Anwohner rund um den Wilhelmsmühlenweg sind sauer:
Kaulsdorf: Grünes Licht für Gewerbekomplex
Noch liegt das Gelände des ehemaligen Kohleumschlagplatzes zwischen S-Bahnhof Kaulsdorf und Wilhelmsmühlenweg brach, doch das könnte sich bald ändern. Zwei große Geschäftshäuser mit einem Supermarkt sowie Platz für Büros und Arztpraxen möchte ein Projektentwickler aus Berlin-Schöneberg dort realisieren. Geplant ist zudem eine Tiefgarage und hinter dem Umspannwerk ein Boardinghouse mit 35 Betten. Ende Januar hat der Bezirk das Projekt genehmigt – sehr zum Unmut vieler Kaulsdorfer.
„Dieser Klotz ist ein Fremdkörper in unserem historisch gewachsenen Ortskern“, sagt Angelika Lindner. Diplom-Ingenieur Hans-Joachim Schröder pflichtet ihr da bei. Die beiden sind Mitglied einer Anwohnerinitiative, die sich gegen das in ihren Augen überdimensionierte Vorhaben formiert hat. „Aus meiner Sicht wäre es angebracht gewesen, sich an der Höhe der Nachbargebäude zu orientieren“, bemerkt Schröder. „Stattdessen übersteigen die Neubauten viele umliegende Häuser zum Teil um ein bis zwei Geschosse.“ Insbesondere mit der denkmalgeschützten Bebauung sowie den Ein- und Zweifamilienhäusern in der Umgebung würden sich die riesigen Baukörper nicht vertragen. Bauchschmerzen bereitet den Anwohnern noch dazu der Zustand der alten Wohnhäuser und der bereits stark ramponierten Planitzstraße. Sie könnten durch den Einsatz von schwerem Baugerät noch mehr Schaden nehmen. Über die Planitzstraße werden die großen Fahrzeuge aber zwangsläufig rollen müssen, weil die angrenzenden Straßen für den Schwerlastverkehr nicht ausgelegt sind.
Und es gibt noch einen weiteren Kritikpunkt: Angesichts des angespannten Berliner Wohnungsmarktes hält man in Kaulsdorf ein reines Gewerbehochhaus für nicht mehr zeitgemäß und plädiert für eine Mischnutzung mit Wohnungen. Der plötzliche Ruf nach Wohnungsbau verwundert die für Stadtentwicklung zuständige Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) ein wenig. Schließlich hätten die Anwohner diesen in der Vergangenheit teils vehement abgelehnt. „Stimmt nicht“, sagt Angelika Lindner, Ihr Protest richtete sich nie gegen Wohnungen per se, sondern gegen die Höhe und die Baumasse der Gebäude auf dem Grundstück.
Ursprünglich sahen die Pläne des jetzigen Investors CASADA GmbH sogar Wohnungen vor. Doch den 2019 eingereichten Bauantrag bewilligte das Bezirksamt nicht, weil der geltende Bebauungsplan massive Wohnnutzung im Gewerbegebiet schlichtweg nicht gestattet.
Zuletzt war das umstrittene Bauprojekt Mitte Januar noch einmal im Stadtentwicklungsausschuss Thema. Die Kaulsdorfer erfuhren dabei viel Zuspruch seitens der Politik. Es wurde ein parteiübergreifender Antrag beschlossen, der ein Treffen zwischen Ämtern, Investor und Bürgerinitiative mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung anregte. Über eine Sondergenehmigung für das Wohnen im Gewerbegebiet oder eine Nachjustierung hinsichtlich der Baukörpergröße hätte dort gesprochen werden können. Doch diese Zusammenkunft wird wohl nicht mehr zustande kommen. Der Bauantrag ist durch. Der Bezirk habe sich nach der Ausschusssitzung erneut an den Investor gewandt, berichtet Dagmar Pohle. „Er hat uns mitgeteilt, er sehe keinen weiteren Gesprächsbedarf und erwarte, dass sein Rechtsanspruch auf eine Baugenehmigung umgesetzt werde“, berichtet Dagmar Pohle. Dem ist das Bezirksamt nun nachgekommen.
Angelika Lindner und Hans-Joachim Schröder sind nicht nur enttäuscht, sie bezweifeln auch, dass die Gewerberäume in der Zeit nach der Coronakrise so begehrt sein werden. Was unbedingt vermieden werden müsse, sagen sie, sei Leerstand oder ein Bahnhofsmilieu im Erdgeschossbereich mit Spielcasino, Barbershop, Döner-Imbiss, Nagelstudio, Shisha-Bar und ähnlichem.
Aber noch hat die Anwohnerinitiative ja auch nicht aufgegeben. „Wir kämpfen weiter“, kündigt Hans-Joachim Schröder an. Drei Wochen ist noch Zeit, gegen die Baugenehmigung Widerspruch einzulegen. „Welchen Verfahrensweg wir da genau beschreiten, darüber müssen wir uns in den kommenden Tagen noch verständigen.“