Katrin Fritz gibt Tipps zum Umgang mit der Krankheit
Herzensangelegenheit Demenz
Die meisten Menschen mit einer Demenz werden zu Hause betreut. Den Angehörigen verlangt das viel ab. Katrin Fritz will ihnen und den Erkrankten das Leben erleichtern. Die Sozialpädagogin und Gerontologin hat den häuslichen Betreuungsdienst „Home Instead“ nach Marzahn-Hellersdorf gebracht und ist auf den Umgang mit Demenz spezialisiert.
Frau Fritz, worauf sollte man bei der Betreuung von Demenzkranken unbedingt achten?
Ein wertschätzender Umgang, Empathie und Aufmerksamkeit sind das A und O. Ich orientiere mich sehr gerne an der Validations-Methode, die von der amerikanischen Gerontologin Naomi Feil begründet wurde. Sie verfolgt den Ansatz, sich in die Erkrankten hineinzuversetzen, „in ihren Schuhen zu gehen“, die „andere“ Realität anzuerkennen und dadurch auch Verständnis für herausforderndes Verhalten aufzubringen. In der Kommunikation sparen wir uns Kritik, Diskussionen und Vorwürfe, denn das führt erfahrungsgemäß zu nichts. Ernstgemeintes Lob, Ermutigungen und die Vermittlung von Sicherheit hingegen bestärken Demenzpatienten. Damit darf man gern großzügig umgehen. Eine weitere wertvolle Technik, die ich pflegenden Angehörigen vermittle, ist das Entschuldigen.
Wie meinen Sie das?
Nehmen wir mal an, eine demenzkranke Kundin bittet mich, ihren schwarzen Mantel zu bringen. Ich reiche ihr das Kleidungsstück, plötzlich aber schimpft sie: „Hören Sie nicht zu? Ich wollte doch den roten Mantel haben“. Damit die Situation nicht eskaliert, werde ich ihr nicht vorhalten, dass sie eindeutig „schwarz“ gesagt hat, sondern antworte: „Oh es tut mir leid, da muss ich Sie wohl falsch verstanden haben, entschuldigen Sie bitte.“
Das fällt vielen sicher schwer.
Die Kunst ist, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und das Bedürfnis zu haben, unbedingt alles klarstellen zu wollen.
Was brauchen Betroffene noch, um trotz der Krankheit ein gutes Leben zu führen?
Einen strukturierten Tagesablauf mit geregelten Uhrzeiten. Menschen mit Demenz gibt es Halt, wenn sie feste Bezugspersonen haben und wenn Routinen sowie alte Gewohnheiten beibehalten werden. Zu Hause sollte alles überschaubar und an einem festen Platz zu finden sein. War die Zahnbürste immer rosa, sollte sie es auch bleiben. Ich erinnere mich auch an eine Kundin, die wir eine ganze Weile nicht dazu bringen konnten, morgens zu duschen. Eines Tages wies eine Nachbarin darauf hin, dass diese Frau ihr Leben lang abends gebadet hat. Von da an war die Körperpflege kein Problem mehr.
Sie bieten regelmäßig Schulungen für pflegende Angehörige an. Wie läuft so ein Termin ab?
Das sind sehr praxisnahe zweieinhalbstündige Workshops mit maximal sechs Teilnehmenden. Denen gebe ich Tipps, wie sie den Alltag besser meistern und gute Rahmenbedingungen für das Leben mit der Krankheit schaffen können. Die Angehörigen berichten, welche Situationen sie als besonders herausfordernd empfinden, und genau die spielen wir gemeinsam durch. Am 2. und 10. Juni finden um 16.30 Uhr die nächsten Schulungen statt, sie sind unentgeltlich (Anmeldung: T. 235 925 080). Am 19. Mai halte ich außerdem im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Kontaktstelle PflegeEngagement einen Vortrag zum Thema „Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz“. Beginn ist um 15 Uhr (Ort: Janusz-Korczak-Straße 17, Anmeldung: T. 221 902 37).
Oft verlieren pflegende Angehörige sich selbst aus dem Blick. Wie lässt sich das vermeiden?
Ich ziehe meinen Hut vor allen, die ihre Lieben 24/7 zu Hause betreuen. Allerdings dauert eine Alzheimer-Demenz im Schnitt sieben bis zehn Jahre. Da ist die Gefahr groß, irgendwann die Grenzen der Belastbarkeit zu überschreiten. Stundenweise Betreuung oder auch eine Tagespflege bietet pflegenden Angehörigen die Möglichkeit, sich ohne schlechtes Gewissen eine Auszeit zu nehmen. Die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen wird über die Pflegeversicherung abgerechnet. Daher lautet meine Empfehlung: Lassen Sie die Demenz vom Hausarzt oder einem Facharzt möglichst frühzeitig diagnostizieren. Erstens kann damit ein Pflegegrad beantragt werden, und zweitens wirken Medikamente, die den Verlauf verzögern können, am ehesten im frühen Stadium der Krankheit.