Jetzt sind frische Ideen gefragt


Mit Kreativität der Krise trotzen

Jetzt sind frische Ideen gefragt

Mit Kreativität trotzen immer mehr Leute aus dem Bezirk der Krise. Wohin man schaut, werden neue digitale Angebote an den Start gebracht, die das Zeug haben, auch nach der Corona-Zwangspause zu bestehen. Drei Beispiele:

 

SCHLAUFUCHS HAT EINE VIRTUELLE SCHULE GEBAUT

Die Schulen sind wegen Corona zu, aber lernen sollen die Kids trotzdem – und zwar in den eigenen vier Wänden. Dafür erhalten sie von ihren Lehrern gerade haufenweise Arbeitsblätter per Mail. Wer Fragen hat oder mit dem Stoff nicht weiterkommt, ist meist auf sich allein gestellt – gäbe es da nicht Schlaufuchs Berlin. Die pfiffigen Mitarbeiter des Marzahn-Hellersdorfer Bildungsdienstleisters haben angesichts der bevorstehenden Schulschließungen vor einigen Wochen einfach mal eine digitale Schule mit verschiedenen Klassenräumen aus dem Boden gestampft. Dort sitzen nun täglich in den Vor- und Nachmittagsstunden Lerncoaches, die den Schülern per Text-, Sprach- und Video-Chat bei ihren Aufgaben helfen.

 

200 Kinder und Jugendliche tummeln sich inzwischen auf dem Campus im Netz. Täglich werden es mehr. „Der Bedarf ist groß, auch bei den Eltern“, sagt Schlaufuchs-Gründer Alexander Möller. Der Mahlsdorfer ist selbst Zweifach-Papa und weiß, dass vielen Müttern und Vätern gerade einiges abverlangt wird: Sie sollen den Haushalt schmeißen, auf Arbeit oder im Home-Office funktionieren und zusätzlich noch in die Rolle des Paukers schlüpfen und ihrem Nachwuchs zum Teil schwierige Lerninhalte vermitteln. Anders als viele Eltern kennen sich die Schlaufüchse mit Hausaufgabenhilfe bestens aus. Seit einigen Jahren schon sind sie mit den Lernstudios an zahlreichen Grund- und Oberschulen und bieten auch Studienberatung, Berufsorientierung, verschiedene AGs sowie Förder- und Prüfungsvorbereitungskurse an. Dabei verstehen es Alex Möller und sein Team, junge Leute für Bildung zu begeistern, sie zu unterstützen und zu fördern. Gerade auch weil es sich bei den derzeit 130 Honorarkräften überwiegend um Studenten handelt, die selbst noch nicht lang aus der Schule raus sind, haben sie einen ziemlich guten Draht zu den Kids.

 

Mit den Online-Studios erobern sich die Schlaufüchse gerade neues Terrain. „Geöffnet“ ist die virtuelle Schule immer montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr sowie von 13 bis 16 Uhr. Über www.schlaufuchs-berlin.de gelangen die Schüler auf die Plattform und können sich mit einem Passwort einloggen. Von einer „Pausenaufsicht“ werden sie zunächst auf dem Schulhof empfangen und dann in den jeweiligen Fachraum geführt, wo sie Hilfe und Erläuterungen zu ihren Aufgaben erhalten.

Aktuell ließen sich die Nutzer noch gut in einer Schule betreuen, sagt Alex Möller. Grundsätzlich sei es aber auch möglich, für jede Berliner Schule einen eigenen Online-Campus zu bauen. Den Job der Lerncoaches könnten dann zum Teil auch die „echten“ Lehrer übernehmen.

 

