Quartiersmanagement legt jetzt mit den ersten Aktionen los
Neue Impulse für die „Alte Hellersdorfer“
Das Leben im Gebiet rund um die Alte Hellersdorfer Straße ist nicht immer leicht. Viele Menschen müssen hier mit wenig Geld auskommen. Die Wohnverhältnisse sind teilweise sehr beengt. Es gibt viele Alleinerziehende und fast die Hälfte der Kinder wächst in Armut auf. Gemeinsam mit der Bewohnerschaft, den Einrichtungen vor Ort und dem Bezirksamt soll nun ein vom Senat eingerichtetes Quartiersmanagement den Kiez im Hellersdorfer Nordwesten zwischen Landsberger Chaussee und Eisenacher Straße stabilisieren und voranbringen.
Dass ein solches Instrument installiert wird, darum hatte der Bezirk schon seit Langem gerungen. In Kürze werden die Quartiersmanager*innen Heike Gerth-Wefers, Rogério Lopes und Christiane Wichtmann ihr Büro in der Alten Hellersdorfer Straße 146 beziehen. Das dreiköpfige Team hat sich auf den Weg gemacht, herauszufinden, was den Kiez auszeichnet und was hier konkret gebraucht wird. Es stehen Fördermittel für verschiedene Projekte, Aktionen und Angebote zur Verfügung, von denen die Leute aus der Nachbarschaft profitieren sollen. Möglich sind aber auch bauliche Veränderungen, die vor allem darauf abzielen, die Aufenthaltsqualität im Wohnumfeld zu verbessern. Worin sie erste Schwerpunkte ihrer Arbeit sehen und mit welcher Aktion sie zum Auftakt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern in Kontakt treten, verraten die drei im
Interview.
Ihr Institut für Stadtplanung und Sozialforschung, Weeber+Partner, hat 15 Jahre lang rund um die Mehrower Allee das Quartiersmanagement verantwortet. Lässt sich einiges aus der Arbeit in Marzahn nach Hellersdorf transferieren?
Heike Gerth-Wefers: Es ist wahr, Neulinge sind wir nicht gerade. So ein Quartiersverfahren ist uns grundsätzlich sehr vertraut und wir kennen auch den Bezirk und die Ansprechpartner*innen in der Verwaltung. Aber die beiden Gebiete unterscheiden sich dann doch erheblich. Das verrät allein schon ein Blick auf die Sozialstrukturdaten. Während zum Beispiel entlang der Mehrower Allee eher viele ältere Menschen zu Hause sind, leben hier sehr viele junge Leute und Familien, teilweise in schwierigen Lebenslagen.
Sie alle drei sind neu in Hellersdorf. Welchen Eindruck haben Sie von Ihren ersten Rundgängen mitgenommen?
Rogério Lopes: Zunächst einmal war ich in städtebaulicher Hinsicht total positiv überrascht. Da hatte ich wohl doch eher Klischees im Kopf. Vor allem das Quartier südlich der Zossener Straße widerspricht dem. Dort sind dank der Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften durchaus attraktive Wohnviertel entstanden. Im Norden, wo die Häuser deutlich höher in den Himmel ragen, sieht es schon etwas anders aus.
Heike Gerth-Wefers: Natürlich ist uns auch das unglaubliche Baugeschehen in der Nachbarschaft nicht entgangen. Wie sich das auf die Bevölkerungs- und Sozialstruktur auswirkt, muss man auf jeden Fall beobachten. In jedem Fall ziehen mehr Menschen her, wodurch der Druck auf die Infrastruktur zunehmen wird.
Christiane Wichtmann: Es ist ein sehr vielseitiges Quartier mit relativ großen Freiräumen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich an einigen öffentlichen Orten die Aufenthaltsqualität noch verbessern ließe. Jedenfalls sehen wir eine ganze Menge Potenzial und freuen uns darauf, Strategien für das Gebiet zu erarbeiten und dann hoffentlich positive Entwicklungen anzustoßen.
