Viva Balkonia in Marzahn-Hellersdorf: Schön war's


Musik-Truck begeisterte Tausende Menschen und löste ein gewaltiges Medienecho aus

Zwei Tage "Viva Balkonia": Schön war's

Kultur in Zeiten von Corona: Marzahn-Hellersdorf hat am Wochenende vorgemacht, wie es gehen kann. Ein zur rollenden Bühne umfunktionierter Lkw tourte Freitag- und Samstagabend im Schritttempo durch die Straßen des Bezirks. Auf der Ladefläche erzeugten der begnadete Pianist Thomas Krüger und Sänger Sebastian Raetzel mit ihren Live-Konzerten Gänsehaut und große Emotionen. Auf den Balkonen und an den Fenstern wurde gesungen, im Takt gewippt, getanzt, gestaunt, gewunken und gelacht. 

 

Die erste Tour führte durch viele Marzahner Kieze an Tausenden Wohnungen vorbei: Vom Ahrensfelder Platz ging es zunächst auf den Blumberger Damm bis zur Mehrower Allee. Auch die Marzahner Promenade, die Allee der Kosmonauten, die Märkische Allee und viele umliegende Straßen wurden befahren. Gegen 21 Uhr endete das Konzert auf dem Helene-Weigel-Platz. 

 

Am Tag darauf begeisterten Thomas Krüger und Sebastian Raetzel mit ihrer bunten Songauswahl vor allem die Leute in Hellersdorf. Der Musik-Truck setzte sich in der Eisenacher Straße in Bewegung und bog später vom Blumberger Damm in die Zossener Straße ab. Er rollte weiter auf die Stendaler Straße, dann am U-Bahnhof Hellersdorf vorbei, hinein in die Viertel östlich und westlich der Riesaer Straße. Weil die Menschen vor der Haustür immer nur einen kleinen Ausschnitt live geboten bekamen und ohnehin nicht alle 270.000 Marzahn-Hellersdorfer das Spektakel verfolgen konnten, wurde „Viva Balkonia“ per Livestream auch im Netz übertragen.

 

Leider hielten sich nicht alle Leute an den Appell der Veranstalter, zu Hause zu bleiben. Als sich hinter dem Truck am Samstagabend eine immer größere Menschentraube bildete, musste das Konzert vorzeitig abgebrochen werden. Was vor allem diejenigen ärgerte, die vorbildlich in den eigenen vier Wänden darauf gewartet hatten, dass die Musik auch zu ihnen kommt. So blieb ein kleiner Wermutstropfen im Rückblick auf eine ansonsten rundum gelungene Aktion, die ein enormes Medienecho auslöste: Von RBB bis RTL, von lokalen Medien bis hin zum US-amerikanischen Nachrichtensender MSNBC – alle berichteten über das Open-Air-Corona-Konzert. 

 

Ausgedacht hatte sich das Ganze Dr. Oleg Peters, Leiter des Standortmarketings der Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftsförderung. Er ist sonst Cheforganisator von beliebten Events wie dem Classic Open Air in Helle und dem Classic Picknick im Schlosspark Biesdorf. Weil die in diesem Jahr ausfallen müssen, suchte er nach einem Corona-tauglichen Veranstaltungsformat. Schnell war die Idee geboren, nach dem Vorbild der Umzugswagen beim Karneval der Kulturen einen Lkw umzurüsten und damit Live-Musik zu den Menschen im Bezirk zu bringen. 

„Wir wollen in dieser für alle schwierigen Zeit ein wenig Abwechslung und Unterhaltung bieten. Wir möchten zeigen, dass niemand alleine ist, wenn wir solidarisch miteinander umgehen und aufeinander achten – und dass es auch in einer Krise Anstöße für Neues geben kann“, äußerte sich Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke) zum Gedanken hinter der Aktion. Der Plan ging auf. Die Begeisterung bei den Menschen, die wegen der bestehenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen schon seit Wochen zu Hause bleiben müssen, war groß. 

 

„Ich habe schon viel gemacht: In Zügen, auf Bahnhöfen und Flughäfen gespielt. Aber ein fahrender Truck im eigenen Bezirk: Das hatte noch gefehlt“, resümierte ein völlig erschöpfter, aber sehr zufriedener Thomas Krüger nach den beiden fast dreistündigen Konzerten. „Mich hat es emotional stark tangiert, dass wirklich so viele auf den Balkonen standen und ernsthaft mitgemacht haben, tanzten, mitsangen, klatschten, uns zuwinkten, ja teilweise richtig abgingen, einfach fröhlich waren. Das war das Ziel! Ein kurzes Aufbrechen der Corona-Atmosphäre“, erklärte der Künstler auf Facebook.