Machbarkeitsstudie vorgestellt // Standortsuche geht in die finale Runde
Der Traum vom Freibad rückt ein Stück näher
Ein 270.000-Einwohner-Bezirk ohne eigenes Freibad: Das gibt es nur in Berlin. Seit fast zwei Jahrzehnten sitzen die Menschen in Marzahn-Hellersdorf im Sommer auf dem Trockenen. „Wir wollen diese Misere beenden“, sagt Sportstadtrat Gordon Lemm (SPD). Er hat im Sommer eine Machbarkeitsstudie für mehrere mögliche Standorte in Auftrag gegeben. Gestern wurden die Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert.
Die gute Nachricht ist: Auf drei Flächen wäre laut den Experten des Berliner Planungsbüros TOPOS der Bau eines Freibads denkbar. Infrage kommen der Jelena-Šantić-Friedenspark, der Biesdorfer Friedhofsweg und der Biesdorfer Baggersee. Für alle drei Standorte haben die Macher der Studie unterschiedliche Konzepte entwickelt und dabei auf Anregung von Innen- und Sportsenator Andreas Geisel (SPD) auch Varianten mit einem ganzjährig nutzbaren Kombibad durchgespielt.
Die Standorte
„Am Jelena-Šantić-Friedenspark hätten wir die Möglichkeit, einen besonders schönen Standort zu schaffen“, sagte Landschaftsarchitekt Stephan Buddatsch bei der Vorstellung der Entwürfe über das rund 6,2 Hektar große Areal in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wuhletal und der Seilbahnstation an der Hellersdorfer Straße. Dort bestünde die Chance, „mit der Topografie zu spielen und das Schwimmbad in den Hügel hineinzuschieben“, so Buddatsch. Die verschiedenen Freibadbereiche könnten auf drei Ebenen harmonisch in die Landschaft eingebettet werden: Auf dem Plateau sollen Liegewiesen angelegt und eine Kinderplansche in den Boden eingelassen werden. Auf dem Zwischenniveau befänden sich neben der Badeplattform mit Schwimm-, Sprung- und Freizeitbecken auch der Umkleide-, Kassen- und Saunabereich sowie ein Café. Auf der unteren Ebene an der Alten Hellersdorfer Straße in Höhe des Hasenpfuhls seien weitere Liegewiesen und ein Spielbereich vorgesehen. Platz für ein Hallenbad mit 25-Meter-Bahn wäre ebenfalls. Große Teile des Gebäudekomplexes erhielten eine Dachbegrünung.
Für den Standort spreche laut Stephan Buddatsch neben der exponierten Lage auch die gute Anbindung an den ÖPNV und das öffentliche Radwegesystem. Ein Parkplatz (neben der Tourist-Info) ist bereits vorhanden.
Konfliktpotenzial sieht der Landschaftsarchitekt beim Umwelt- und Naturschutz. Um ökologisch besonders wertvolle Bereiche möglichst unberührt zu lassen, würde die Bebauung auf den nordöstlichen Bereich konzentriert werden. Der Hasenpfuhl und die südlichen Parkflächen blieben erhalten und die bestehenden Wegebeziehungen weiterhin offen. Ausgelegt ist das Freibad für etwa 2.000 bis 2.500 Gäste.
Visualisierung Kombibad am Jelena-Šantić-Friedenspark
© TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung
Das gilt auch für das am S- und U-Bahnhof Wuhletal gelegene Grundstück am Biesdorfer Friedhofsweg. Hier stünden etwa drei Hektar Fläche für den Bau eines Freibads mit Schwimm-, Sprung- und Freizeitbecken, Kinderplansche, Liegewiesen und Spielbereichen zur Verfügung. Das Funktionsgebäude mit Saunalandschaft und Café sowie ein zweites Gebäude mit Kasse und Umkleiden fungierten als Blick- und Lärmschutz zum angrenzenden Friedhofsgelände.
Wegen des günstigen Grundstückszuschnitts wäre neben den Outdoor-Becken sogar Platz für eine Schwimmhalle mit 50-Meter-Bahn. Ein großes Plus für diesen Standort: Sollte es dem Bezirk nicht gelingen, gleich die volle Summe für ein Kombibad einzuwerben, könnte das überdachte Schwimmbecken mit Wellnessbereich ohne große Schwierigkeiten auch zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Gelände errichtet werden.
Visualisierung Kombibad am Biesdorfer Friedhofsweg
© TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung
Bereits als Badestelle genutzt wird im Sommer der Biesdorfer Baggersee. Dabei ist das Planschen in dem Regenrückhaltebecken wegen der schwankenden Wasserqualität genau genommen nicht erlaubt. Mangels Alternativen wird es vom Bezirksamt aber geduldet. Mit einem Badeschiff im südwestlichen Bereich des Sees könnte dort eine legale Bademöglichkeit geschaffen werden. Die Plattform mit Café, Schwimmbecken, Umkleiden, Sanitäranlagen und Kassen wäre über einen 20 Meter langen Steg von den Liegewiesen am Ufer zu erreichen.
