Vorstand zieht nach den jüngsten Ereignissen Konsequenzen
"Stilles Gedenken" künftig ohne Heimatverein
Das „Stille Gedenken“ auf dem Parkfriedhof Marzahn wird künftig ohne den Heimatverein stattfinden. Nach langen Diskussionen hat der Vorstand des Vereins am Dienstag Konsequenzen aus den jüngsten Ereignissen rund um die Veranstaltung gezogen und den Entschluss gefasst, von der Mitträgerschaft zurückzutreten. Das hat der Vorsitzende Wolfgang Brauer beim gestrigen Jahrespressegespräch verkündet.
Seit 2007 laden BVV und Heimatverein jedes Jahr anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus zur Kranzniederlegung an der Stele der Zwangsarbeit im Wiesenburger Weg ein. In diesem Jahr erreichte der Streit um die Teilnahme von AfD-Politiker*innen an der Veranstaltung ihren traurigen Höhepunkt: Einsatzkräfte der Polizei waren gefordert, die Gäste der Zeremonie von einer angemeldeten Kundgebung des VVN-BdA zu trennen, es kam zu einigen Rangeleien und Pöbeleien vor dem Friedhof und zu jeder Menge verbalen Nachtritten.
Politische Vereinnahmung des „Stillen Gedenkens“
Bis 2017 sei der besondere Charakter des „Stillen Gedenkens“ von allen Teilnehmenden immer respektiert worden. „Das ist nicht mehr der Fall“, erklärte ein sichtlich bewegter Wolfgang Brauer mit brüchiger Stimme vor der Presse. Brauer kritisierte unter anderem die massive politische Vereinnahmung der Veranstaltung und erklärte auch, es sei für den Heimatverein nicht hinnehmbar, „wenn in der Folge solcher Ereignisse (...) ein AfD-Parlamentarier sich medial als Verteidiger der Demokratie in Szene setzen“ könne. Das Statement ist eine Anspielung auf ein im Internet veröffentlichtes Video des Marzahner AfD-Abgeordneten Gunnar Lindemann.
Heimatverein sieht sich verleumdet
Lindemann ist wie auch einige andere Bezirkspolitiker der „Alternative für Deutschland“ Mitglied im Heimatverein. Dieser sieht sich seither verstärkt mit dem Vorwurf der AfD-Nähe konfrontiert. Obwohl der Verein seit seiner Gründung wesentliche Beiträge zur Erforschung des NS-Zeit, der Geschichte des antifaschistischen Widerstands, der Shoa und der Etablierung einer antifaschistischen Gedenkkultur im Bezirk leistet, werde man inzwischen hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand in linken Kreisen als AfD-unterwandert verleumdet, heißt es in einer schriftlichen Erklärung, die der Vorstand verfasst und inzwischen auch auf Facebook veröffentlicht hat.
Entschluss gefasst, um weiteren Schaden abzuwenden
„Ja, wir haben einige AfD-Mitglieder, denen wir den Eintritt nicht verwehren konnten“, so Brauer, der von 1999 bis 2016 für die Linken im Abgeordnetenhaus saß. „Ich bin der Letzte, der auch nur eine gefühlsmäßige Nähe zu dieser Partei haben kann, und wenn ich mich dann als Wegbereiter des Faschismus beschimpfen lassen muss, ist das heftiger Tobak.“ Brauer und seine Mitstreiter*innen bedauern, zum „Placebo“ eine notwendigen politischen Auseinandersetzung mit der AfD geworden zu sein, „die die politischen Parteien des Bezirkes entweder nicht gewillt oder nicht hinreichend genug in der Lage sind, zu führen.“ Die Debatte drohe den Heimatverein zu zerreißen. Jetzt gelte es, weiteren Schaden abzuwenden.
Suche nach neuen Formaten beginnt
Die Entscheidung, sich als Mitveranstalter des „Stillen Gedenkens“ zurückzuziehen, sei allen Beteiligten sehr schwer gefallen. Zumal Wolfgang Brauer Miterfinder des Formats ist und der ebenfalls im Heimatverein aktive Künstler Michael Klein das Denkmal für die NS-Zwangsarbeiter auf dem Parkfriedhof einst geschaffen hat. „Die Stele steht seit 2004 dort und ist ausschließlich mit Spenden finanziert worden, die unser Verein gemeinsam mit dem Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreis eingetrieben hat“, merkt die stellvertretende Vorsitzende Dr. Christa Hübner an.
Man sei aber zuversichtlich, andere Formate zu finden, die dem Heimatverein anlässlich des 27. Januar ein antifaschistisches Gedenken in würdiger Form und eine entsprechende öffentliche Positionierung ermöglichen. Die BVV-Vorsteherin Kathrin Henkel (CDU) ist inzwischen informiert. Sie werde den Ältestenrat des Bezirks kommende Woche bei dessen Tagung noch einmal offiziell davon in Kenntnis setzen, dass der Verein entschieden hat, nicht mehr länger als Mitveranstalter tätig zu sein. „Dann ist es Aufgabe des BVV-Vorstands und des Ältestenrats, sich damit zu beschäftigen“, so Henkel auf die Frage, ob auch die BVV nach einer neuen Form des bezirklichen Gedenkens suche.