Trotz riesiger Nachfrage: Theodorus Hospiz kann nur wenige Gäste aufnehmen
Ein Abschied in Würde
Deutschlandweit gibt es 240 stationäre Hospize, davon zwölf in Berlin. Eines davon ist das Theodorus Hospiz Marzahn (Blumberger Damm 231). In der Pflegeeinrichtung werden unheilbar Erkrankte auf ihrem letzten Weg begleitet. Der Personalspiegel liegt weit höher als in Pflegeheimen. Die Aufnahme erfolgt auf der Grundlage eines Gutachtens. Für 16 Betten sind 30 Vollzeitstellen vorgesehen, davon 22 direkt für die Aufgaben der Pflege. Weil zurzeit aber weniger Personal zur Verfügung steht, wird zugunsten der Betreuungsqualität die Zahl der Gäste entsprechend reduziert.
Im krassen Gegensatz dazu steht, dass Hospiz-Plätze hoch begehrt sind. Für das Hospiz in Marzahn sind monatlich bis zu 2000 Menschen angemeldet, die für das Endstadium ihrer unheilbaren Krankheit auf einen der wenigen Plätze hoffen. Die Kosten übernehmen die Krankenkasse, die Pflegekasse und der Hospizträger – insgesamt sind 95 Prozent abgedeckt. Für die restlichen fünf Prozent müssen Spenden eingeworben werden, erfuhr „Die Hellersdorfer“ im Gespräch mit der Pflegedienstleitung. Unser Eindruck: Die Leiterin Janette Eisenreich (35) und die Sozialarbeiterin Sina Chikar (33) strahlen Reife und mentale Stärke aus – Respekt vor diesen jungen, einfühlsamen Frauen!
Gäste würdevoll betreuen
Jeder Gast wird fachärztlich betreut, beispielsweise um Schmerzen zu lindern oder auf Wunsch einen Zugang für Nahrung zu legen. „Für die täglichen Verrichtungen geben wir überwiegend aktivierende Hilfe“, erklärt Janette Eisenreich. „Das dauert zwar länger, erhält aber die Würde unserer Gäste.” Hingegen sei in einem regulären Pflegeheim dafür keine Zeit, etwa für das selbstständige Zähneputzen eines an Demenz Erkrankten. Auch respektiere man im Hospiz stärker die Wünsche und Ängste. Mag ein Gast nicht duschen, so findet sich eine andere Lösung. Besonderes Augenmerk gilt dem seelischen Befinden. Zu den entlastenden Angeboten gehören Gespräche mit Hospiz-Mitarbeitern und weiteren Wunsch-Gesprächspartnern, beispielsweise mit Kirchenvertretern.
Angehörige einbeziehen
Die meisten pflegenden Angehörigen, oft sind es die Partner in einem hohen Alter, haben sich erschöpfend aufgeopfert, bevor sie nun die Arbeit und Verantwortung an das Hospiz abgeben. Überdies benötigen sie selbst seelisch zugewandte, sogenannte Entlastungsgespräche, die ihnen die Hospiz-Mitarbeiter anbieten.
„Entlastend ist es auch, wenn die angehörige Person mal nicht zu Besuch kommt, etwa weil endlich mal ein Friseurbesuch oder ein Arzttermin in eigener Sache anstehen oder einfach nur ein Spaziergang in freier Natur”, erzählt Sina Chikar. Als bereichernd empfinden es viele Angehörige, im Hospiz nun wirklich Zeit und Muße für den Erkrankten zu finden und sich ihm nun stärker auf der emotionalen Ebene zu widmen. Die Familienverhältnisse nehmen Einfluss auf den Zustand des Patienten und wirken somit auf die Betreuungsaufgaben im Hospiz. „Im Fall der Trauer vermitteln wir gern Angebote, wie etwa einen sozialpsychologischen Dienst”, so Sina Chikar.