Die Planer verstehen diese Variante aber eher als ergänzendes Angebot, das gerade für junge Leute attraktiv sein dürfte. Es trüge zu einer Entspannung der aktuellen Situation am See bei, spiele aber nicht „in derselben Liga“ wie die beiden anderen Vorschläge, erläuterte Stephan Buddatsch. Auch weil an Deck und auf den Liegewiesen nur Platz für etwa 500 Leute sei und Konflikte mit den Anwohnerinnen und Anwohnern der Einfamilienhausgebiete durch Lärm und Parksuchverkehr befürchtet werden.
Visualisierung Badeschiff am Biesdorfer Baggersee
© TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung
Ein vierter möglicher Standort ist das Kinderbad Platsch. Eine Erweiterung der bestehenden Anlage ist bereits vor etwa fünf Jahren untersucht worden. Für das Platsch im Bürgerpark Marzahn gilt wie für das Badeschiff: Es kann den großen Bedarf an Open-Air-Badespaß im Bezirk nicht abdecken und ist eher als Ergänzung anzusehen.
Wie geht es weiter?
Die geeigneten Standorte sind identifiziert, jetzt muss ein Favorit auserkoren werden. Bjoern Tielebein (Die Linke), Leiter der „Arbeitsgruppe Freibad“ in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), kündigte gegenüber der Presse an, man werde sich nun mit den Vor- und Nachteilen der Standorte befassen, noch vor der Sommerpause eine Prioritätenliste festlegen und anschließend beim Senat um die Finanzierung des Projekts werben. Zu den Kosten gibt es bislang nur grobe Schätzungen: für das Freibad in Biesdorf werden 15,7 Millionen Euro und für das Freibad in Hellersdorf 18,9 Millionen Euro veranschlagt. Ein Kombibad kostet um die 32 Millionen Euro. Das Badeschiff wäre laut Stephan Buddatsch sogar noch teurer.
Gordon Lemm machte deutlich, dass auf dem Weg zur Umsetzung viele weitere Fragen beantwortet, Schritte gegangen und Hürden gemeistert werden müssen. Zu klären ist beispielsweise noch, wer das Freibad überhaupt baut und ob es von den Berliner Bäder Betrieben oder in bezirklicher Eigenregie betrieben werden soll.
Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen, die von der Finanzierung bis zum Bebauungsplanverfahren und der tatsächlichen Realisierung reichen, hütete sich der Stadtrat davor, einen möglichen Eröffnungstermin zu nennen.
Warum es diesmal mit dem Freibad klappen könnte
Trotzdem strahlten er und Tielebein Optimismus aus. Tatsächlich ist Marzahn-Hellersdorf dem Traum vom eigenen Freibad wohl so nah wie seit Jahrzehnten nicht mehr: Die Standortsuche geht in die letzte Runde und auch der Senat hat den Bedarf inzwischen anerkannt. So stellte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen von Katrin Lompscher (Die Linke) das Geld für die Machbarkeitsstudie zur Verfügung und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte bei seinem Besuch im September, der Wunsch der Marzahn-Hellersdorfer nach einer geordneten Bademöglichkeit im Freien sei nachvollziehbar.
In der Vergangenheit aber verliefen alle Versuche, ein Freibad nach Marzahn-Hellersdorf zu bekommen, früher oder später im Sande. Bjoern Tielebein führt das Scheitern vor allem darauf zurück, dass es seit der Schließung des Wernerbads nicht gelungen sei, eine gemeinsame Position herzustellen. Jahrelang hatten sich etwa die Linken erfolglos für den Elsensee stark gemacht und die SPD in der letzten Wahlperiode gemeinsam mit dem Bezirk Lichtenberg ein Spaßbad am Tierpark angestrebt. Diesmal sei die Herangehensweise eine andere. Um den Wunsch nach einem Freibad gegenüber dem Senat mit einer Stimme zu vertreten, wurde im Dezember 2017 die „AG Freibad“ aktiv. Darin sind alle Fraktionen der BVV vertreten. Wenn es gelingen sollte, weiter an einem Strang zu ziehen, erklärte Tielebein, sei er sehr zuversichtlich, dass es mit dem Freibad klappen könnte.
Dem pflichtete Stadtrat Lemm bei: „Der Prozess, der jetzt ansteht, macht nur Sinn, wenn man überparteilich und überfraktionell zusammenarbeitet, so wie wir es im Bezirksamt tun.“
Für Verstimmung bei den übrigen Parteien sorgte vor diesem Hintergrund das Vorpreschen der CDU Wuhletal. Diese hatte bereits am Donnerstag in einer Veröffentlichung der Studienergebnisse vorgegriffen und sich für den Standort Biesdorfer Friedhofsweg ausgesprochen. „Hierbei wurde der nun anstehende Auswahlprozess übergangen und die gemeinsame Arbeit von Bezirksamt und BVV untergraben“, kritisierten die Mitglieder der „AG Freibad“ Klaus Mätz (SPD), Nickel von Neumann (Bündnis-Grüne) und Bjoern Tielebein in einer Pressemitteilung. Sie forderten die CDU-Fraktion auf, sich der gemeinsamen Arbeit wieder anzuschließen und auf kontraproduktive Alleingänge zu verzichten.