Die Letzten fühlen sich im Stich gelassen

Gewerbemieter-Mobbing am Cecilienplatz 10

Die Letzten fühlen sich im Stich gelassen

„Noch nie zuvor in meinem Leben habe ich mich so schlecht behandelt gefühlt“, sagt Sabine Böhm. Die Zahnärztin hat ihre Praxis am Cecilienplatz 10 und damit in einer dem Abriss geweihten Immobilie. Der Mietvertrag läuft noch bis 2024 und das scheint Eigentümer und Hausverwaltung offensichtlich nicht so recht zu schmecken. Obwohl noch immer nicht klar ist, wann die Gebäude für die neuen Häuser weichen müssen, werde schon jetzt systematisch versucht, sie aus den Räumen „rauszumobben“, beschwert sich die Medizinerin.

Tatsächlich ist die Liste ihrer Ärgernisse lang: Seit zwei Jahren schon sieht sich der Vermieter außerstande, den Aufzug zu reparieren. Sabine Böhm, die seit eh und je Wartungskosten für die Anlage zahlt, erhielt erst auf mehrfaches Nachfragen hin die Mitteilung, der Aufzug stehe nicht explizit im Mietvertrag und müsse demzufolge auch nicht zwingend instandgesetzt werden. „Ich habe versucht, mit meinen Anwälten dagegen vorzugehen, aber ohne Erfolg.“ Sie selbst und ihre Mitarbeiterinnen kommen zwar ohne Probleme die Stufen ins erste Obergeschoss hoch, aber für ihre vielen älteren Patienten wird der Aufstieg immer beschwerlicher. Einige sitzen im Rollstuhl. Sie werden von Angehörigen die Treppen hinaufgeschleppt. Andere mussten sich schweren Herzens eine andere Praxis suchen. „Das ist hochgradig geschäftsschädigend.“

 

Mit Entsetzen muss Sabine Böhm mit ansehen, wie das Gebäude auch sonst zunehmend verkommt. Die bei einem Einbruch im vergangenen November angerichteten Schäden im Objekt ließ die Zahnärztin vor wenigen Wochen auf eigene Kosten beheben, weil nichts passierte. Auf ihre Schreiben und Anrufe reagiert die Hausverwaltung mittlerweile kaum bis gar nicht mehr. Nach den Winterferien wurden Praxisschilder entwendet und Wände im Hausflur großflächig beschmiert. Dem Vermieter hatte sie eine Frist für die Beseitigung der Mängel gesetzt. Die ist längst verstrichen. Darum hat Sabine Böhm erneut selbst Handwerksfirmen damit beauftragt, alles wieder in Ordnung zu bringen. Es sei ein Alptraum, sagt sie kopfschüttelnd: „Ich zahle jeden Monat pünktlich meine Miete und muss so etwas ertragen.“ Um die 2.000 Euro hat sie schon aus eigener Tasche für Leistungen hingeblättert, die eigentlich der Vermieter erbringen müsste.

 

Die Masche ist natürlich nicht neu. Wenn Investoren neue Pläne für ihre Immobilien haben, aber noch langfristige Mietverträge bestehen, gibt es immer mal wieder schwarze Schafe, die Mieter vorzeitig aus ihren Räumen rauszudrängen versuchen, um keine Entschädigungen zahlen zu müssen. Oft sitzen die Betroffenen am kürzeren Hebel. „Auch ich bekomme immer wieder zu hören: Ja, das mit dem Gewerbemietrecht sei eine schwierige Sache. Da könne man nicht viel machen.“

 

Wenn es ganz dick kommt, kriegt Sabine Böhm sogar noch eine Klage an den Hals, weil sie als Mieterin nicht das Recht hatte, Reparaturen und Instandsetzungen in dem Gebäude zu beauftragen. Doch während viele Nachbarn schon aufgegeben haben und weggezogen sind, hält die Zahnärztin weiterhin die Stellung. So schnell will sie nicht einknicken. Wie lange sie noch durchhält, ist jedoch fraglich. Sabine Böhm fühlt sich im Stich gelassen – auch von der Politik. „Es geht ja nicht nur um unseren Aufgang. Das ganze Gebäude verfällt zur Ruine und niemanden scheint es so richtig zu interessieren.“