Teil 3 unserer Rubrik „Ich hab da mal 'ne Frage“
Paartherapie trotz Trennung sinnvoll?
Mein Mann und ich, wir trennen uns. Die Kinder (5 und 9 Jahre alt) wissen schon Bescheid. Er hat auch eine neue Wohnung in der Nähe gefunden und zieht demnächst aus. Als es in unserer Beziehung heftig zu kriseln begann, hatte ich ihn mehrfach darum gebeten, mit mir eine Eheberatung aufzusuchen – keine Chance. Er wiegelte jedes Mal ab und meinte nur, so was würden wir nicht brauchen. Jetzt, wo es zu spät ist, wäre er dazu bereit. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll und befürchte, er könnte sich falsche Hoffnungen machen. Wie sehen Sie das: Kann eine Paartherapie trotz Trennung sinnvoll sein?
Das sagt der Experte:
Ja, ich denke, es kann für Sie sinnvoll sein, einen Experten oder eine Expertin hinzuzuziehen – entweder im Rahmen einer Paartherapie oder einer Trennungsberatung. Stellen Sie sich selbst noch einmal die Frage, ob die Trennung für Sie wirklich definitiv ist. Vielleicht gibt es noch ein Funken Hoffnung, aber die Wut und Enttäuschung über die ewige Verweigerungshaltung Ihres Mannes überlagert gerade alles. Wenn Sie für sich entschieden haben, dass es kein Zurück mehr gibt, müssten Sie ihm das auch ganz klar sagen. Wichtig wäre auch, dass Ihr Mann über seine „Sinneswandlung“ und die Motive spricht. Will er die Beziehung noch retten oder geht es ihm darum, dass sie beide im Guten auseinandergehen?
MATTHIAS MÜLLER-GUTH
ist Psychologe am SOS-Familienzentrum Berlin. In der „Hellersdorfer“ beantwortet er Fragen von Leserinnen und Lesern zu den Themen Paarbeziehungen, Familienleben und Kindererziehung. Brauchen auch Sie einen guten Rat? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail (redaktion@die-hellersdorfer.de) oder einen Brief („Die Hellersdorfer“, Döbelner Straße 4B, 12627 Berlin).
Da eine Trennung ein sehr komplexer und auch schmerzhafter Prozess ist, hilft es vielen Paaren, sich dabei professionell begleiten zu lassen. Oft entscheiden sich Eltern zum Wohl der gemeinsamen Kinder für ein solches Beratungsgespräch. Zu klären gibt es ja einiges: Wie wollen wir den Umgang regeln? Welche Betreuungsform wäre geeignet, also Wechsel-, Residenz- oder Nestmodell? Wer sieht die Kinder wann? Und so weiter. Außerdem muss sich darauf verständigt werden, wer welche Haushaltsgegenstände behält (du den Kühlschrank, ich den Laptop), wie die Trennung nach außen kommuniziert und mit den Kindern besprochen werden soll. Sie haben ja erwähnt, dass beide schon Bescheid wissen, aber glauben Sie mir: Das ist mit einem Mal nicht abgehakt. Die Fragen, warum sich Mama und Papa getrennt haben und was nun aus ihnen wird, kommen gerade in der Anfangsphase immer wieder auf. Die Kinder brauchen jetzt viel Zuwendung, Orientierung und müssen erfahren, was sich ab sofort für sie alles verändert und was bleibt. Ganz wesentlich ist, den Kindern die Sicherheit zu geben, dass ihnen kein Elternteil verloren geht. Sie sollten ihnen unbedingt auch ermöglichen, den jeweils anderen weiterhin liebhaben zu dürfen. Wenn Erwachsene nämlich anfangen, in Gegenwart der Kinder abfällig über den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin zu sprechen, kann sie das innerlich zerreißen.
Eine zentrale Frage in der Beratung kann darüber hinaus auch sein, wie es überhaupt zu der Trennung gekommen ist. Wir erleben in unserer täglichen Arbeit immer wieder, wie jahrelange Konflikte auch nach dem Ende der Beziehung weiter ausgetragen werden – leider nicht selten auf Kosten der Kinder. Oft liegt es daran, dass die Trennung nicht wirklich verarbeitet worden ist. In Einzel- oder gemeinsamen Gesprächen wird Raum für Emotionen wie Trauer, Wut und Enttäuschung geboten, über alte Verletzungen und offene Fragen gesprochen. Das kann helfen, respektvoll miteinander „Schluss zu machen“ und ohne Schuldzuweisungen oder Selbstbezichtigungen den neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
SOS-Familienzentrum Berlin
Erziehungs- und Familienberatung (EFB)
Alte Hellersdorfer Straße 77
Mo-Fr, 9-18 Uhr
T. (030) 56 89 10-0