Dann steigt die große Sause halt nächstes Jahr

Der freie Träger JAO ist 30 Jahre alt geworden

Die große Sause steigt im nächsten Jahr

Es war eine kontaktarme Party, aber eine mit ganz viel Herz. Um den 30. Geburtstag trotz Corona gebührend zu feiern, hatte sich die Jugendwerk Aufbau Ost JAO gGmbH einiges einfallen lassen. Bereits am Wochenende vor dem Jubiläum wurden die knapp 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Hause mit Glückwunschkarten samt Losnummer überrascht. Am 10. Mai dann gingen über 600 gebundene Blumensträuße und 56 Torten auf große Reise durch Berlin – überall dorthin, wo der freie Jugendhilfeträger aktiv ist: in Marzahn-Hellersdorf, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Neukölln. 

Außerdem wurde am Morgen die extra für den Geburtstag erstellte Website mit Grußworten von Wegbegleiter*innen freigeschaltet (www.jao-berlin.de/30jahre) und eine große Online-Tombola veranstaltet. Hauptgewinn: zwei Urlaubstage. 

„Natürlich wäre uns eine große Feier mit der gesamten JAO-Familie und vielen Gästen lieber gewesen, aber ich glaube, wir haben das Beste daraus gemacht“, findet Thomas Knietzsch. Der Sozialpädagoge und Erziehungswissenschaftler ist dem Träger seit 23 Jahren verbunden und hat 2017 als Geschäftsführer die Nachfolge von JAO-Mitbegründer Rainer Rühlemann angetreten. Über seinen Job sagt er: „Ich habe echtes Glück, meine Berufung gefunden zu haben.“ Für JAO arbeiten zu dürfen, das sei „das pure Leben“. Die gemeinnützige Gesellschaft betreibt in Berlin 20 Kitas und vier Kinder- und Familienzentren, kann auf drei Tochterunternehmen verweisen, hat Sozialarbeiter*innen an 25 Schulen im Einsatz und bereichert mit etlichen Projekten und Aktivitäten insbesondere die Marzahn-Hellersdorfer Jugendhilfelandschaft. 

 

Stadtteilmütter helfen zugewanderten Familien

In Kürze geht JAO mit einem weiteren Unterstützungsangebot für Eltern an den Start: Die sogenannten Stadtteilmütter sind besonders auf Hilfestellungen für zugewanderte Familien spezialisiert und unterstützen diese dabei, sich in Deutschland zurechtzufinden. Denn aller Anfang ist schwer. Die Frauen haben selbst eine Migrations- oder Fluchtgeschichte und wurden speziell für diese Aufgabe qualifiziert. Sie geben Auskunft zu Themen wie Erziehung, Gesundheit, Kita und Schule, helfen bei Behördengängen, beim Ausfüllen von Anträgen und vielem mehr. „Ich glaube, das kann ein wunderbar nachhaltiges Projekt werden“, sagt Thomas Knietzsch. Letztlich geht es darum, durch die Stärkung der Eltern vor allem die Bildungs- und Teilhabechancen der Kinder zu verbessern.

 

JAO-Campus als Anlaufstelle und Begegnungsort

Absolutes Leuchtturm-Projekt des freien Trägers ist der JAO-Campus. Er wächst aktuell in der Nossener Straße 87-89 heran. Noch bis Herbst 2022 wird auf dem Grundstück eifrig gebaut. Inzwischen ist dort die Erweiterung des Schülerclubs „Schatzkarte“ fast abgeschlossen. Weiter geht es mit der Errichtung einer neuen Kita für 60 Kinder und dem Umbau des Bestandsgebäudes „Haus Aufwind“. Insgesamt fließen 3,5 Millionen Euro in das Vorhaben. Wenn alles fertig ist, beherbergt der Campus eine Fülle an Angeboten aus dem Portfolio des Trägers. Dazu gehören Hilfen zur Erziehung, Jugendhilfe rund um Schule, Familienbildung und Berufliche Orientierung. „Wir hoffen, damit auch Brücken zu bauen zwischen der Großsiedlung und dem Siedlungsgebiet“, so Knietzsch. Schließlich liegt die Hellersdorfer Einrichtung direkt an der Grenze zu Mahlsdorf und Kaulsdorf. Familien in den unterschiedlichsten Lebenslangen werden hier künftig eine Anlaufstelle und einen Begegnungsort finden.

