Keine halben Sachen


Matthias Engst und Band starten gerade voll durch

Keine halben Sachen

Matthias Engst (3. v. l.) ist Frontmann der von ihm gegründeten Deutschrock-Band ENGST. Musik macht er schon seit 20 Jahren, aber erst jetzt kommt seine Karriere so richtig in Schwung. © Melanie Werner
Matthias Engst (3. v. l.) ist Frontmann der von ihm gegründeten Deutschrock-Band ENGST. Musik macht er schon seit 20 Jahren, aber erst jetzt kommt seine Karriere so richtig in Schwung. © Melanie Werner

Eigentlich hatte er sich gesagt, wenn es bis 30 mit der Karriere nicht klappt, ist Schluss. Dann wollte es Matthias Engst (35) aber doch noch mal wissen. Nach dem Gewinn der Pro7-Show „Die Band“, schlug er einen fetten Plattendeal aus  und gründete wieder eine eigene Band: ENGST. Schon das Debüt-Album „Flächenbrand“ schlug ordentlich ein. Die erste Tour hat dann noch mal alles getoppt. Im Interview spricht der Sänger über Musik, die in keine Schublade passt, die neue Platte und sein Zuhause Marzahn-Hellersdorf.

Ihr seid letztes Jahr auf große Tour gegangen und habt am Ende sogar Zusatzshows gespielt – hätte alles schlechter laufen können, oder?

Stimmt, für eine Newcomer-Band ist das schon der absolute Wahnsinn gewesen. Das Finale der „Flächenbrand“-Tour haben wir in Düsseldorf vor 960 Leuten gespielt. Bevor die Tour losging, waren 100 Fans beim Konzert im Marzahner Jugendkulturzentrum Klinke für uns schon eine große Sache.

 

Nach der Tour ging es ins Studio. Euer neues Album „Schöne neue Welt“ ist jetzt im Kasten. Was können Fans von den Songs erwarten?

Die Platte ist härter geworden als die erste. Vor allem sind die Texte deutlich rauer und wieder sehr autobiografisch. Wir legen da schon einen musikalischen Seelenstriptease hin. Zum Beispiel singe ich in „Schlechtes Gewissen“ über meine Drogenvergangenheit. 

Übrigens kommt Marzahn-Hellersdorf gleich in zwei der Songs vor: „Zu Hause“ und „Das ist nicht Hollywood“. Zum Album wird es fünf neue Musikvideos von uns geben. Und dann ist es uns natürlich eine absolute Ehre, dass die Meldodic-Hardcore-Band Evergreen Terrace ein Feature zur Platte beigesteuert hat. Die Jungs sind Legenden und Idole meiner Jugend.

 

Wie würdest du eure Musik am ehesten beschreiben?

Unser Spruch ist immer: Wir passen in keine Schublade – wir sind der ganze Schrank. Als ich die Band gegründet habe, gab es Leute aus der Punkrock-Szene, die die Nase gerümpft haben, weil ich früher Hardcore gemacht habe und jetzt halt so einen Mix aus Pop-Punk, Rock und Metal, teilweise sogar mit Rap-Elementen. Uns gefällt das. Wir wollen uns auf kein Genre festlegen und machen unser eigenes Ding. Hardcore höre ich ja immer noch gern, aber uns ist inzwischen total wichtig, dass die Leute eine Message mit nach Hause nehmen, wenn sie unsere Musik hören. Deswegen singe ich auch auf Deutsch und brülle halt auch nicht mehr nur ins Mikro. Alle Texte stammen aus meiner Feder.

 

Apropos eigenes Ding: Was hat dich 2015 bewogen, an der Pro7-Casting-Show „Die Band“ teilzunehmen?

Ich wurde von einer Freundin, die beim Fernsehen arbeitet, angesprochen. Sie meinte: Wir brauchen noch jemanden, der singen kann und tätowiert ist. Für mich war das eigentlich nur interessant, weil ich vorher noch nie groß im Ausland Urlaub gemacht hatte. Gedreht wurde in Barcelona. Wir konnten da in einer coolen Villa abhängen, Mucke machen und feiern. Direkt nebenan wohnte Shakira. Die Show am Ende sogar zu gewinnen, war so nicht geplant. 

 

In der zusammengewürfelten Band hast du es dann ja auch nicht lange ausgehalten.

Ganz schlimm fand ich, dass das Album schon fertig in der Schublade lag, bevor alles überhaupt losging. Das war von Ghostwritern geschriebene 0815-Popmusik, also überhaupt nicht meins. Hinzu kam, dass die Leute in der Band auch kein Feuer hatten. Wenn du ernsthaft erfolgreich sein willst, musst du beißen und Scheiße fressen. Das konnten die nicht.

 

Aber die Sendung war doch schon ein kleines Sprungbrett.  

Auf jeden Fall. Ich habe danach auch einen Songwriter-Deal von Sony Music an Land gezogen und durfte für das Reiseportal „Urlaubspiraten“ jobben. Anderthalb Jahre bin ich dafür durch die ganze Welt geflogen. Weil ich die Aufmerksamkeit durchs Fernsehen hatte und das erste Mal in meinem Leben auch ein bisschen mehr Kohle auf dem Konto, wollte ich es noch mal wissen. Für mich stand aber von Anfang an fest, wenn ich eine Band gründe, dann ziehen wir es knallhart so durch, wie wir es für richtig halten – keine halben Sachen, volles Brett, ohne Kompromisse. Ich weiß, wir sind auf dem richtigen Weg. Wäre Corona nicht, hätten wir nach unserer erfolgreichen Tour diesen Sommer auf etlichen Festivals gespielt, unter anderem auch beim Nova Rock in Österreich mit den Foo Fighters und The Offspring.

 

Wie bekommst du deine Musikkarriere mit dem Job als Leiter eines Marzahner Jugendklubs unter einen Hut?

Mein Chef ist ziemlich cool. Der lässt mir viele Freiheiten. Ich arbeite nur noch in Teilzeit. Aber der Job ist großartig und so lange es geht, will ich das weitermachen. Wir geben im „Energy“ jungen Leuten die Möglichkeit, Musik zu machen und Konzerte zu spielen. Ich habe hier ins Haus auch einen Proberaum reingezimmert, den die Bands kostenfrei nutzen dürfen.

 

Du machst seit der Schulzeit Musik. Hättest du dir damals auch so einen Ort wie das „Energy“ gewünscht?

Zu dieser Zeit hat eigentlich jeder Klub im Bezirk Konzerte veranstaltet. Diese Kultur ist so gut wie ausgestorben, was ich echt schade finde. Früher sind wir zum Beispiel sehr oft ins Eastend gegangen, wo wahnsinnig tolle Veranstaltungen liefen. Auch im Biesdorfer Park ging es immer gut ab. Das war mal ein Hotspot der Jugendszene. 

 

Wohnst du eigentlich noch in Marzahn-Hellersdorf. Der Bezirk ist ja jetzt nicht unbedingt Rock ’n‘ Roll?

Na sicher. Ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe Freunde und meine Familie im Bezirk. Egal, wo in der Welt ich gerade war, es hat immer gutgetan, zurückzukehren und sogar die Plattenbauten wiederzusehen. Das ist mein Zuhause, der Ort, der mich auffängt.