Willkommen in der Großstadt-Wildnis

Caroline Thiem und Toni Becker sind die neuen Stadtnatur-Ranger*innen 

Willkommen in der Großstadt-Wildnis

Caroline Thiem und Toni Becker sind gerade auf dem Weg zu der Fuchshöhle, die sie beim letzten Streifzug durch die Hönower Weiherkette zufällig entdeckt haben, als ein Rotkehlchen ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. Es ist Anfang Februar, die Temperaturen liegen im zweistelligen Minusbereich und das Landschaftsschutzgebiet im Hellersdorfer Norden schlummert unter einer weißen Puderschicht.

Nur an einer Stelle haben Wildschweine die geschlossene Schneedecke gehörig aufgewühlt und damit ein kleines Paradies für das hungrige Rotkehlchen geschaffen. Ohne Scheu pickt es aus dem umgepflügten Boden Insektenlarven auf. Toni Becker zückt begeistert die Kamera und sagt: „Die haben nie versucht, Zugvögel zu werden, weil sie irgendwie immer klarkommen. Meist sind Rotkehlchen als erstes da, wenn man im Frühjahr den Garten umgräbt.“

 

VERSTÄNDNIS FÜR TIERE UND PFLANZEN VERMITTELN

Seit Dezember kümmert sich der 53-jährige Hobby-Ornithologe und Diplom-Geograph gemeinsam mit seiner Kollegin Caroline Thiem als Stadtnatur-Ranger um die Natur- und Landschaftsschutzgebiete in Marzahn-Hellersdorf. Regelmäßig ist das Duo im Wuhletal, an den Kaulsdorfer Seen und entlang der Hönower Weiherkette unterwegs, um die Fauna und Flora der Gebiete zu beobachten und zu kartieren. Von ihren wachsamen Augen profitieren auch das Ordnungs- und das Grünflächenamt. Regelmäßig gibt das Team Meldungen raus, etwa wenn sie auf illegal abgelagerten Müll stoßen. Hauptsächlich aber ist es die Aufgabe der beiden, bei Erholungssuchenden und Anwohner*innen Begeisterung für die Wildnis vor der Haustür zu wecken und Akzeptanz für den Naturschutz zu erzeugen. 

 

Zwar verteilen die Ranger*innen keine Knöllchen, aber sie sprechen die Leute freundlich an, wenn diese sich unachtsam verhalten. Enten füttern gehört dazu, genauso wie sensible Gebiete abseits der Wege durchstreifen oder den Hund überall frei herumlaufen lassen. 

„Es geht nicht darum, bloße Verbote zu erteilen. Wir möchten mit den Menschen ins Gespräch kommen und ihnen erklären, warum es vielleicht gerade keine so gute Idee ist, durchs Schilfröhricht zu gehen“, erklärt die 35-jährige Caroline Thiem. Die beiden Ranger*innen berichten davon, wie an vielen Orten im Bezirk immer neue Trampelpfade wertvolle Lebensräume von Flora und Fauna zerschneiden und welche Ideen es gibt, das zu verhindern. So könnten an einigen Stellen Zweige von beschnittenen Kopfweiden als Benjeshecke fungieren. Ein solcher Totholz-Zaun würde Habitate schützen und vielen Nützlingen ein Zuhause bieten. „Auf jeden Fall ist es ganz dringend notwendig, die Segmentierung der Naturräume zum Thema zu machen und an die Öffentlichkeit zu bringen. Es geht so viel kaputt“, klagt Toni Becker. 

 

EIN DUO, DAS SICH ZIEMLICH GUT ERGÄNZT

Über ihre Arbeit sagt Caroline Thiem, der Job sei genau das, was sie gesucht habe. Zuvor war die Hamburgerin beim NABU-Bundesverband angestellt, wo sie deutlich seltener draußen in der Natur unterwegs sein konnte. Mit dem in Friedrichshain aufgewachsenen Toni Becker, der schon lange darauf gewartet hat, dass Berlin Stadtnatur-Ranger*innen in den Großstadt-Dschungel schickt, ergänzt sich die Vegetationsbiologin prima: „Er kennt sich mit Tieren besser aus, ich mit Pflanzen.“ Arbeitgeberin der beiden ist die Stiftung Naturschutz Berlin, die das berlinweite Projekt im Auftrag der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz koordiniert. 

 

TOUREN UND SPRECHSTUNDEN FÜR NATURINTERESSIERTE

Für die kommenden Wochen haben Caroline Thiem und Toni Becker – die übrigens ganz leicht an ihrer olivefarbenen Outdoor-Kleidung zu erkennen sind – eine lange To-do-Liste. Schließlich erwacht die Natur gerade aus dem Winterschlaf. Da gibt es viel zu beobachten und zu dokumentieren. Mit Fernglas, Kamera, Tablet, Taschenmesser, Lupe und Bestimmungsliteratur sind sie da bestens ausgerüstet. Auch auf eine Wildtierkamera steht ihnen bei Bedarf zur Verfügung. 

Für interessierte Bürger*innen wollen die beiden Vollblut-Naturschützer*innen künftig thematische „Ranger*innen-Touren“ und Sprechstunden anbieten. Wer die beiden kennenlernen und mit ihnen die Gegend erkunden möchte, kann sich auch schon mal das zweite Juni-Wochenende (12./13.6.) fett im Kalender anstreichen. Zum Langen Tag der Stadtnatur haben sich Thiem und Becker Vogelbeobachtungen am Wuhleteich und Touren rund um die Kaulsdorfer Seen vorgenommen – vorausgesetzt Corona lässt es zu.