Die Vorbereitungen für das bundesweite U18-Projekt laufen
Kinder und Jugendliche an die Wahlurnen!
Wie würden wohl Kinder und Jugendliche aus Marzahn-Hellersdorf wählen, wenn sie denn dürften? Die Ergebnisse der U18-Wahl verraten es. Am 17. September, neun Tage bevor die Erwachsenen ihre Kreuzchen machen, werden für Minderjährige an vielen Orten im Bezirk wieder selbstorganisierte Wahllokale öffnen. Mindestens genauso spannend wie der Ausgang der Wahl sind die Wochen und Monate davor. Denn zur Einstimmung auf das Ereignis gibt es wieder einige interessante Möglichkeiten für U18-Jährige, sich mit Demokratie, Politik und den Wahlprogrammen der Parteien auseinanderzusetzen – einen Podcast zum Beispiel und eine Podiumsdiskussion.
Von wegen politikverdrossen: Junge Menschen engagieren sich sehr wohl politisch, wenn sie das Gefühl haben, etwas bewegen zu können. Sie wollen mitgestalten und mitbestimmen. Das beste Beispiel dafür ist die Fridays-for-Future-Bewegung. Die Beteiligung Zehntausender Jugendlicher an der Klima-Bewegung hat auch die Debatte um die Absenkung des Wahlalters neu befeuert. Wie die allermeisten seiner Altersgenossen plädiert Jonas Knorr, Schüler am Melanchthon-Gymnasium, ganz klar für eine Herabsetzung. Der Klimaaktivist ist überzeugt davon, dass 16- und 17-Jährige reif genug sind, um an Wahlen teilzunehmen. Von einer völligen Aufhebung der Altersgrenze hält er jedoch nichts: „Das würde ich kritisch sehen. Bis zu einem gewissen Alter reden Kinder oft nur das nach, was ihre Eltern sagen.“ Die 17-jährige Esther Thomasius, Abiturientin am Wilhelm-von-Siemens-Gymnasium, pflichtet ihm da bei. Sie gibt ebenfalls zu bedenken, dass man in sehr jungen Jahren noch deutlich leichter beeinflussbar sei. Daher tritt auch sie für ein Stimmrecht ab 16 ein, mit dem es gelingen könnte, bei noch mehr jungen Leuten das Interesse für politische Fragestellungen zu wecken. In der Schule, sagen beide, kommt Politik als Unterrichtsfach nach wie vor viel zu kurz. Insbesondere für tagesaktuelle Themen sei wegen des straffen Rahmenlehrplans kaum Platz.
Top-Thema: Umwelt- und Klimaschutz
Gemeinsam mit Gleichaltrigen werben Jonas und Esther für die U18-Wahl im Bezirk. Unterstützt werden sie dabei vom Kinder- und Jugendbeteiligungsbüro Marzahn-Hellersdorf. Zum Projektauftakt Ende April verbreiteten sie kurze „Wahlwerbespots“ über die sozialen Medien. Jonas Knorr sagt in seiner Videobotschaft: „Die U18-Wahlen sind super wichtig, um zu zeigen, dass auch die Jugend eine politische Meinung hat.“ Sein Herzensthema ist der Umwelt- und Klimaschutz. Dieser müsse als Querschnittsaufgabe in allen Bereichen berücksichtigt werden, sagt er, und dürfe nie losgelöst von Fragen der sozialen Gerechtigkeit gestaltet werden.
Esther, die auch Mitglied im Bezirksschüler*innenausschuss ist, verrät, dass ihr neben Nachhaltigkeit und Klimaschutz vor allem Entwicklungszusammenarbeit und Bildungspolitik total wichtig sind. Als künftige Berufspolitiker*innen sehen sich beide aktuell eher nicht. Jonas könnte sich vorstellen, auf Bezirksebene, „vielleicht in der BVV“, aktiv zu sein und Esther will sich zwar weiter politisch engagieren, braucht dafür aber nicht unbedingt ein Parteibuch. „Ich kann mich derzeit einfach mit keiner Partei zu 100 Prozent identifizieren.“
Kinder und Jugendliche wählen anders als Erwachsene
Das Kinder- und Jugendbeteiligungsbüro Marzahn-Hellersdorf hat schon einige U18-Wahlen koordiniert. Leiterin Frauke Groner weiß, welche Parteien in den letzten Jahren vorn lagen: „In Marzahn-Hellersdorf ist der Trend eigentlich immer sehr klar gewesen“, sagt sie. „Bei Grundschüler*innen findet die Tierschutzpartei jedes Mal großen Anklang. Überhaupt sind themenbezogene Parteien wie etwa einst die Piraten für U18-Jährige interessant.“ Deshalb schaffen insgesamt mehr Splitterparteien die Fünf-Prozent-Hürde. Stärkste Kraft war meist die SPD. Bei der U18-Europawahl vor zwei Jahren landeten berlinweit die Grünen auf Platz eins.
Verschiedene Formate, um mit Politik ins Gespräch zu kommen
Um mit den Politiker*innen der verschiedenen Parteien über Ideen für eine jugendgerechte Zukunft ins Gespräch zu kommen und an sie ihre Erwartungen heranzutragen, haben sich die Teilnehmenden des U18-Wahlprojekts in Marzahn-Hellersdorf überlegt, die Bundestagsdirektkandidat*innen zu einer Podiumsdiskussion einzuladen.
Außerdem soll es einen Podcast geben, für den regelmäßig Politiker*innen interviewt werden. „In der ersten Folge wollen wir erst einmal darüber informieren, welche Wahlen überhaupt anstehen und welche Zuständigkeiten die einzelnen Volksvertretungen haben“, erläutert Esther mit Verweis auf das Superwahljahr. Denn nicht nur im Bundestag, auch im Berliner Abgeordnetenhaus und in den Bezirksverordnetenversammlungen werden im Herbst die Karten neu gemischt. Bei letzteren dürfen auch 16- und 17-Jährige mitstimmen. Da den Überblick zu behalten, ist gar nicht so leicht. Eine weitere Podcast-Folge wird Fragen rund um das geplante Kinder- und Jugendparlament in Marzahn-Hellersdorf zum Inhalt haben, kündigt Esther an. Denn bei der U18-Wahl sollen die Mädchen und Jungen auch darüber abstimmen können, ob sie für oder gegen die Gründung eines solchen Gremiums sind. Das wäre einer der ersten Kinder- und Jugendentscheide überhaupt, sagt Frauke Groner.