Mit dem Fuß geht es auch

Ehm-Welk-Bibliothek zeigt Fotos von Sven Kocar

Mit dem Fuß geht es auch

Auf dem Balkon der Wohnung seiner Eltern am Blumberger Damm demonstriert Sven Kocar, wie er mit dem Fotoapparat arbeitet.
Auf dem Balkon der Wohnung seiner Eltern am Blumberger Damm demonstriert Sven Kocar, wie er mit dem Fotoapparat arbeitet.

Die Mittelpunktbibliothek „Ehm Welk“ zeigt gegenwärtig unter dem Titel „Lichtblicke eines Fußfotografen“ eine Ausstellung mit Fotos von Sven Kocar. Bei den Werken handelt es sich um sehenswerte Arbeiten mit besonderen Perspektiven auf die Dinge.

Kocar leidet seit seiner Geburt an einer Form der spastischen Lähmung. Hierdurch kann er besser mit den Füßen als mit den Händen einen Fotoapparat bedienen. Seine Arbeiten nutzt er auch, um zu zeigen, wozu Menschen trotz Behinderung in der Lage sind. 

 

Rein technisch betrachtet, klingt das, was Sven Kocar macht, ziemlich einfach. Statt mit den Händen bewegt er den Fotoapparat mit den Füßen und nutzt die Zehen, als wären es Finger. Dabei verwendet er eine Kamera mit ausklappbarem Monitor. So erhält er Kontrolle über das Bild und kann die ausgewählten Motive fokussieren. Kocar bevorzugt die Makrofotografie und gewinnt so interessante, oft überraschende Perspektiven auf die Welt.

 

 


Die Ausstellung „Lichtblicke eines Fußfotografen“

ist bis Freitag, 27. November, in der Ehm-Welk-Bibliothek

(Alte Hellersdorfer Straße 125) zu besichtigen.

Öffnungszeiten: Mo, Di: 13-19 Uhr, Mi, Do: 11-15 Uhr, Fr: 10-13 Uhr.

Die Corona-Regeln sind zu beachten. 


Seit frühester Kindheit kämpft der heute 40-Jährige gegen die Beschränkungen an, die ihm seine Behinderung auferlegt. „Am Anfang haben wir unterschätzt, wie viel Kraft und Initiative in ihm steckt“, sagt Vater Rainer. „Als uns bewusst wurde, wozu er fähig ist, haben wir alles unterstützt, was seinen Handlungsspielraum erweitert“, fährt Mutter Karin fort. „Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar“, sagt Sven Kocar. Nach wie vor besucht er seine Eltern gern in ihrer Wohnung am Blumberger Damm.

 

Er selbst ist inzwischen in Friedrichshain zu Hause. „Das wollte ich, um selbstständig zu sein“, erläutert er. Zweimal am Tag kommt ein Pflegedienst. Bei seinen Ausflügen zum Fotografieren in und um Berlin begleiten ihn Assistenten. 

 

Sven Kocar hat eine eigene Webseite und bietet seine Dienste als Fotograf sowie Poster seiner Fotografien an. Außerdem engagiert er sich für eine bessere Integration von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft. Er hat eine Ausbildung als Berater für Inklusion absolviert und ist Vorstandsvorsitzender des Vereins IN-Gesellschaft. Auf seiner Homepage schreibt er über Dinge, die ihn bewegen. Da wären zum Beispiel die zahlreichen falschen Vorstellungen und Verhaltensweisen, mit denen sich gehandicapte Menschen im Alltag konfrontiert sehen. Ein Beispiel: Wenn Kocar in der Öffentlichkeit fotografiert, stellt er die Kamera auf den Boden und bedient sie mit den Füßen. Dann lassen die ersten Passanten mit Fragen, ob alles in Ordnung sei, nicht lange auf sich warten. Durch seine Krankheit könne er unglücklicherweise schlecht sprachlich oder mit Mimik und Gestik angemessen reagieren. Mehrfach habe er auch erlebt, dass Leute nach seiner Kamera greifen. Diese und andere Erfahrungen möchte Sven Kocar irgendwann gemeinsam mit seinen Fotografien in einem Buch veröffentlichen.                   

 

Harald Ritter