 

Attraktiver Arbeitgeber 

Mit JAO angefangen hat alles 1991 in einem Marzahner Wohnzimmer. Aus dem kleinen Verein wurde über die Jahre ein großer Player auf dem Gebiet der Jugendhilfe in Berlin und ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen. Längst ist JAO den Kinderschuhen entwachsen, hat sich aber seine jugendliche Frische immer bewahrt. „Unser großer Vorteil gegenüber anderen Unternehmen ist, dass wir immer von jungen Klient*innen und Mitarbeiter*innen umgeben sind“, erklärt Prokurist Maik Riedel, der den Personal- und Finanzbereich bei JAO verantwortet. Er sagt, der Träger verstehe es, sich schnell neuen Gegebenheiten anzupassen und für Arbeitnehmer*innen attraktiv zu bleiben. „In den vergangenen Jahren haben wir den Fokus verstärkt auf einen gesunden Arbeitsplatz gerichtet“, schildert Riedel. 

 

Gesundheitsprävention – ein wichtiges Anliegen

Gemeint sind damit nicht primär Yoga-Stunden oder Zuschläge für Fitnessstudios, sondern gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten und die Stärkung des Wir-Gefühls im Unternehmen. Die Mitarbeiter*innen können das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement aktiv mitgestalten und bei „Lebensplanungsgesprächen“ schon Jahre vor dem Renteneintrittstermin gemeinsam mit den Vorgesetzten ihre Zukunft planen. Regelmäßig finden Willkommenstage für alle neuen Kolleg*innen statt. Der JAO-Firmenlauf ist fest etabliert. Es wurden Investitionen in Lärmschutz und Ergonomie am Arbeitsplatz getätigt. Außerdem nimmt JAO mit all seinen Kindertageseinrichtungen am Berliner Landesprogramm „Kitas bewegen – für die gute gesunde Kita“ teil. Dabei wird ganz besonders auch das Wohlbefinden der pädagogischen Fachkräfte in den Blick genommen.

„Bei uns kann man gesund alt werden“, ist sich Maik Riedel sicher.

 

Großer Traum: Hortbetreuung 

Welchen großen Traum sich der freie Träger noch erfüllen möchte, verrät Thomas Knietzsch: „Wir würden so gern irgendwann einmal einen Schulhort entwickeln und aufbauen dürfen.“ An einem entsprechenden Konzept ist in den letzten zwei Jahren getüftelt worden. Jetzt liegt es fertig in der Schublade und wartet nur darauf, umgesetzt zu werden. Der JAO-Geschäftsführer findet, die Zeit dafür ist reif. Zumal gerade jetzt einige neue Grundschulen im Entstehen sind. Die Kompetenzen bringt JAO zweifellos mit: „Wir kennen die Tagesbetreuung aus den Kitas, wir machen Schulsozialarbeit, haben Lernförderangebote und reichlich Sozialraumkenntnis.“ 

 

Kinder haben schwache Lobby

Die Ideen sprudeln also auch nach 30 Jahren noch unentwegt. Im nächsten Jahr soll dann die große Geburtstagssause nachgeholt werden – mit einer Fachkonferenz-Reihe und einem großen Fest für die Mitarbeiter*innen. „Unsere Kolleg*innen haben sich das mehr als verdient. Die vergangenen anderthalb Jahre waren für alle eine echte Herausforderung“, sagt Maik Riedel. Ob in den Kitas, der Jugendhilfe oder dem Kinderschutz: Es wurde sich reingehängt und so ziemlich alle waren bereit, unkonventionelle Wege zu gehen, um weiterhin für die Kinder, Jugendlichen und Familien da zu sein. „Außerdem haben wir in der Krise viel gelernt in der Kommunikation untereinander und mit den Eltern, aber auch was das politische Einmischen angeht“, merkt Thomas Knietzsch an. Corona habe viele Probleme wie unter einem Brennglas verschärft. Vor allem wurde in der Pandemie wieder deutlich, wie schwach nach wie vor die Lobby für Kinder ist. Sie sind die großen Leidtragenden der Krise. Die Diskussion um die Rückkehr zum Präsenzbetrieb vor den Sommerferien sei da nur ein Beispiel von vielen. „Es war für mich aus Kindersicht nicht nachvollziehbar, dass die Schulen nicht öffnen sollten, während Erwachsene teilweise wieder ins Stadion oder zu anderen Veranstaltungen durften“, so Knietzsch.