In der "C119" wurde das Licht ausgeknipst // Streetworker bleiben aber im Kiez
Die Hellersdorfer Kellerklubs sind Geschichte
Sie hießen „Mücke“, „AKKU“, „Paule-Keller“, „Fantasy“, „No Name“, „Plato“ oder auch „Katakombe“ und waren in den Neunziger- und Nullerjahren angesagte Treffpunkte für Kinder und Jugendliche. Nun aber ist die Ära der Hellersdorfer Kellerklubs wohl ein für allemal zu Ende. Im Oktober haben die beiden Streetworker Thomas Grasnick und Matthias Graf im letzten verbliebenen Souterrain-Freizeittreff, dem „C119“, das Licht ausgeknipst. Für die beiden hieß es: Raus aus der „Unterwelt“, rein ins helle Ladenlokal.
Statt in der Alten Hellersdorfer Straße 119 sind die beiden mit ihrer Kontakt- und Beratungsstelle nun wenige hundert Meter weiter in der Hausnummer 136 anzutreffen. „Ein bisschen Wehmut ist schon dabei“, gesteht Thomas Grasnick. „Die Kinder und Jugendlichen mochten den Nischencharakter der Räume, die Wohnzimmeratmosphäre, das Unbeobachtete.“
Zu wenig Orte für über 20.000 Kinder in Hellersdorf
Die Geschichte der Kellerklubs geht zurück auf eine Initiative von Dr. Jack Gelfort, dem einstigen Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf (WoGeHe), und Hellersdorfs Jugendstadtrat Roland Kreins (SPD). Damals, 1992, lebten über 20.000 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 15 Jahren in Hellersdorf. Freizeitangebote fehlten in Größenordnungen. Um die jungen Leute von der Straße wegzuholen und ihnen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung anzubieten, vereinbarten der Bezirk und die in kommunalen Belangen äußerst aufgeschlossene Wohnungsbaugesellschaft, in Kellerräumen von Wohnhäusern Orte zu schaffen, an denen die Kids machen durften, worauf sie Lust hatten: Musik hören, feiern, kreativ sein, abhängen, Billard, Kicker oder Karten spielen. Und wo sie Stress mit den Eltern oder in der Schule für ein paar Stunden ausblenden konnten. Für viele waren die „coolen Inseln“ ein zweites Zuhause.
Gabriele Fiedler aus dem Jugendamt hat die Einrichtung der Kellerklubs in den Wohnhäusern von Beginn an begleitet. Während die WoGeHe den Ausbau mit Sanitär, Heizung und – sofern möglich – mit einem Fenster sowie einem separaten Eingang übernahm, pro Standort etwa 20.000 bis 40.000 Mark investierte und die Räume mietfrei zur Verfügung stellte, suchte Fiedler geeignete Jugendhilfeträger für die Betreuung der Freizeittreffs. So entstanden Kellerklubs mit ganz unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtungen. Der „AKKU“ in der Erich-Kästner-Straße zum Beispiel wurde von vielen Jugendlichen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen genutzt. Im „Kiezclub“ in der Tangermünder Straße drehte sich alles um Musik und im „Stadt-Rand-Treff“ in der Peter-Huchel-Straße lag der Schwerpunkt auf Suchtprävention.
Darum verschwanden die Kellerklubs peu à peu
Insgesamt gelang es, 19 Kellerklubs herzurichten und mit Leben zu erfüllen. „Die Hälfte der Einrichtungen wurde mit ABM-Kräften betrieben. Immer wenn die Maßnahmen ausliefen, begann das große Zittern“, berichtet Gabriele Fiedler. Spätestens Anfang der 2000er Jahre wurde die personelle Betreuung der Kellerklubs dann immer schwieriger. Hinzu kam, dass die Wohnungen der WoGeHe an verschiedene Wohnungsunternehmen gingen, die neuen Eigentümer nur wenig mit den Klubs anfangen konnten und neue Bauvorschriften den Weiterbetrieb erschwerten. Ärger mit den Anwohnern gab es hier und da auch. So verschwanden die Kellerklubs nach und nach von der Bildfläche. Durch Umwidmungen von nicht benötigten Kita-Gebäuden und Neubau entstanden im Bezirk neue Freizeiteinrichtungen.
Aus „C119“ wird „C136“ – die Angebote bleiben
Bei der „C119“ waren es baurechtliche Unzulässigkeiten wie fehlende Fluchtwege und offene Rohrleitungen an den Decken, die das Aus für den 1993 eröffneten und seit 1996 als Kontakt- und Beratungsstelle betriebenen Klub bedeuteten.
Der Vermieter, die Deutsche Wohnen, konnte den Streetworkern aber ein neues Domizil anbieten. Auch die Fahrradwerkstatt und andere beliebte Angebote wie Graffiti gibt es neben Gesprächen und Beratung weiterhin.
Ein wenig Zeit werden Thomas Grasnick und Matthias Graf wohl aber noch brauchen, um sich am neuen Ort einzuleben. Sie hatten zunächst die Befürchtung, dass durch den Umzug viele Kids wegbleiben. „Das hat sich zum Glück bislang nicht bewahrheitet.“ Außerdem warten die beiden Streetworker nicht nur darauf, dass sie von den jungen Leuten aufgesucht werden, sondern sind auch dort unterwegs, wo sich die Jugend von heute ganz gern aufhält – im Marktplatzcenter oder im Kaufpark Eiche zum Beispiel.