Neu am Cecilienplatz:
Karate-Training für starke Familien
Obwohl er sonst auf so ziemlich jeden Schlag vorbereitet ist, traf ihn dieser mitten ins Gesicht: Nur wenige Wochen vor Weihnachten erhielt Ralf Schulz die Nachricht, der Mietvertrag für sein Dojo werde nicht verlängert. Bis 2. Januar müsse der Karate-Verein aus den Räumlichkeiten in der Lubminer Straße raus. „Das kam für uns alle völlig unerwartet und war ein großer Schock.“
Doch die Tränen trockneten schnell und die Ungewissheit wich der Zuversicht, denn eine riesige Welle der Solidarität schwappte über den ISAMU Karate e. V.: Stephanie Inka Jehne, deren Sohn Otis im Verein trainiert, machte die Politik auf die schwierige Situation des Klubs aufmerksam. Familien- und Sportstadtrat Gordon Lemm konnte erreichen, dass die Karateka nicht gleich zum Jahresbeginn vor die Tür gesetzt wurden. Bezirksverordnete und Abgeordnete, Nachbarn und Freunde halfen bei der Suche nach neuen Räumen oder unterstützten anderweitig. Am Ende fand der Verein in der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND einen neuen Vermieter.
Mitte August war es dann so weit: Die neuen Räume am Cecilienplatz wurden bezogen und mit wenig Geld – dafür aber umso mehr freiwilligem Engagement – renoviert und zum Trainingszentrum umgebaut. Etliche Familien packten mit an. „Ich bin wirklich happy, hier so viel Unterstützung zu erfahren. So etwas habe ich noch nie erlebt“, ließ ein sichtlich bewegter Ralf Schulz seine Gäste bei der pandemiebedingt klein gehaltenen Eröffnungsfeier wissen. Elke von Ah, Leiterin des STADT UND LAND-Servicebüros in Hellersdorf, kam persönlich vorbei, um ihre neuen Gewerbemieter zu begrüßen. Sie sagte, was dem Verein widerfahren sei, hielte als gutes Beispiel dafür her, dass jede Veränderung auch immer eine Chance biete.
Schöne neue Räume
Rückblickend betrachtet hat der Verein tatsächlich auf ganzer Linie gewonnen. Die neue Trainingsfläche ist mit 240 Quadratmetern fünfmal so groß wie die alte und auch die Lage am Cecilienplatz könnte besser kaum sein. Der ISAMU Karate e. V. ist jetzt deutlich sichtbarer im Kiez. Das hat sich schon in den ersten Tagen gezeigt. Die Anmeldeformulare wurden den beiden Dojo-Leitern Marko und Katrin Fiehn förmlich aus der Hand gerissen. Über 40 Neuaufnahmen konnte der Verein inzwischen verzeichnen. Das freut auch Elke von Ah: „Ich finde es unheimlich wichtig, dass unsere Mieterinnen und Mieter solche Angebote vor ihrer Haustür haben und diese auch wahrnehmen.“
Ein Ort für Familien
Ralf Schulz sieht im Karate ein ideales Familienhobby, bei dem Kinder, Eltern und auch Großeltern wertvolle Zeit miteinander verbringen können. Das älteste der knapp 180 Mitglieder ist 83 Jahre alt, das jüngste gerade einmal neun Monate. Für die Kleinen gibt es Krabbel- und Motorikgruppen. Ab dem vierten Lebensjahr beginnt das Karatetraining.
Für jede Altersklasse hat der Vereinsvorsitzende gemeinsam mit einem renommierten Sport- und Gesundheitswissenschaftler individuelle Trainingsprogramme erarbeitet. Darüber hinaus werden Selbstverteidigungskurse und Workshops für Kitagruppen, Schulklassen, Firmen und Vereine angeboten.
Dafür ist man nie zu alt
Es sei nie zu spät, mit Karate anzufangen, bemerkt Ralf Schulz, der mit 33 Jahren den Einstieg wagte, es inzwischen bis zum fünften schwarzen Gürtel (5. Dan) gebracht hat und 2010 seinen eigenen Verein gründete. Für den Großmeister (Shihan) ist Karate mehr als nur eine Sportart. Neben Fitness und Gesundheit spiele die Persönlichkeitsentwicklung eine wichtige Rolle. Die friedfertige Kampfkunst habe positive Effekte auf Selbstbewusstsein und Selbstkontrolle und vermittle Werte wie gegenseitigen Respekt und Wertschätzung. „Was ich besonders toll finde: Hier im Verein werden auch Kinder mit Trisomie 21 oder ADHS ganz selbstverständlich in das Training eingebunden. So geht Inklusion“, lobt STADT UND LAND-Mieterin Stephanie Inka Jehne die Arbeit der Trainer.
Fit in Karate, fit in der Schule
Außerdem beobachten viele Eltern, dass ihre Kinder, wenn sie regelmäßig zum Training gehen, in der Schule besser werden. Ralf Schulz verwundert das nicht. „Sie lernen hier, zuzuhören. Wer das kann, kriegt Informationen, merkt sich in der Regel mehr, schreibt bessere Schulnoten und wird häufiger gelobt.“ Zudem seien die Gürtelprüfungen eine gute Vorbereitung auf vergleichbare Situationen im Schulalltag wie Klausuren, MSA und Abitur.
WM in Marzahn-Hellersdorf?
Und auch wenn der Leistungsgedanke beim ISAMU Karate e. V. nicht im Vordergrund steht, bleibt sportlicher Erfolg natürlich nicht aus. Das neue Dojo am Cecilienplatz hängt voller Urkunden und Medaillen der kleinen und großen Karateka. Ralf Schulz selbst hat es sogar bis in die Nationalmannschaft geschafft. Als Auszeichnung für seine Arbeit als Kampfrichter und Karate-Fachreferent im Weltverband WMAC dürfte er im kommenden Jahr eigentlich die Weltmeisterschaft ausrichten. Doch ob eine Sportveranstaltung mit über Tausend Teilnehmenden nächstes Jahr in Marzahn-Hellersdorf überhaupt möglich ist, kann heute noch niemand sagen. Um Planungssicherheit zu haben, sprechen sich die Vereinsverantwortlichen daher für eine Ausrichtung der internationalen Wettkämpfe in 2022 aus. Mit dem Verbandspräsidenten soll es dazu im Oktober Gespräche geben.
Informationen zum Verein: www.isamu-karate.de