Brauchen wir eine Verfassungsänderung? 18.500 Menschen sagen schon Ja
Petition fordert: "Kultur ins Grundgesetz"
Eine Initiative fordert die Aufnahme von Kultur ins Grundgesetz. Ihre Mitte Dezember gestartete Petition hat bislang über 18.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gewonnen. „Das ist ein guter Anfang, jedoch bedarf es noch vieler Stimmen, um unserem Anliegen Nachdruck zu verleihen“, sagt die Kaulsdorfer Kinderbuchautorin Claudia Opitz. Sie gehört neben Prominenten wie Wim Wenders, Konstantin Wecker, Gregor Gysi und Sebastian Krumbiegel zu den Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichnern. 50.000 Unterschriften werden benötigt.
Keine Konzerte, kein Theater, keine Ausstellungen und Museumsbesuche, kein Kino: Die Corona-Pandemie trifft den Kultur- und Kunstbereich besonders hart und entzieht unserem Alltag die Farbe. „Die letzten Monate haben uns schmerzhaft vor Augen geführt, um wie viel trister unser Leben wird, wenn Kunst und Kultur aus diesem verschwindet“, sagt Claudia Opitz. Sie spricht von einem „unschätzbaren Wert für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ und fordert gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern, den verfassungsrechtlichen Stellenwert von Kunst und Kultur zu stärken.
Es geht um Anerkennung, Förderung und Teilhabe
Zwar ist die Freiheit von Kunst und Kultur schon mit Artikel 5 im Grundgesetz verankert. Geschützt sind beide und die in ihr Tätigen dadurch aber nicht. In der Erklärung der Initiative heißt es dazu: „Kunst und Kultur können nur frei sein und ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, wenn ihnen die dafür notwendige Achtung und Akzeptanz auf bundespolitischer Ebene entgegengebracht wird. Bislang wird die Kulturförderung in weiten Teilen als freiwillige Aufgabe der Länder und Kommunen betrachtet.“ Wann immer die Kassen knapp sind, kommt es hier meist als erstes zu Streichungen und Kürzungen, wie auch Marzahn-Hellersdorfs Kulturstadträtin Juliane Witt (Linke) häufig beklagt. Sie hat die Petition ebenfalls unterzeichnet und wirbt für die Initiative mit dem Spruch: „Kultur ist wie der erste Kaffee am Morgen: Man fühlt das Leben und beginnt zu denken.“
Claudia Opitz erläutert, es gehe der Initiative keineswegs nur darum, die Kreativen zu alimentieren, „wie es derzeit dringend nötig ist, aber nur sehr halbherzig oder gar nicht passiert“, sondern auch darum, allen Menschen uneingeschränkte Teilhabe am kulturellen Leben und an kultureller Bildung zu sichern. Obwohl dieses Menschenrecht in der UN-Charta verbrieft ist, sei man hierzulande von der Schaffung der dafür notwendigen Chancengleichheit noch sehr weit entfernt, kritisieren die Kunst- und Kulturakteure.
Warum der Vorstoß diesmal anderer Natur ist
Anläufe, die Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen, hat es in der Vergangenheit mehrfach gegeben. Bislang sind die Vorstöße jedoch von Parteipolitikern gekommen, das sei diesmal anders, merkt Sebastian Köpcke an, der gemeinsam mit Claudia Opitz hinter der nicht nur bei Hellersdorfer Schulkindern bekannten Buchreihe „Das Zebra und der Kolibri“ steckt. „Unsere Initiative fand ihre initiale Zündung im Theater Adlershof und seinem Umfeld und wird nun erstmals von den Künstlern und Kulturschaffenden selbst getragen“, so Köpcke. Gerade finde sehr viel Austausch und bundesweite Vernetzung statt. Er hoffe, dass sich daraus langfristig Strukturen etablieren, „mit denen wir auch künftig unsere Belange klar und vernehmbar deutlich machen können."
Das Timing ist gut
Um ihr Anliegen vor dem Petitionsausschuss des Bundestages vortragen zu können, wäre es hilfreich, eine Zahl von 50.000 digitalen Unterschriften zu erreichen. Für eine Veränderung des Grundgesetzes braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat. Das dies kein leichtes Unterfangen ist, zeigte sich jüngst beim Thema Kinderrechte.
Das Vorhaben lohnt sich doch allein schon, um eine breitere Öffentlichkeit auf die Situation der Kunst- und Kulturschaffenden aufmerksam zu machen. Und die Kampagne kommt zum richtigen Zeitpunkt: „Krisensituationen sind immer sehr herausfordernde Situationen, aber wie überall sind schmerzliche Widersprüche Triebkräfte der Entwicklung. Insofern ist heute der Wunsch noch stärker ausgeprägt, in politisches Handeln zu kommen als noch vor Kurzem“, ist sich Claudia Opitz sicher.
Wer die Petition unterstützen möchte, kann das noch bis zum 13. Juni 2021 um 23.59 Uhr online auf der Plattform openPetition tun.
Hier die drei Forderungen im Überblick:
- Den Schutz von Kunst und Kultur als Grundrecht im Grundgesetz verankern
- Das Recht auf unbeschränkte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am kulturellen Leben und an kultureller Bildung als Grundrecht im Grundgesetz verankern
- Langfristige stabile Sicherungsinstrumente für Kunst- und Kulturschaffende etablieren sowie ein auf sie zugeschnittenes gesetzliches Regelwerk schaffen, das sie vor unverschuldeten Verdienstausfällen schützt.