VITABELLE VERLEGT KURSE INS INTERNET

Als klar war, dass auch sie wegen der Corona-Pandemie dichtmachen müssen, stand für Ella und Gabriela Donka eines fest: Trübsal blasen ist keine Option. Vor acht Jahren haben Mutter und Tochter im Mädewalder Weg in Kaulsdorf unter dem Namen „Vitabelle“ ihr eigenes Gesundheitssportstudio eröffnet und sich damit einen Lebenstraum erfüllt. Nun in der Krise ist das Gefühl der Anfangszeit, in der alles neu, aufregend und ungewiss war, ein Stück weit zurück. Auf die vom Senat angeordneten Sportstättenschließungen hatten die beiden Frauen in Rekordzeit reagiert und vor drei Wochen ihren ersten Kurs mithilfe der Videokonferenz-Plattform „Zoom“ ins Internet verlegt. Gleich zur Premiere waren zwölf Teilnehmer online. „Am Freitag darauf haben sich sogar schon 16 Leute aus den heimischen Wohnzimmern dazugeschaltet. Das sind mehr als sonst in die Halle passen“, freut sich Geschäftsführerin Gabriela Donka über den erfolgreichen Start des neuen digitalen Angebots. Seither sprudeln die „Vitabellas“ nur so vor neuen Ideen für ihr virtuelles Fitnessstudio. Bei der Umsetzung werden sie von Ellas Mann Norbert unterstützt. Er kümmert sich um die Technik.

 

Der absolute Renner sind bislang die Livestream-Kurse. Dreimal pro Woche immer um 19 Uhr ist Ella Donka auf Sendung – montags mit einem Workout, das Yoga- und Pilates-Elemente vereint, mittwochs mit RückenFit und am Freitag mit Pilates.Wer mitmachen will, benötigt nur eine Matte, einen Internetzugang und dazu einen PC, Laptop, ein Tablet oder Smartphone. Mutige können die Videofunktion freischalten, dann sind sie für die anderen sichtbar. „Es ist toll. Wir bewegen uns, lachen miteinander, meditieren und tauschen uns aus“, schwärmen die beiden Fitnesstrainerinnen auf ihrer Internetseite.

 

Gerade jetzt in der Krise sei es wichtig, sich zu bewegen und etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun, sagt Gabriela Donka. „Wir möchten einfach ein gutes Gefühl verbreiten und den Menschen helfen, besser mit dieser Ausnahmesituation umzugehen.“ Doch natürlich geht es für das kleine Unternehmen jetzt auch ums Überleben. Und weil ihnen „Vitabelle“ unbedingt erhalten bleiben soll, wollen viele Kunden sogar freiwillig für das Angebot zahlen. Empfohlen werden 10 Euro pro Kurs.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem Ella und Gabriela Donka nicht darüber brüten, wie sie trotz Hausarrest und Kontaktbeschränkungen Bewegung in den Alltag der Menschen bringen können. Mittlerweile sind die ersten Youtube-Clips im Netz und immer mehr „Vitabelle“-Fans vereinbaren telefonisch, per Mail oder WhatsApp Termine zum Einzel- und Gruppencoaching.

Für Arbeitskollegen, die gerade im Home-Office getrennt voneinander schuften, könnte das eine interessante Möglichkeit sein, mal wieder zusammenzukommen, findet Ella Donka. Wem sonst die gemeinsame Raucherpause einen Schub an Konzentration und Kreativität gebracht habe, fände jetzt vielleicht im gemeinsamen Workout per Videokonferenz eine Art Ersatzdroge.

www.vitabelle-fitness.de

 

BIBLIOTHEK STARTET EIGENEN PODCAST

Auch das Team der Mark-Twain-Bibliothek im Freizeitforum Marzahn geht digitale Wege, um mit den Nutzern in Verbindung zu bleiben. In einem Podcast berichten Bibliothekare von ihrer Arbeit hinter den derzeit verschlossenen Türen. Außerdem gibt es regelmäßig Lesetipps auf die Ohren.

„Da Außenstehende oft denken, dass wir mit Schließung der Bibliothek nichts mehr zu tun haben, kam die Idee auf, die Mitarbeiter und ihre Tätigkeiten vorzustellen“, sagt Renate Zimmermann. Seither wird für das „Tagebuch einer geschlossenen Bibliothek“ das Diktiergerät angeschmissen und jeden Tag eine neue Episode aus dem Arbeitsalltag als Audiobotschaft ins Netz gestellt. Bibliothekschefin Benita Hanke ist wöchentlich mit einem Lagebericht auf Sendung.

Ein zweiter Podcast trägt den Titel der beliebten Veranstaltungsreihe „Schwebende Bücher“, die normalerweise alle sechs Wochen in der Bibliothek stattfindet. Dabei werden Buchtipps ausgetauscht. Dies geschieht nun ebenfalls online: In gemütlicher Runde stellen Bibliothekare vor, was sie zuletzt gelesen haben und für empfehlenswert halten. Neun Audiodateien sind bereits verfügbar.

www.berlin.de/bibliotheken-mh