80, 90 Lebensjahre vor sich hat, impfen lassen möchte, ist sicher eine viel grundlegendere Frage als die, ob man als Erwachsener selbst die Ärmel hochkrempelt. Ich kann Eltern zumindest verstehen, die sich die Entscheidung nicht leicht machen und eine gewisse wissenschaftliche Evidenz lieber noch abwarten möchten. Auf keinen Fall darf es einen wie auch immer gearteten Druck auf Mütter und Väter geben. Den Kita- und Schulbesuch ans Impfen zu knüpfen, das ginge ganz klar zu weit.

 

Vor einigen Wochen waren Sie nicht nur als DRK-Präsident in den Schlagzeilen, sondern auch mit dem Streit um die CDU-Landesliste. Haben Sie da zu heftig reagiert?

Nein, das würde ich nicht sagen. Wenn die Berliner CDU wieder in alte Westberliner Verhaltensmuster zurückfällt und nur Kandidierende aus dem Westen auf der Landesliste berücksichtigt, darf man das doch nicht geräuschlos hinnehmen. 

 

Nun steht fest: Der Einzug in den Bundestag wird für Sie nur über die Erststimme möglich sein. Viele blicken gespannt auf das Duell Pau gegen Czaja.

Ich weiß, aber für mich ist das keine Entweder-oder-Frage. Petra Pau steht bei den Berliner Linken auf Listenplatz eins. Daher wird sie ziemlich sicher in den Deutschen Bundestag einziehen. Insofern können die Wählerinnen und Wähler mit ihrer Stimme entscheiden, ob nur eine Person ihre Interessen auf Bundesebene vertreten soll oder ob zwei Abgeordnete aus Marzahn-Hellersdorf nicht vielleicht besser wären. 

 

Was wollen Sie im Bund für unseren Bezirk rausholen?

Die Förderung für die Tangentiale Verbindung Ost (TVO) muss gesichert werden. Die läuft Ende 2021 nämlich aus. Nun kann man davon ausgehen, dass die Mittel nicht umgehend verfallen, aber der Wettbewerb um die Millionen wird größer, wenn wir beim Bundeshaushalt nach der Pandemie den Gürtel wieder enger schnallen müssen. 

Außerdem möchte ich größere Infrastrukturprojekte in den Bezirk holen, darunter eine Bundesforschungseinrichtung für den CleanTech Business Park, ohne die sich die Ansiedlung von Unternehmen auf dem Areal weiterhin schwierig gestalten wird. Und ich denke natürlich auch an das Freibad, das in unserem Bezirk so dringend gebraucht wird.

 

Wird das Thema Wohnen im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen?

Mein Eindruck ist, die Menschen im Bezirk bewegt eher, wie es um die öffentliche Infrastruktur bestellt ist, also um Kita- und Schulplätze, die TVO oder auch das Freibad. Wohnen und steigende Mieten sind seltener die ganz brennenden Themen, wenn ich mit den Bürgerinnen und Bürgern Gespräche führe.

 

Trotzdem haben Sie als Reaktion auf die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ kürzlich eine Gegenkampagne gestartet und den „Freundeskreis Wohnungsgenossenschaften“ gegründet. Dabei behauptet doch niemand, die Genossenschaften vergesellschaften zu wollen.

Die Bedenken sind aber berechtigt. Beim Zweckentfremdungsverbot und dem Berliner Mietendeckel hieß es zunächst ebenfalls, die Genossenschaften blieben davon unberührt. Letztlich wurden sie behandelt wie jedes andere Privatunternehmen auf dem Wohnungsmarkt auch. Warum sollte das gerade jetzt anders sein? Wir haben mit der Gründung des Freundeskreises einen Nerv getroffen. Es ist überwältigend, wie viele hundert Briefe und Anrufe allein in den ersten Tagen bei uns eingegangen sind. 

 

Sie halten nichts von der Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen und auch nichts von einem Mietendeckel. Der Berliner Wohnungsmarkt ist aber außer Rand und Band. Was also tun?

Ich sehe es so, dass das Enteignungsvolksbegehren nicht im Interesse von Marzahn-Hellersdorf ist, sondern von denen, die gern ihre schicke Altbauwohnung in Friedrichshain-Kreuzberg zu einem möglichst niedrigen Mietpreis behalten wollen. Außerdem schafft die Vergesellschaftung keine einzige neue Wohnung, schluckt dafür aber eine Milliardensumme. 

Ich plädiere eher dafür, ein Typenbaurecht zu schaffen, um schneller und preiswerter Wohnungen errichten zu können. Außerdem braucht Berlin ein stärkeres Dachgeschoss-Ausbauprogramm und mehr Wohnungen auf Discountern. Auch die Randbebauung des Tempelhofer Felds gehört noch einmal diskutiert. Es kann doch nicht angehen, dass in Tempelhof-Schöneberg und in Friedrichshain-Kreuzberg zusammengenommen entschieden weniger Wohnungen entstehen als in Marzahn-Hellersdorf, wo die die Flächen vielerorts schon stark verdichtet sind.

 

Verraten Sie uns zum Schluss noch, wie der Wahlkampf aktuell so läuft? Erstmals müssen Sie ja nicht nur die Menschen aus dem Siedlungsgebiet von sich überzeugen, sondern auch die Bewohnerinnen und Bewohner in der Platte.

Was ich in der Großsiedlung deutlicher spüre, ist eine größere Skepsis gegenüber dem politischen System. Es muss uns noch besser gelingen, die Menschen für die Demokratie zu begeistern, ihnen aufzuzeigen, dass es sich sehr wohl lohnt, zur Wahlurne zu gehen und sich zu engagieren. Alle demokratischen Kräfte im Bezirk stehen vor der Herausforderung, eine größere Wahlbeteiligung zu erreichen. Nehmen wir nur mal die letzten Abgeordnetenhaus-Wahlen: Die Zahl der abgegebenen Stimmen für die AfD hat sich im Marzahner Norden nicht großartig von den Wahlkreisen im Siedlungsgebiet unterschieden. Hier wie dort waren es um die 4.000 Stimmen. 

 

Aber?

Aber die Wahlbeteiligung ist in Marzahn-Nord um etwa 30 Prozent niedriger gewesen. So kam es, dass der AfD-Kandidat dort im Wahlkreis das Direktmandat errang, während die AfD-Kandidatin in Mahlsdorf und Kaulsdorf mit einer ähnlichen Stimmenzahl auf Platz drei verwiesen wurde. 

Mein Angebot richtet sich an alle, die nicht an den politischen Rändern stehen, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Ich möchte auch jene Menschen erreichen, die mit der Zweitstimme möglicherweise nicht die CDU unterstützen, aber es wichtig fänden, dass die Interessen unseres Bezirks von einem starken und auf Bundesebene bereits gut vernetzten Abgeordneten im Bundestag vertreten werden.