Kochsalz statt Lithium
Marzahn soll eine Batteriefabrik bekommen
Sind Salzwasserbatterien die natürlichen Akkus der Zukunft? Für stationäre Stromspeicher auf jeden Fall, findet ein internationales Konsortium rund um die Berliner Firma BAE. Und weil es bislang noch keine einzige Produktionsstätte in Deutschland gibt, soll die nun aus dem Boden gestampft werden. Aber nicht irgendwo, sondern an der Bitterfelder Straße in Marzahn für schlappe 39 Millionen Euro. Der Baubeginn ist für dieses Jahr geplant. Dem Bezirk könnte das 380 neue Arbeitsplätze bringen.
Franziska Giffey, Spitzenkandidatin der SPD für die Berlin-Wahl, war eine der Ersten, die von dem schon sehr konkreten Ansiedlungsvorhaben erfuhr. Ende April hatte die Bundesfamilienministerin auf ihrer Wahlkampftour „HerzenssacheBerlin“ in Marzahn-Hellersdorf Station gemacht und auch den CleanTech Park besucht. Dort stellten der Geschäftsführer von BAE Batterien, Jan IJspeert, Investor Peter Urban und Architekt Oliver Simon die Pläne vor.
Die in Marzahn hergestellten Salzbatterien sollen zum Beispiel in Gebäuden als Speicher für Solarstrom zum Einsatz kommen. Damit lässt sich die auf dem Dach erzeugte Energie speichern und verbrauchen, wenn keine Sonne scheint.
Von Peter Urban erfuhr Franziska Giffey, dass die auf Natriumchlorid basierende Technologie bereits in den 80er Jahren entwickelt wurde. „In den 90ern hat Daimler Benz damit Elektrofahrzeuge produziert.“ Da der Markt für die E-Mobile damals noch nicht reif war, wurde die Entwicklung jedoch nicht weiterverfolgt. Heutzutage werden Subventionen in Milliardenhöhe überwiegend für Lithiumbatterietechnik-Produktionen vergeben. IJspeert und Urban wünschen sich eine technologieoffene Förderung durch die öffentliche Hand. Denn die Vorteile von Salzbatterien seien beachtlich, sagen sie: Anders als Lithium-Akkus, die überwiegend Smartphones und Elektroautos am Laufen halten, können sie zu 100 Prozent kostendeckend recycelt werden und bestehen aus Rohstoffen, die alle in Europa verfügbar sind. „Diese Batterie brennt auch nicht und sie explodiert nicht“, so Urban. Außerdem gebe es keine Kapazitätsverluste. Die Politikerin zeigte sich verblüfft, was „stinknormales Kochsalz, das jeder in der Küche hat“, so alles könne.
„Das Unternehmen passt extrem gut hierher“, sagte Roland Sillmann, Geschäftsführer der WISTA Management GmbH, bei Giffeys Besuch. Die landeseigene Gesellschaft ist neuerdings für die Vermarktung der Flächen auf Berlins größtem noch freien Industrieareal zuständig. Bisher wurde diese Mammutaufgabe von der bezirklichen Wirtschaftsförderung gestemmt. Die Batteriefertigung wäre die zweite Ansiedlung am Standort. Bei der WISTA kennt man sich mit solchen Projekten wie dem CleanTech Park bestens aus. Das Unternehmen hat auch den Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof zum Florieren gebracht. „Mittlerweile ist WISTA ja eine Marke. Das kann nur gut für die Wahrnehmung des Standorts hier sein, weil sie gezeigt haben, dass sie es können“, bemerkte Giffey. Roland Sillmann bat Politik und Öffentlichkeit um Geduld. Auch Adlershof sei nicht über Nacht entstanden. „So etwas braucht Zeit und diese Zeit muss man einem solchen Ort auch geben.“ Großes Lob richtete er an die Wirtschaftsförderung. Mit ganz wenig Leuten habe man dort bislang die Entwicklung des Zukunftsortes gut gemanagt. „Ich kenne wenige Bezirke, die das geschafft hätten.“
Nach dem Termin im Industrie- und Gewerbegebiet ging es zum Ausflug ins Grüne. Begleitet von der Kreisvorsitzenden Iris Spranger, Bundestagsdirektkandidat Enrico Bloch und weiteren Genossen aus Marzahn-Hellersdorf besuchte die SPD-Landeschefin die Gärten der Welt. Park-Botschafterin Beate Reuber und Parkleiterin Kathrin Buhe führten den prominenten Gast durch einige Themengärten. Giffey erinnerte sich noch an die fulminante Auftaktveranstaltung zur IGA 2017 und offenbarte im Englischen Garten gärtnerisches Fachwissen. Im Besucherzentrum berichtete Stadtrat Gordon Lemm, was in dieser Wahlperiode alles getan wurde, um das Freibad-Projekt voranzubringen. Und er erläuterte, warum Marzahn-Hellersdorf die Anlage dringender braucht als zum Beispiel Lichtenberg. Im Nachbarbezirk buhlt man nämlich auch um den von den Berliner Bäder-Betrieben in Aussicht gestellten Multifunktionsbad-Standort für den Berliner Osten. Lichtenberg hat immerhin noch den Orankesee, warf Lemm ein, während es in Marzahn-Hellersdorf keine einzige legale Bademöglichkeit im Freien gibt. In einer Videobotschaft sagte die Anwärterin auf den Chefsessel im Roten Rathaus, sie nehme den Wunsch in den Wahlkampf mit – und auch in die Zeit danach.