Umgestaltung soll im Sommer 2021 abgeschlossen sein
Dem Boulevard wird neues Leben eingehaucht
Die wenigsten Bewohner*innen kennen den Boulevard Kastanienallee noch als kleine florierende Geschäftsstraße. Bereits Ende der 90er, mit Eröffnung der Hellen Mitte, verabschiedeten sich Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungen aus der Fußgängerzone. Danach wirkte die Gegend eine ganze Weile ziemlich trostlos. Die sozialen Probleme verschärften sich. In den letzten vier, fünf Jahren aber hat sich im Kiez einiges getan.
Künstler*innen, Vereine und freie Träger zogen in die leerstehenden Ladenlokale. 2016 wurde ein Quartiersmanagement eingesetzt. Inzwischen gibt es in der Nachbarschaft wieder regelmäßig Projekte und Veranstaltungen. Nun verändert sich auch das Stadtbild: Die Gesobau lässt im Gebiet neue Wohnungen bauen. Der Senat und die Deutsche Wohnen investieren gemeinsam 600.000 Euro in neue Spielplätze und mehr Aufenthaltsqualität. Im Interview sprechen Lisa Weiß (re.) und Raik Berger (Mi.) vom Quartiersmanagement über die Umgestaltung.
Hier im Viertel leben 6.000 Menschen. Warum sieht man trotzdem so wenig Leute über den Boulevard schlendern?
Lisa Weiß: Was viele nicht wissen: Der Boulevard ist einst falsch konzipiert worden. Die Hauseingänge befinden sich nicht an der Fußgänger*innenzone, sondern auf der anderen Seite der Wohngebäude. Da wenig Nahversorgung vorhanden ist, sehen die Leute kaum einen Grund, dort zu flanieren. Darum braucht es mehr Orte der Begegnung wie etwa unseren mobilen Bauwagen für Gesprächsangebote, die „Kastaniette“, oder den Pavillon „Zur Spinne“ für nachbarschaftliche Aktivitäten. Zudem entsteht im Erdgeschoss des neuen Punkthochhauses ein Nachbarschaftstreff.
Die Bauarbeiten haben begonnen. Dem Ganzen ist ein großangelegtes Beteiligungsverfahren vorausgegangen. Wer durfte da mitreden?
Raik Berger: Wir konnten im Jahr 2017 den Verein „bwgt“ über eine öffentliche Ausschreibung gewinnen. Er hat es tatsächlich geschafft, sämtliche Zielgruppen anzusprechen. Es gab Themenspaziergänge für Bewohner*innen unterschiedlichen Alters, klassische Ideen- und Planungswerkstätten, Begehungen zur Barrierefreiheit mit Menschen mit Behinderung und viele andere Aktionen. Auch Schulklassen, Kitagruppen und der Jugendklub U5 haben mitgemacht.
Was stand ganz oben auf der Wunschliste der Menschen im Kiez?
Lisa Weiß: Über allem stand die Aufwertung des in die Jahre gekommenen Boulevards. Am häufigsten wurden der schlechte Zustand der Spielplätze und fehlendes Gewerbe bemängelt. Außerdem haben sich viele an der alten Kaufhallen-Ruine gestört. Dieser Schandfleck ist inzwischen ja weg.
Wo wird was gebaut?
Raik Berger: Die Erneuerung der Spielplätze direkt vor unserer Tür ist gerade in vollem Gange. Es entstehen drei verschiedene Spielinseln mit Geräten für kleine, mittlere und große Kids. Umgeben ist das Spielplatz-Band von einer Rollstrecke für Skater*innen. An anderen Stellen werden verschiedene Bewegungsflächen für Jung und Alt angelegt und Sitzelemente errichtet. Im nördlichen Teil des Boulevards sind zum Beispiel Parkour-Übungselemente vorgesehen und im südlichen Bereich vor der „Kita Springmäuse“ ein Calisthenics-Platz. Dort kann mit dem eigenen Körpergewicht trainiert werden. Der bestehende Spielplatz der Wohnungsgenossenschaft Wuhletal eG wird zudem durch zwei Hängematten ergänzt.
Wann sollen die Arbeiten abgeschlossen sein?
Raik Berger: Letzter Akt ist die Umgestaltung des zentralen Platzes. Er soll zu einem Treffpunkt und Aufenthaltsort für die Nachbarschaft werden. Mit der Aufwertung kann erst im kommenden Frühjahr begonnen werden, wenn die Wohnungen der Gesobau fertiggestellt sind und die Baustelle dort zurückgebaut ist.
Was passiert mit Ideen und Wünschen, die noch nicht realisiert werden können?
Lisa Weiß: Mit den 600.000 Euro lassen sich natürlich nicht alle Ideen umsetzen. Aber die Erkenntnisse aus dem Beteiligungsverfahren gehen nicht verloren, sondern sind in einem Konzept festgehalten.
Im Herbst sitzen wir wieder mit dem Quartiersrat zusammen, um zu besprechen, welche Themen wir 2021 bearbeiten wollen. Da geht es allerdings nicht nur um bauliche Maßnahmen, sondern auch und vor allem um soziale, kulturelle und Bildungsprojekte.
Welche Punkte, die den Bewohnern besonders wichtig sind, konnten bislang noch nicht berücksichtigt werden?
Lisa Weiß: Die Sauberkeit und Sicherheit im Kiez beschäftigt viele Erwachsene. Unter anderem stellt Hundekot in den Grünanlagen ein massives Problem dar. Außerdem sind einige Bereiche auf dem Boulevard teilweise unzureichend beleuchtet, was bei vielen Passanten in den Abendstunden ein Unsicherheitsgefühl hervorruft. Gleiches gilt für die Wege zu den U-Bahnhöfen.
Ist die Reaktivierung des Springbrunnens auch ein Thema?
Raik Berger: Wir wurden vereinzelt darauf angesprochen, ob im Rondell nicht wieder Wasser sprudeln könnte. Dafür fehlen derzeit die finanziellen Mittel. Gemeinsam mit der Deutschen Wohnen, dem bwgt e. V., Vertreter*innen des Quartiersrats und dem Naturschutzzentrum Schleipfuhl haben wir überlegt, wie wir den Ort quasi als Entree zum Boulevard aufwerten können. Zunächst wird es am 15. Oktober eine Pflanzaktion geben. Wir legen ein Fledermausbeet mit nachtblühenden nektarreichen Pflanzen an. Die Blumen sollen Nachtfalter und andere Insekten anlocken, die auf der Speisekarte von Fledermäusen stehen.