Das QM-Team: Christiane Wichtmann, Heike Gerth-Wefers und Rogério Lopes
Inwiefern erschwert Corona für Sie die Arbeit?
Heike Gerth-Wefers: Unter normalen Umständen wären wir viel häufiger im Gebiet unterwegs, um mit den Einrichtungen und Akteur*innen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Jetzt finden unsere „Antrittsbesuche“ fast ausschließlich digital statt.
Rogério Lopes: Einen ersten Austausch gab es zum Beispiel schon mit den Familienzentren und dem Haus Babylon. Das sind tolle Ansprechpartner*innen für uns, weil sie sehr genau wissen, welche Themen die Menschen beschäftigen und mit welchen Problemen sie sich herumplagen. Auch die Zusammenarbeit mit Schulen, Kitas und Wohnungsunternehmen ist enorm wichtig. Da stehen noch einige Treffen an. Etwas komplizierter gestaltet es sich in der aktuellen Situation, auf die Bewohnerschaft zuzugehen.
Heißt das, Sie werden erst nach dem Lockdown mit den Menschen in Kontakt treten?
Christiane Wichtmann: Nein, eine erste kleine Aktion läuft auch schon. Wir haben Plakate mit der Aufschrift ‚Gefunden‘ an verschiedenen Orten angebracht und würden uns freuen, wenn viele Menschen diese entdecken, den Fundort fotografieren und uns mitteilen, was ihnen dort gut oder weniger gut gefällt. Die Idee ist, mit dem Aufruf erste Kontakte zu knüpfen und möglichst viele Meinungen zum Wohnumfeld zu erhalten. Alle, die mitmachen, bekommen auch ein kleines Dankeschön für die Teilnahme.
Wird es nach dem Lockdown noch eine große Auftaktveranstaltung geben?
Heike Gerth-Wefers: Ich denke, wir ziehen es vor, mit kleineren Formaten zu starten und dafür lieber häufiger Gelegenheit zu haben, mit den Leuten zu sprechen und zu erfahren, wo ihre Interessen liegen, was sie gern verändern würden und wobei man sie unterstützen könnte.
Wann und wo kann man Sie persönlich antreffen?
Heike Gerth-Wefers: Unser Büro befindet sich in der Alten Hellersdorfer Straße 164. Das ist gegenüber der Ehm-Welk-Bibliothek, direkt in der „Einflugschneise“ des Kaufparks Eiche. In den kommenden Tagen wollen wir die Räume beziehen. Sobald die Corona-Beschränkungen etwas mehr gelockert werden, stehen unsere Türen dann montags bis freitags allen Interessierten offen.
Was haben Sie sich für die kommenden Wochen vorgenommen?
Heike Gerth-Wefers: Bis Ende Juni müssen wir einen sogenannten Aktionsplan vorlegen, in denen Stärken des Gebiets, künftiger Handlungsbedarf und Ziele des Quartiersmanagements definiert sind. Deswegen sammeln wir gerade so fleißig Informationen und versuchen herauszufinden, was den Bewohner*innen auf den Nägeln brennt.
Haben Sie schon eine genaue Vorstellung, welche Schwerpunkte Sie für künftige Projekte setzen möchten?
Heike Gerth-Wefers: Ein besonderes Augenmerk wird sicher auf Angeboten für die zahlreichen Familien hier im Kiez liegen. Ganz intensiv beschäftigt uns aktuell die Frage, wie es den Eltern und ihren Kindern in der Corona-Zeit geht und welche Möglichkeiten sie haben, sich draußen zu begegnen. Gerade durch das ständige Aufeinanderhocken im Lockdown in teilweise sehr beengten Wohnverhältnissen sind Konflikte vorprogrammiert. Da wäre es schön, wenn es noch mehr attraktive Begegnungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum und Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität gäbe.