„Die Hellersdorfer“ Leserin Uta Sopko, deren Mutter im Marzahner Hospiz weilte, schrieb uns über die Pflegekräfte und Sozialarbeiter: „Es ist schön, wenn man als Angehöriger sieht, wie mit Empathie, Fachwissen und Freundlichkeit sterbenden Menschen ein würdevolles Umfeld geboten wird. Keine bösen lauten Worte, immer ein offenes Ohr für Fragen jeder Art und eine intensive Sterbebegleitung bis zum Tod. Meine Familie und ich empfinden große Dankbarkeit für die liebevolle Pflege unserer Mutter.”
Jetzt noch voll genießen
Um den Aufenthalt des Gastes optimal zu gestalten, braucht es Feingefühl und gute Ideen. Angeboten werden: Musiktherapie, intensive Gespräche, Spaziergänge, kleine Einkäufe, Vorlesen, Basteln, Plätzchen backen, Ausflüge zum Beispiel in die Gärten der Welt oder in den Tierpark. Darüber hinaus machen Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer auch besondere Wünsche wahr und organisieren zum Beispiel im Hospiz eine Zusammenkunft im Familienkreis. Sie erleben hautnah traurig-schöne Facetten des Abtrennungsprozesses. Einer der Gäste war gerade Vater geworden und durfte das Neugeborene noch so oft es ging bei sich haben. Eine Frau wünschte sich einen TV-Krimi-Nachmittag, mit Popcorn, Snacks und Heißgetränken in Gemeinschaft. Einmal feierten sie im Theodorus Hospiz Marzahn eine Diamantene Hochzeit (60 Jahre) und ein anderes Mal sogar eine grüne Hochzeit – Zwei sagten „Ja!“ im Angesicht des Todes. Ein ehemaliger Feuerwehrmann machte noch einmal eine Tour im vertrauten Löschfahrzeug, die Kollegen halfen ihm dabei.
Die letzten Stunden
Während der Sitzwache im Sterbeprozess spüren die Mitarbeitenden, was gerade gebraucht wird, welche Ängste durchlebt und welche Bedürfnisse signalisiert werden.
Der große Abschied des Hospizgastes, schon körperlich eine immense Herausforderung, hat stets auch eine psychische Komponente. Manche kämpfen mit dem Tod. Andere lassen es geschehen und wieder andere lächeln beim Übergang in ihre andere Welt. „Die meisten unserer Gäste sterben mit einem friedlichen Gesichtsausdruck“, hat Sina Chikar beobachtet.
Einmal hatte sich ein ehemaliger Polizist gewünscht, in Uniform aufgebahrt zu werden. Dem sind die Hospiz-Mitarbeiter selbstverständlich nachgekommen, denn die menschliche Würde auch nach dem Tod aufrechtzuerhalten, ist ihnen ein großes Anliegen.
Leben mit dem Tod
„Meine eigene Endlichkeit möchte ich täglich intensiv leben“ – Janette Eisenreichs Familie mit drei Kindern bietet ihr naturgemäß einen lebensbejahenden Alltag. Im Rahmen ihrer Berufstätigkeit jedoch schlägt ihr Herz für die einfühlsame, letztbegleitende Hospizarbeit. Der Abschied von den Gästen sei nie einfach, jedoch nicht lebenszerstörend, sagt die junge Pflegedienstleiterin und erzählt, wie sie und andere Teammitglieder manchmal in den Nachthimmel schauen oder in vollen Zügen den Sonnenaufgang genießen. Die Sozialarbeiterin Sina Chikar findet sich nach vielfach begegnetem Tod in ihrem privaten Alltag wesentlich gelassener. Sie spricht von einer Schatzkiste der Hospiz-Erfahrungen und dem Erleben unverfälschter Emotionen wie Wut, Trauer, Verzweiflung und Hoffnung. Psychische Stabilität sei eine wichtige Voraussetzung für alle, die im Hospiz arbeiten.
Ehrenamtliche im Einsatz
Den Gästen im Theodorus Hospiz Marzahn stehen derzeit zwei Ehrenamtliche zur Seite. Interessierte, die psychisch stabil genug sind und sich vorstellen können, die Hospizmitarbeiter bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit zu unterstützen, werden herzlich willkommen geheißen.
Ute Bekeschus
t.h.marzahn@medinet-berlin.de
www.theodorus-hospiz.de